Salvia officinalis

Echter Salbei – Arzneipflanze des Jahres 2023

Konstanz - 10.01.2023, 09:15 Uhr

Wie der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ berichtet, hemmen die Salbei-Gerbstoffe Viren mit empfindlicher Eiweißoberfläche, darunter auch SARS-CoV-2. (Foto: Nadya So / AdobeStock)

Wie der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ berichtet, hemmen die Salbei-Gerbstoffe Viren mit empfindlicher Eiweißoberfläche, darunter auch SARS-CoV-2. (Foto: Nadya So / AdobeStock)


Salbei ist als Arzneipflanze gut bekannt. 2023 wurde er nun zur Arzneipflanze des Jahres gewählt. Welches Potenzial im Salbei stecken könnte, lesen sie hier.

Der Salbei wurde vom „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ zur Arzneipflanze des Jahres 2023 gekürt. Eine lange therapeutische Tradition, die mannigfaltige Nutzung in der Gegenwart und vielversprechende neue Erkenntnisse – diese Konstellation brachte Salvia officinalis die besondere Ehre ein. 

Salvia officinalis und seine Namensbedeutung

Seit Jahrhunderten stehen Salbeiblätter als pflanzliches Arzneimittel hoch im Kurs. Die besondere Wertschätzung kommt bereits im botanischen Namen der Salbeipflanze zum Ausdruck: Salvia leitet sich vom lateinischen Wort „salvus“ für „wohl-„ und „gesund“ ab. So galt der Salbei einst als unabdingbar für die Gesundheit. Im frühen Mittelalter kam der Lippenblütler (Lamiaceae) aus dem Mittelmeerraum zu uns. Er fand seinen Platz in den Klostergärten.

Jedes Jahr eine Neue

Der Echte Salbei löst den Mönchspfeffer als Arzneipflanze des Jahres 2022 ab. Seit 1999 nimmt das interdisziplinäre Expertengremium „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ eine neue Wahl vor. Damit wird jeweils eine Arzneipflanze geehrt, die in der europäischen Medizin zum einen historisch bedeutsam ist und zum anderen die moderne Phytotherapie bereichert.

Die „Arzneipflanze des Jahres“ ist nicht zu verwechseln mit der „Heilpflanze des Jahres“. Diesen vom Naturheilverein Theophrastus vergebenen Titel trägt in 2023 die Weinrebe.

Einen besonderen Stellenwert genoss die Pflanze schon wegen ihrer starken Erneuerungskraft. So wachsen dem bis zu 80 Zentimeter hohen Halbstrauch von unten immer neue Triebe nach. Außerdem trägt er meist auch im Winter noch grüne Blätter. Mit diesen Eigenschaften verkörperte der Lippenblütler ewige Jugend. Im Spätmittelalter galt der Salbei sogar als Allheilmittel.

In den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts schrieb man dem Salbei menstruationsfördernde Eigenschaften zu sowie Wirkung bei Husten und äußerlich bei Wunden und Juckreiz. Diese Anwendungen waren bis ins 20. Jahrhundert üblich.

Dyspeptische Beschwerden und übermäßiges Schwitzen

Heute sind Salbeiblätter (Salviae officinalis folium) indiziert bei leichten dyspeptischen Beschwerden wie Sodbrennen und Blähungen, außerdem bei übermäßigem Schwitzen. Äußerliche Anwendungsgebiete sind Entzündungen im Mund-/Rachenraum sowie leichte Hautentzündungen. Nach der Bewertung des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA haben Salbeiblätter – wie die meisten Arzneidrogen – den Status eines traditionellen Arzneimittels („traditional use“).

Die Volksmedizin verwendet den Salbei auch bei Husten, zum Erleichtern des Abstillens sowie gegen schlechten Atem. Als es noch keine Zahnbürsten gab, diente Salbei der täglichen Mundhygiene: Man wickelte ein Salbeiblatt um den Finger und massierte damit Zähne und Zahnfleisch. 

Die Verwandten des echten Salbei

Der Dreilappige Salbei (= Griechischer Salbei, Salvia triloba = Salvia fruticosa) enthält geringere Thujon-Konzentrationen als der echte Salbei. Aufgrund seines hohen Cineol-Gehalts riecht er nicht salbeitypisch, sondern ähnlich wie Eucalyptusöl. Diese Salbeiart wird ebenfalls offizinell eingesetzt, gilt aber phytotherapeutisch nicht als gleichwertig wie der Echte Salbei. 

Auch der üppig blühende Muskatellersalbei (Salvia sclarea) – eine beliebte Gartenpflanze – gilt als weniger wirksam als Salvia officinalis. Die Volksmedizin nutzt ihn allerdings für dieselben Indikationen und zusätzlich bei Harnwegs- und Menstruationsproblemen. 

