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Heute geht’s ums Geld. In der Corona-Zeit haben die Apotheken beim Maskenball kräftig abgesahnt, dann können sie jetzt auch ordentlich beim Spargesetz zubuttern. Das ist der derzeitige Stimmungsmix, aufgedröselt und angefacht durch SZ und WDR, verstärkt durch den GKV-Spitzenverband und verallgemeinert durch Kriminalbeamte. Im Bundestag und bei Lauterbach kommt das gut an: Das sind die Effizienzreserven, nach denen alle gesucht haben. Dazu bläst uns von vorne noch der Ärzte-Neid zu den pharmazeutischen Dienstleistungen ins Gesicht, dramaturgisch garniert mit kritischen Medienberichten. Das wird ein heißer Herbst.
26. September 2022
Vielen Ärztefunktionären, allen voran den hessischen, sind unsere honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) ein Dorn im Auge. Seit dem Schiedsspruch lassen sie keine Gelegenheit aus, gegen diese neuen pharmazeutischen Aufgabengebiete, die uns die Bundesregierung zugesprochen hat, in geradezu unflätiger Art und Weise zu stänkern. Mehr noch. Mittlerweile hat die Kassenärztliche Vereinigung Hessen Klage gegen den Schiedsspruch erhoben, wie bereits der GKV-Spitzenverband. Mit despektierlichen Aussagen über unsere pharmazeutische Profession machen Ärztinnen und Ärzte mächtig Stimmung gegen die pDL. Dabei sind sie sich nicht zu schade, unsere Kenntnisse zu Fragen der Arzneimitteltherapiesicherheit herabzuwürdigen. Letztlich entlarven sie sich dabei immer wieder selbst, denn bei allen Hass- und Hetztiraden läuft es nur auf eins hinaus, aufs Geld. Die Ärzteschaft, die soeben ihre jährliche Routineerhöhung des Honorars unter Dach und Fach gebracht hat (2 Prozent mehr Honorar für 2023 – von jährlichen Honorarerhöhungen können wir nur träumen), will nicht akzeptieren, dass Apothekerinnen und Apotheker z. B. für eine pharmazeutisch fundierte und anspruchsvolle Medikationsanalyse honoriert werden. Mein liebes Tagebuch, möglicherweise schwingt da in der Ärzteschaft die Meinung mit, wir Apothekers wollten ihre Therapie kontrollieren. Mitnichten, das wollen und können wir nicht. Wir können aber sehr wohl die gesamte Medikation eines Kranken checken, abgleichen, Doppelverordnungen und Wechselwirkungen feststellen und den Menschen helfen, ihre Therapie zu verstehen, wie auch ABDA-Präsidentin Overwiening bei einer Debatte im Deutschlandfunk deutlich machte.
Auch ein Beitrag im ARD-Vormittagsmagazin „Live nach Neun“ schenkte den Kritikern der pDL weit mehr Raum als der Apotheke. Da durfte zwar Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, versuchen klarzustellen, dass es sich bei der Medikationsanalyse für 90 Euro um eine intensivere Qualität der Beratung handelt als bei der Beratung im Rahmen der Arzneiabgabe, zu der die Apotheken per Gesetz eh verpflichtet sind. Aber die Sendung driftete tendenziös ab: „Stolze 150 Millionen Euro“, so der Sendebeitrag, stehen für die pDL zur Verfügung – „ein Geschenk für die Apothekerlobby, sagen einige, aber nur hinter vorgehaltener Hand“, kommentiert der Beitrag, „aber wo kommt dieser Geldsegen her in Zeiten chronisch knapper Krankenkassen …?“ Die Antwort gibt ein Medizinökonom: Dieses Geld für die Apotheken komme letztlich aus den Versichertenbeiträgen selbst, „sprich, wir alle zahlen für diese Dienstleistungen“ ergänzt das Magazin. Wer hätte das gedacht, mein liebes Tagebuch. Aber vergessen habe man, hier die Vertragsärzte mit einzubinden, die nun dagegen Sturm laufen. Eine junge Allgemeinärztin versucht dann dem Zuschauer deutlich zu machen, dass Ärztinnen und Ärzte doch viel mehr wüssten über die therapeutischen Bedürfnisse der Patienten, die auf mehrere Arzneimittel angewiesen seien. So stünden den Apotheken die Daten wie Laborbefunde oder EKG gar nicht zur Verfügung. Und dann bricht auch hier das eigentliche Thema durch, das Geld. Die Ärztin bringt es auf den Punkt: Sie könne nicht verstehen, dass eine solche Leistung, die für Ärzte selbstverständlich und im Ärztebudget bereits inkludiert sei, von einem Apotheker, der zudem weniger Informationen über den Patienten habe, für horrendes Geld erbracht und damit extra und somit sehr gut bezahlt werde – „dann fühle ich mich wenig wertgeschätzt“. Mein liebes Tagebuch, das sind die Knackpunkte: zum einen das Geld und zum andern die Unkenntnis der Ärzte über die pharmazeutische Dienstleistung, über die Medikationsanalyse. Vielleicht hätte man den Ärzten mal erklären müssen, was diese pharmazeutische Leistung eigentlich ist, wie umfangreich sie ist. Und dann sollten die Ärzte in sich gehen und sich eingestehen, dass sie wohl diese arzneimittelspezifische und -übergreifende Analyse in dieser Form bisher noch nie erbracht haben. Sorry, wer kennt einen Patienten, der berichten kann, dass sich seine Ärztin über eine Stunde lang Zeit genommen hat, den Medikationsplan und seine gesamte Arzneitherapie zu überprüfen? Ehrlich gesagt, ist es nicht so, dass die Ergebnisse der apothekerlichen Medikationsanalysen zeigen, es gibt oft noch Verbesserungspotenzial in Sachen Arzneitherapie? Dass man dem „Live-nach-Neun-Beitrag“ eine gewisse Tendenz unterstellen kann, zeigte sich in der Abmoderation, die den Bogen zum „Maskenskandal der Apotheken“ schlug. Die Moderatorin wies darauf hin, dass die Apotheken zu Beginn der Pandemie 6 Euro pro FFP2-Maske vom Bund erhielten. WDR- und SZ-Recherchen hätten zudem, ergeben, „dass die Abrechnungen der rund 20.000 Apotheken in Deutschland offenbar nicht gezielt kontrolliert wurden“.
