Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

25.12.2022, 07:30 Uhr

Herrlich, all die putzigen Ideen zur Beseitigung der Lieferengpässe... Ich wusste gar nicht, dass wir so viele Hobby-Apothekers haben! (Foto:  Alex Schelbert)

Herrlich, all die putzigen Ideen zur Beseitigung der Lieferengpässe... Ich wusste gar nicht, dass wir so viele Hobby-Apothekers haben! (Foto:  Alex Schelbert)


Der beste Knaller, wie man Lieferengpässe managt, kommt vom Ärzte-Chef Klaus Reinhardt, der einen Arzneimittel-Flohmarkt eröffnen will. Auch nicht schlecht die Grünen, die den Apotheken für einen befristeten Zeitraum erlauben wollen, Fiebersäfte auch ohne Arztrezept als Rezeptur herzustellen. Echt nett! Dann die SPD-Sprecherin Heike Baehrens, vermutlich nach ein, zwei Gläsern Glühwein: Sie glaubt, wenn Apotheken und Großhandlungen weniger hamstern würden, dann gäbe es keine Lieferengpässe. Und Karl, der Große, reüssiert gerade als Rapper 50 Cent: Er will uns mit 50 Cent für die Lieferengpass-Maloche abspeisen. Wer wirklich wissen will, wie es der Apotheken-Basis geht, liest den Brief von Gunther Böttrich an die ABDA, schaut sich die Studie von Reinhard Herzog an (Motto: Bürokratie als Apotheken-Killer) und führt sich den Kommentar von Franz Stadler zu Gemüte, Motto: Der Arzneimittelmarkt – ein marktwirtschaftliches Monopoly. 

19. Dezember 2022

Der Knallfrosch der Woche: Klaus Reinhardt, Chef der Bundesärztekammer, schlägt vor, mit Flohmärkten für Medikamente in der Nachbarschaft gegen die Lieferengpässe vorzugehen. Er rief die Bevölkerung dazu auf, einander liebevoll mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen. „Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben“ ist sein Barmherziger-Samariter-Appell. Jawoll! Aus seiner Sicht könnten dabei sogar Arzneimittel infrage kommen, deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei. Macht nix, wenn’s nicht wirkt, ist mit ärztlichem Segen. Mein liebes Tagebuch, wenn das die ärztliche Denke ist – dann gute Nacht. Und die ist dann garantiert nicht heilig und still. Unglaublich, unfassbar., was ein Mediziner da von sich gibt. Die ABDA ist über Reinhardts Arzneimittel-Flohmarkt-Vorschlag bestürzt. ABDA-Präsidentin Overwiening sagt zurecht: „So treibt man Menschen in gefährliche Arzneimitteleinnahmen, löst aber keine Lieferengpässe“. Auch der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert, zeigt sich schockiert: „Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel.“ Und natürlich steht dem Reinhardt-Vorschlag auch die Gesetzeslage entgegen. Benkert wird noch deutlicher: Die aktuelle Situation eigne sich nicht für Populismus und es wäre wünschenswert, „wenn sich auch Repräsentanten der Ärzteschaft verantwortungsvoll an Lösungsansätzen beteiligen würden“. So ist es. Mein liebes Tagebuch, Reinhardt scheint dies wenig zu kümmern, selbst auf Nachfrage nimmt der Sprecher der Bundesärztekammer Reinhardts Äußerungen nur ein klein wenig zurück: Es sei natürlich kein „Flohmarkt“ im eigentlichen Sinn gemeint, es gehe darum, dass „sich Menschen im Familien- und Freundeskreis mit nicht verschreibungspflichtigen, originalverpackten Arzneimitteln aushelfen sollten. So, so, ein bisschen aushelfen darf doch wohl noch sein, meint der Oberdoktor. Mein liebes Tagebuch, mit dieser Erklärung wird nichts besser, wenn die Bundesärztekammer meint, jeder Mensch ist ein kleines Apothekerlein, das den Umgang mit OTC-Arzneimitteln beherrscht. Reinhardts Flohmarkt-Appell hat in vielen Apothekerkammern und -verbänden für Empörung, Unverständnis und Kopfschütteln gesorgt. Unverständnis auch von der Apotheken-Basis – einen Kommentar dazu finden Sie hier.