Als Halluzinogen werden hingegen die Blätter des aus Mexiko stammenden Zauber- oder Aztekensalbeis (Salvia divinorum) verwendet. Die Rauschdroge unterliegt bei uns dem Betäubungsmittelgesetz. 

Noch eine weitere mexikanische Salbeiart macht jenseits ihrer Heimat seit Jahren Karriere – legal im Nahrungsmittelbereich: Salvia hispanica, deren Samen als Chia-Samen bekannt sind.

Salbeiblätterauszüge stecken in einigen Fertigarzneimitteln aus der Gruppe der Mund- und Rachentherapeutika. Salbeiblätterextrakte kommen auch in Mitteln gegen übermäßige Schweißproduktion zum Einsatz. Auch Salbei-Heilpflanzensaft ist als Fertigpräparat verfügbar. 

Große Bedeutung haben Salbeiblätter nach wie vor für die Teezubereitung. In dieser Darreichungsform sind sie in allen Indikationen einsetzbar (innere Anwendung: 1 bis 2 g /150 ml kochendes Wasser, zum Gurgeln und Spülen: 2,5 g/100 ml).

Thujon: Problematischer Inhaltsstoff?

Von einer Dauereinnahme alkoholischer Salbei-Extraktpräparate sowie deren Anwendung in der Schwangerschaft wird abgeraten. Denn das im ätherischen Öl enthaltene Thujon gilt in hoher Dosierung als neurotoxisch. 

Wässrige Zubereitungen wie Tee weisen jedoch nur geringe Mengen dieser lipophilen Substanz auf. Laut europäischem Phytotherapie-Gremium HMPC sollte die tägliche Thujon-Aufnahmemenge unter 6 mg liegen.

Krampflösend, schweißhemmend, antimikrobiell

Als wirksamkeitsrelevant gelten mehrere Inhaltsstoffgruppen von Salviae folium: neben reichlich ätherischem Öl (bis zu 2,5 Prozent), das vor allem aus Thujon, Campher und Cineol besteht, auch Diterpen-Bitterstoffe wie Carnosol und Rosmanol, außerdem Gerbstoffe, vor allem Rosmarinsäure, sowie verschiedene Flavonoide und das Triterpen Ursolsäure.

Das Wirkstoffgemisch regt die Sekretion von Verdauungssäften an und entfaltet krampflösende Effekte. Dazu kommen entzündungshemmende, adstringierende sowie schweißhemmende Wirkungen. Überdies wirkt Salbei antibakteriell und antiviral. Wie der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ berichtet, hemmen die Salbei-Gerbstoffe Viren mit empfindlicher Eiweißoberfläche, darunter auch SARS-CoV-2.

Künftiges Alzheimer-Mittel?

Der Studienkreis hebt zudem hervor, dass neuerdings eine Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase durch verschiedene Salbei-Arten gezeigt worden sei. Das könne für die Behandlung der Alzheimer-Demenz interessant werden. 

Der Studienkreis sieht noch mehr Zukunftspotential für die Anwendung von Salbeiblättern. So gebe es einige Studien, die eine stoffwechselfördernde Wirkung bei Patienten mit zu hohen Cholesterinwerten zeigten. Auch habe eine antiinfektiöse Wirkung von Salbei bei lokaler Behandlung von vaginalem Pilzbefall gezeigt werden können. 

Die Experten bedauern allerdings, dass die entsprechende Forschung mangels öffentlicher Förderung in Europa kaum durchführbar sei. Für Studien in Staaten wie Iran und China würden teilweise andere Salbei-Arten verwendet.

Salbei: aromatisch und dekorativ

Salvia officinalis ist ein typisch mediterranes Gewächs. Doch als Kulturpflanze gedeiht der Lippenblütler auch in unseren Regionen. An einem sonnigen, warmen Standort mit möglichst durchlässigem Boden kann er richtig üppig werden. In den bodennahen Teilen verholzt die Pflanze. Von Mai bis Juli bildet der Echte Salbei hübsche ährenartige Blütenstände aus, die sich aus vielen quirlig angeordneten rosa bis violetten Einzelblüten zusammensetzen. Sie bieten Bienen und Hummeln eine begehrte Nektarquelle.

Die pharmazeutisch relevanten Blätter des Salbeis sind gestielt, länglich-oval, spitz zulaufend und werden bis zu zehn Zentimeter lang. Sie haben ein charakteristisches Erscheinungsbild: Aufgrund ihrer tief eingesenkten, netzartigen Nervatur sehen sie etwas runzelig aus. Vor allem unterseits sind sie filzig behaart und erscheinen grau-grün.

Schon beim Abpflücken vom Strauch entströmt den ätherisch-öl-reichen Blättern ein intensiver Duft. Die würzig-aromatischen Blätter sind auch als Küchenkraut geschätzt, zum Beispiel in Form von Salbeibutter zu Pasta oder Fleisch.


Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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