Mein liebes Tagebuch, passend zum Spargesetz von Lauterbach veröffentlicht nun die Recherchegruppe der Süddeutschen Zeitung (SZ) und des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ihre Ergebnisse zur Maskenabgabe im ersten Corona-Winter: „Apotheken erhielten zwei Milliarden für Masken – ohne Kontrolle“ und „Apotheken offenbar nie gezielt überprüft“, so die Schlagzeilen. Der Vorwurf: Das Gesundheitsministerium habe bis heute nicht systematisch prüfen lassen, ob die Apotheken die Anzahl der verteilten Masken beim Staat überhaupt korrekt abgerechnet haben. So richtig ins Rollen gekommen sind diese Vorwürfe auf den Berliner Sicherheitsgesprächen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter e.V., die am 22. September stattfanden unter der Überschrift: „Tatort Gesundheitswesen! Ein Milliardenbetrug?“ Mit von der Partie war, kein Wunder, der GKV-Spitzenverband. Zwar ist in der Einladung die Rede von Schwarzen Schafen aller Berufsgruppen des Gesundheitswesens, die sich aus dem Topf der Gesundheitsausgaben bedienen. Im Rahmen der Gespräche standen aber u. a. die Apotheken im Fokus. Jörg Engelhard, Leiter des Kommissariats Abrechnungsbetrug beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin, soll geäußert haben, dass beim Maskenprogramm für die Apotheken eine Kontrolle „überhaupt nicht vorgesehen“ gewesen sei. Und weiter: „Als Kriminalisten wissen wir, dass es nicht drakonische Strafen sind, die Menschen dazu bringen, keine Straftaten zu begehen, sondern es ist das Entdeckungsrisiko.“ Mein liebes Tagebuch, und somit werden wir Apothekers unter Generalverdacht gestellt: Wir betrügen und bereichern uns, weil es keine Kontrollen gibt. Starker Tobak, oder? Und alle Verdächtigungen und Unterstellungen werden erst jetzt, eineinhalb Jahren nach der Maskenaktion, in die Öffentlichkeit getragen – genau passend zur Debatte um den erhöhten Kassenabschlag, den die Apotheken zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beitragen sollen. Welch gelungene Dramaturgie! Der GKV-Spitzenverband lässt grüßen und reibt sich die Hände.
Bleiben wir beim Geld. Ja, es gibt sie, die von Lauterbach gesuchten Effizienzreserven. Aber die haben die Apotheken schon längst gehoben, lässt Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, wissen. Er macht es an der Entwicklung des Wertschöpfungsanteils der Apotheken fest, dessen Anteil an den GKV-Ausgaben zwischen 2005 und 2021 von 2,8 auf 1,9 Prozent gesunken ist. Christiansen folgert: Wenn die Apotheken nicht von der Entwicklung in der GKV abgekoppelt wären, hätte das Apothekensystem demnach jährlich 2,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Oder anders ausgedrückt: Die Apotheken hätten in den letzten 16 Jahren einen zweistelligen Milliardenbetrag an Effizienzreserven gehoben. Mein liebes Tagebuch, so sieht’s aus.
Geld spielte auch eine Rolle beim Apothekerforum des Apothekerverbands Brandenburg (AVB). Die drei Euro, die im Schnitt eine Apotheke pro Tag an die ABDA abdrückt für die Arbeit, die die Standesvertretung leiste, seien nicht zu viel, so AVB-Chef Olaf Behrendt, so seine lobenden Worte für die Arbeit der ABDA-Hauptamtlichen. Ein „Kern-Problem“ sehe er dagegen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Er drückte sein Unverständnis darüber aus, dass z. B. die erfolgreiche „Unverzichtbar“-Kampagne dem Slogan „Einfach für dich da“ weichen musste. Deutlich sprach Behrendt allerdings auch die große Gesundheitspolitik an: Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Apothekern beim Deutschen Apothekertag zwar danke, sie aber zugleich mit dem „Sonderopfer“ des erhöhten Kassenabschlags belege, zeige er „eindeutig, dass ihm die Apotheken egal sind“. Während der Koalitionsvertrag die Vor-Ort-Apotheken stärken wolle, liefen die geplanten Maßnahmen des Ministers dem völlig entgegen. Mein liebes Tagebuch, Undank ist der Welten Lohn.
9 Kommentare
pharmazeutische Dienstleistungen
von Stella Lenze am 04.10.2022 um 11:00 Uhr
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Naivität
von Dr. House am 04.10.2022 um 10:31 Uhr
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Welche Konsequenz bei Deckelung der Pauschale?
von Andreas Grünebaum am 02.10.2022 um 17:21 Uhr
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Die Achse des Bösen
von Ludwig Gruber am 02.10.2022 um 10:52 Uhr
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von Anita Peter am 02.10.2022 um 9:40 Uhr
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Problemlöser
von Ulrich Ströh am 02.10.2022 um 8:58 Uhr
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von Bernd Haase am 02.10.2022 um 8:21 Uhr
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von Andreas Grünebaum am 02.10.2022 um 19:08 Uhr
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