 

Einen Böller mit viel heißer Luft haben die Grünen gezündet: einen Vier-Punkte-Krisenplan, wie sie die Versorgung kranker Kinder in diesen schwierigen Zeiten sicherstellen wollen. Und in ihrem  Ideenpaket fällt ihnen, ach wie nett und kreativ,  eine„Kernaufgabe der Apotheken“ ein, nämlich die Zubereitung von Arzneimitteln. Die Apothekers sollten „für einen befristeten Zeitraum – und auf Medikamente zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen begrenzt eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin ein Medikament wie beispielsweise einen Fiebersaft herstellen können“. Ups, was soll das denn? Warum befristet, auf bestimmte Arzneimittel beschränkt und ohne Rezept? Mein liebes Tagebuch, Rezeptur und Defektur können wir Apothekers auch ohne grünes Bürokratie-Geschwurbel. Das Problem liegt woanders: Ob wir vor lauter Kaputtsparen durch die Politik überhaupt noch können! Es fehlt an Personal, um Rezeptur und Defektur im größeren Maßstab durchzuführen. Und Rezepturen sind Manufakturen und, ja, die kosten ein paar Euro mehr. Wer zahlt? Mein liebes Tagebuch, es ist wie immer: Es muss erst was passieren, damit man sich an die guten alten Strukturen erinnert.

 

Kommen die pharmazeutischen Dienstleistungen in Schwung? Nun ja, kommt drauf an, was man so unter Schwung versteht: Der zuständige Nacht- und Notdienstfonds konnte an rund 2450 Apotheken ein Honorar von insgesamt knapp 600.000 Euro für erbrachte Dienstleistungen im dritten Quartal auszahlen. Die häufigste Dienstleistung war übrigens die „erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“, gefolgt von (ja, das ist nicht schwer zu erraten) der standardisierten Risikoerfassung hoher Blutdruck“. Mein liebes Tagebuch, sagen wir mal so: Ein Anfang ist gemacht, es dürft’ noch ein bisserl mehr werden. Aber ja, wie soll das gehen angesichts des Personalmangels? Zum Ansporn: Es liegen noch knapp 115 Millionen Euro im Topf, die ausgezahlt werden wollen.

 

20. Dezember 2022

Karl macht ernst. Unser Bundesgesundheitsminister hat uns zwar ein Gesetz vor Weihnachten versprochen, um Schluss mit den Lieferengpässen zu machen. Gereicht hat’s dann nur zu einem Eckpunkte-Papier, das vollmundig überschrieben ist mit: Lieferengpässe vermeiden, die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern und den Produktionsstandort EU stärken. Ach, mein Gott, wär’ das schön, wenn alles durch ein neues Gesetz in Erfüllung ginge. Erwarten wir mal nicht zu viel. Immerhin, das Bundesgesundheitsministerium listet erstmal die Ursachen für die Engpässe auf: Globalisierung, starker Kostendruck bei der Generika-Industrie (woher kommt der wohl?), Konzentration auf wenige Herstellungsstätten, vor allem in Drittstaaten (China und Indien), das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen und strategischen Abhängigkeiten, unerwartet steigende Nachfrage (wirklich unerwartet?) und Produktions- und Lieferverzögerungen für Vorprodukte. Mein liebes Tagebuch, eine wirklich bunte Melange. Wie Karl das in den Griff kriegen will!? Zum Beispiel dadurch, dass eine Liste von Arzneimitteln erstellt wird, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich ist. Für diese Arzneimittel solle es künftig keine Rabattverträge mehr geben, keine Eingruppierung in Festbetragsgruppen. Und die GKV soll mehr zahlen. Und Apotheken sollen mehr austauschen dürfen ohne Rücksprache mit den Ärzten. Mein liebes Tagebuch, hat da einer erkannt, dass die gesamten Sparmaßnahmen, an denen er vor Jahren selbst zum Teil mit beteiligt war, ein Schuss nach hinten waren? Was auch kommen soll: Bei den Ausschreibungen für Rabattverträge soll der Standort der Hersteller berücksichtigt werden mit dem Kriterium „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“, vorerst allerdings nur bei Onkologika und Antibiotika. Außerdem ist für rabattierte Arzneimittel vertraglich eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen. Und noch einiges mehr. Mein liebes Tagebuch, ob das alles so funktioniert, wie sich Lauterbach das so vorstellt, wird man sehen. Jetzt muss aus diesen Eckpunkten erstmal ein Gesetz formuliert und diskutiert werden. Und dann muss das alles noch finanziert werden. Ganz so rasch wird das nicht gehen.

 

Mit dem Management des Mangels werden die Apotheken noch lange Zeit zu tun haben, selbst mit einem neuen Gesetz. Das ist auch dem Bundesgesundheitsminister klar. Lauterbach will daher den Apotheken mit einer Aufwandspauschale fürs Lieferengpass-Management entgegenkommen mit – jetzt halt dich fest, mein liebes Tagebuch – großzügigen 50 Cent, falls sie bei einem als versorgungskritisch eingestuften Arzneimittel Rücksprache mit der Praxis halten müssen. Irre, oder? Wahnsinn! Die Apothekers verdienen sich noch dumm und dämlich. So ein Vorschlag ruft umgehend die ABDA-Präsidentin Overwiening ans Mikrofon. Sie meint, die 50 Cent sind „eine Frechheit“ und wirft dem Minister vor, die Apotheken mit „Spott und Hohn“ zu überziehen. Außerdem wird dadurch die Bürokratie noch erhöht. Mein liebes Tagebuch, endlich wird Tacheles geredet. Und was sie auch sagt: „Wenn in den nächsten Tagen alle Apotheken das Lieferengpass-Management einstellen und keine Mühe mehr auf die Suche nach Ersatzpräparaten verwenden würden, müssten Politik und Kassen zusehen, wie die Arzneimittelversorgung in Deutschland zusammenbricht.“ So ist es.

 

Dass das Eckpunktepapier für ein Gesetz zur Vermeidung von Lieferengpässen bei den Krankenkassen keine Jubelschreie auslöst, damit musste Lauterbach rechnen. Der GKV-Spitzenverband spricht bereits von einem „Weihnachtsgeschenk für die Pharmaindustrie“. Nun ja, war zu erwarten, denn mit dem Gesetz kommen Mehrausgaben auf die Krankenkassen zu: Mehrkosten, wenn Apotheken auf teurere Arzneimitteln ausweichen müssen und dürfen, Mehrkosten, wenn Festbeträge und Rabattverträge für wichtige Kinderarzneimittel abgeschafft werden. Und für Apotheken soll es dazu noch gigantische 50 Cent extra geben, wenn sie wegen eines Arzneimittelaustausches mit dem Arzt Rücksprache halten müssen. Der GKV-Spitzenverband hat da natürlich eine andere Sichtweise: Die Pharmaindustrie habe sich doch vertraglich verpflichtet, Arzneimittel zu den ausgehandelten Konditionen [vulgo zu Spottpreisen] zu liefern – und diese Lieferverträge nicht eingehalten, sagt sinngemäß Doris Pfeiffer, die Chefin des GKV-Spitzenverbands. Und jetzt haben wir den Salat und den Stress fürs Gesundheitssystem. Pfeiffer schlägt dagegen vor, alle Beteiligten, nämlich Politik, Apothekerschaft, Pharmaindustrie und Krankenkassen, bei einem „Medikamentengipfel“ an einen Tisch zu bringen. Mein liebes Tagebuch, kann man versuchen. Viel Spaß auch.


Derzeit melden sich so einige, die glauben zu wissen, wie man Lieferengpässe in den Griff bekommt. Nach dem Ärzte-Chef Reinhardt mit seinem Arzneimittel-Flohmarkt und dem Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der sich den Apotheken als Rapper 50 Cent verkaufen will, hat sich auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, heiße Glühwein-Gedanken zu den Lieferengpässen gemacht und fordert Apotheker und Pharmagroßhändler auf, keine „Hamsterkäufe“ zu tätigen. Hoppla, mein liebes Tagebuch, was hat da wohl die SPD-Sprecherin geritten? DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Müller-Bohn erklärt in seinem Kommentar, warum Baehrens mit diesem Appell sowas von daneben liegt. Für ein Buch „Apotheken-Lagerhaltung für Dummies“ könnte man es so zusammenfassen: „Lagerhaltung in Apotheken und beim Pharmagroßhandel hat nichts mit „Hamstern“ zu tun. Und dies als „Hamstern“ zu bezeichnen, verkennt den Sinn des Versorgungsauftrags.“ Mehr dazu findet man hier. Ja, mein liebes Tagebuch, die Baehrens-Tipps für die Apothekenlagerhaltung lassen sich eher als ein billiger Versuch interpretieren, von der Fehlentwicklung des politisch gewollten Preisbildungssystems abzulenken.   

 

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) legt da bessere Ideen auf den Tisch, wie man kurzfristig die Versorgung mit Kinderarzneimitteln aufrechterhalten kann. Sein Zauberwort heißt: Defekturen. Er schlägt vor, die strengen Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung und des Arzneimittelgesetzes für die Herstellung von Defekturarzneimitteln zu senken. Konkret: Die Apotheken sollen selbst Fiebersäfte auf Vorrat ohne Nachweis häufiger ärztlicher Verschreibungen herstellen können. Fein, mein liebes Tagebuch, im Prinzip nicht übel, aber erstmal können vor lachen. Viele Apotheken, die können, machen das schon, und viele andere würden gerne, können aber nicht, weil das Personal fehlt. Aber prinzipiell gehören Holetscheks Ideen noch zu den besseren. Ihm ist auch klar: „Leider ist das, was wir jetzt erleben, ein Versorgungsmangel mit Ansage. Zu viel Bürokratie, zu komplizierte Vergabeverfahren und ein zu großer Preisdruck machen die Arzneimittelproduktion in Deutschland seit Jahren immer unattraktiver…“

 

21. Dezember 2022

Wer wirklich wissen will, wie es zu Lieferengpässen kommt und was man dagegen effektiv tun könnte, sollte sich mal den Gastkommentar von Apotheker Dr. Franz Stadler zu Gemüte führen. Er redet Klartext und bringt es so auf den Punkt: Der Arzneimittelmarkt unterliegt seit Jahren einem marktwirtschaftlichen Monopoly, dessen Folgen wir nun ausbaden müssen.

 

Mein liebes Tagebuch, wo wir gerade dabei sind, uns mit Missständen im Gesundheits- und Apothekenwesen zu beschäftigen: Ein Dauerbrenner bei der Frage nach Missständen ist die seit Jahren überbordende Bürokratie, der sich die Apotheken ausgesetzt sehen. Ann-Katrin Gräfe-Bub und Arndt Lauterbach, Vorstände des Verbands innovativer Apotheken (via), bringen es so auf den Punkt:„Die überbordende Bürokratie killt die Apotheken.“ Sie wollen diesen Missstand nun endlich den Abgeordneten in Berlin nahebringen. Um gut gerüstet zu sein, haben sie eine Studie in Zusammenarbeit mit Professor Reinhard Herzog, Tübingen, durchgeführt. Mithilfe der Ergebnisse ihrer jetzt veröffentlichten Bürokratie-Studie wollen sie die Politik auf die untragbaren Zustände in den Betrieben aufmerksam machen. Mein liebes Tagebuch, endlich, möchte man ausrufen, ein Anfang ist gemacht. Jetzt muss das Thema nur noch auf den Tisch und in die Köpfe der Politiker. Wer sich für die Ergebnisse der Studie interessiert, findet das Wichtigste in den Beiträgen von Herzog hier und hier. Übrigens, Tipp für Herrn Lauterbach: Hier findet er die „Effizienzreserven“, die er solange suchte.

 

22. Dezember 2022

Weihnachtszeit ist Wünschezeit. DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hat einen Wunschzettel an die ABDA zusammengestellt. Was da drauf steht? Er wünscht sich neue Daten für die Politik. Wie er darauf kommt? Die ABDA hat kürzlich angekündigt, ihr Datenpanel zu einem Daten-Hub auszubauen und mehr Daten von den Apotheken zu sammeln. Der Bedarf an neuen Daten ist derzeit besonders groß, weil die Politik für das Jahr 2023 ein Strukturgesetz plant. Darum sieht Müller-Bohn gute Chancen für diese Datenwünsche. Mein liebes Tagebuch, wer wissen will, welche Daten nach Meinung von Müller-Bohn die ABDA erheben sollte – sie finden seine Datenwünsche hier. Sie könnten z. B. der Politik vermitteln, wie viele Apotheken keine langfristige Perspektive haben.

 

Wie groß der Frust an der Apotheken-Basis ist, lässt ein Offener Brief an die ABDA erahnen, verfasst von Apotheker Gunther Böttrich, Volkmarsen, und unterzeichnet von vielen Apothekerinnen und Apothekern. Überschrieben ist der Brief mit „Ich schäme mich, Apotheker zu sein oder ‚Die Deppen der Nation?‘“ Mein liebes Tagebuch, das lässt aufhorchen. Er wirft dem Berufsstand vor, nicht angemessen um seinen Fortbestand zu kämpfen, und die politischen Weichenstellungen für Apotheken zollten unserem Berufsstand weder Respekt noch Anerkennung. Böttrich beschreibt die Baustellen, Missstände und vieles, was seit langem und bis heute schief läuft. Es ist ein Psychogramm, wie man sich heute als Apothekerin, als Apotheker fühlen kann, nein, fühlen muss angesichts einer Politik, die diesen Beruf wohl nicht wirklich wertschätzt, und einer Standespolitik, die sich nicht wirklich dagegen wehren kann. Der Brief verdient das Prädikat lesenswert.

 

23. Dezember 2022

Unser Land ist abhängig, aber so was von. Abhängig von Produktionsstätten für Arzneistoffe in Fernost, in Asien. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft blühen könnte, ist der chinesische Exportstopp von Paracetamol und Ibuprofen: China first! Das Land kämpft nach dem Ende seiner Null-Covid-Politik mit hohen Infektionszahlen und benötigt Paracetamol und Ibu in großen Mengen selbst. Mein liebes Tagebuch, vielleicht öffnet diese Lage den Gesundheitspolitikern und den Krankenkassen die Augen, in welchen Abhängigkeiten und Schwierigkeiten sich unsere Arzneimittelversorgung aufgrund der restriktiven Sparpolitik befindet. Allerdings haben wir hier noch ein bisschen Glück: Laut des Herstellerverbands Pro Generika sollen die Mengen an Paracetamol und Ibu für den deutschen Markt hauptsächlich aus anderen Regionen kommen, wie Indien und den USA. Dennoch, wer weiß, wie sich die Lage auf dem chinesischen Markt verschärft? Vermutlich wird China noch über Monate hinweg einen erhöhten Bedarf an Arzneimitteln haben, was die Lage auch in Deutschland nicht wirklich verbessert.

 

Ein Zeichen guten Willens: Die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk und HEK) lassen den Apotheken aufgrund der angespannten Situation bei Fiebersäften freie Hand. Sind Arzneimittel für Kinder verordnet, aber derzeit nicht lieferbar, dürfen Apotheken abgeben, was möglich ist, also was bestellt, importiert oder selbst hergestellt werden kann. Auch Mehrkosten für Rezepturen werden übernommen. Mein liebes Tagebuch, das ist doch mal eine praktikable Lösung. Noch größere Erleichterungen gelten für Apotheken in Bayern: Auf Initiative der Landesregierung haben dort Pharmaindustrie, Ärzte- und Apothekerschaft gemeinsam eine Taskforce Arzneimittelversorgung gegründet und beschlossen, dass für Kinder-Arzneimittel, die auf der Liste versorgungskritischer Arzneimittel des BfArM stehen, sowie für paracetamol- und ibuprofenhaltige Fiebersäfte die Mehrkosten für Rezepturen bis 25. Januar 2023 übernommen werden, sofern es sich um Wirkstoffverordnungen handelt. Die Ersatzkassen haben sich dieser bayerischen Regelung ebenfalls angeschlossen, gehen aber noch einen Schritt weiter: Sie zahlen auch, wenn keine Wirkstoffe, sondern Fertigarzneimittel verordnet sind, sie verzichten auch auf umständliche Import-Genehmigungen und ihre Erleichterungen gelten bundesweit. Mein liebes Tagebuch, da sieht man mal, was möglich ist, wenn im Notfall auf umständliche und hinderliche Bürokratie verzichtet wird. Da stellt sich die Frage, warum ist das nur in Bayern möglich und warum ist die AOK nicht dabei?

 

24. Dezember 2022

So, das war’s dann für dieses Jahr, mein liebes Tagebuch. Wer hätte gedacht, dass es für deine letzten Seiten dieses Jahres doch noch so viele Nachrichten gibt. Das zeigt uns, wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit, in einer Krisenzeit. In einer Zeit, in der sich nicht viel zum Guten zu wenden scheint. Aber: keine Schwarzmalerei am Jahresende! Krisen sind Chancen. Wir schauen nach vorne und freuen uns auf ein hoffentlich gutes neues Jahr für uns alle. Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde des lieben Tagebuchs, ich wünsche Ihnen noch erholsame und ruhige Weihnachtstage, und wenn sie mögen, besinnliche Raunächte. Kommen Sie gesund ins neue Jahr. Bis dahin, Ihr Peter Ditzel und das liebe Tagebuch.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Frau O

von Conny am 26.12.2022 um 8:59 Uhr

Mag der Brief von Herrn Böttrich noch so richtig und aufwühlend sein, Frau O. hat noch ein viel wichtigeres Thema gefunden: das Gendern! In dieser Zeit . Rücktritt sofort !

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Frau O

von Dr. Radman am 26.12.2022 um 11:45 Uhr

http://to.welt.de/YmYfEON
Habe es gerade gelesen. Unfassbar!

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