DiGA-Update 2022/2023 – Teil 2

Die Neuen im DiGA-Verzeichnis – bei Multipler Sklerose, Essstörungen und Depressionen

Stuttgart - 25.01.2023, 09:15 Uhr

Eine der neuen Anwendungen im DiGa-Verzeichnis ist levidex. Diese Anwendung soll Patienten mit MS unterstützen. (Bild: smartmockups.de / levidex, Montage: PTAheute)

Eine der neuen Anwendungen im DiGa-Verzeichnis ist levidex. Diese Anwendung soll Patienten mit MS unterstützen. (Bild: smartmockups.de / levidex, Montage: PTAheute)


Das DiGA-Verzeichnis ist jüngst um sechs neue Anwendungen erweitert worden. Was können levidex, Kaia, edupression & Co?

Rund um den Jahreswechsel gab es mehrere Veränderungen im Verzeichnis der digitalen Gesundheitsanwendungen – kurz DiGA-Verzeichnis. Insgesamt zwei Anwendungen konnten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von ihrem Nutzen überzeugen und erhielten den Status „dauerhaft erstattungsfähig“. Eine Anwendung gegen Panikstörungen wurde aus dem Verzeichnis gestrichen, da für sie kein positiver Versorgungseffekt festgestellt werden konnte. Es kamen aber auch sechs neue Anwendungen hinzu. Diese haben wir uns für Sie einmal angeschaut. 

levidex: digitale Unterstützung für Patienten mit Multipler Sklerose

Anfang 2023 wurde levidex in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Die Webanwendung richtet sich an volljährige Patienten mit Multipler Sklerose (MS) und ist damit neben elevida die zweite DiGA für diese Indikation – wobei sich elevida auf MS-Patienten mit zusätzlicher Fatigue spezialisiert.

Wie viele Anwendungen im DiGA-Verzeichnis basiert auch levidex auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Zusätzlich fließen Erkenntnisse aus der Psychoneuroimmunologie (Wechselwirkung von Psyche, Nervensystem und Immunsystem) mit ein.

Was ist die kognitive Verhaltenstherapie?

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine etablierte und wissenschaftlich gut untersuchte Form der Psychotherapie. Sie folgt der Annahme, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann, wobei unter Verhalten auch innere Vorgänge wie Gefühle und Gedanken einzuordnen sind.

In einem interaktiven Dialog werden die Nutzenden durch das Programm geführt und dabei mit Hintergrundinformationen, psychologischen Hilfestellungen und Strategien für den Alltag versorgt. Je nach gegebener Antwort setzt die Anwendung unterschiedliche Schwerpunkte, z. B. in Bezug auf Stressbewältigung, Bewegung, Ernährung oder Schlaf.

Das Programm ist zur Selbstanwendung konzipiert und soll die übliche medizinische Versorgung bei MS ergänzen. Dadurch sollen Betroffene darin unterstützt werden, ein aktives und selbstbestimmtes Leben zu führen. Außerdem kann die Anwendung laut Hersteller dabei helfen, die „Immungesundheit zu stärken“. Kontraindikationen bestehen bislang keine.

Laut Anbieter Gaia konnte levidex in einer klinischen Studie in Kombination mit der „üblichen Versorgung“ die Lebensqualität nach sechs Monaten stärker verbessern, als es die „übliche Versorgung“ alleine tut. Dieses Ergebnis scheint das BfArM allerdings noch nicht als Nutzennachweis anzuerkennen, denn die Webanwendung wird bislang lediglich „vorläufig“ (befristet bis Januar 2024) gelistet.

Zwei DiGa für essgestörte Patienten

Auch Patienten mit Essstörungen können künftig vom DiGA-Angebot profitieren: Für sie stehen seit Jahresbeginn je eine Anwendung bei Binge-Eating-Störung und Bulimia Nervosa bereit. Die beiden Online-Kurse aus dem Hause Selfapy basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie und liefern Hintergrundwissen zu Essstörungen im Video, Audio und Textformat.

In zwölf Lektionen sollen die Nutzenden lernen, die Ursachen ihrer Essstörung zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um zu einem gesunden Essverhalten zurückzukehren. Gleichzeitig soll das Selbstwertgefühl gestärkt werden. Die enthaltenen Übungsaufgaben sollen dabei helfen, die theoretischen Strategien in den Alltag zu übertragen.

Beide Online-Kurse sind sowohl zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz als auch als alleinstehende Therapie geeignet. Sie sind u. a. kontraindiziert bei Alkoholabhängigkeit, Schizophrenie, bipolarer affektiver Störung und schweren depressiven Episoden. Bei einem BMI unter 18,5 eignen sich die Kurse ebenfalls nicht.  

Der Nachweis eines positiven Versorgungseffektes wurde für beide Anwendungen noch nicht erbracht, weshalb sie derzeit nur „vorläufig“ (befristet bis Mai 2023) im DiGA-Verzeichnis stehen.

Kaia: Die erste DiGA für COPD Patienten

Patienten mit Atemwegserkrankungen wurden bislang im DiGA-Verzeichnis nicht fündig. Doch Ende Dezember hat sich das geändert: Mit Kaia COPD steht nun eine App für Erwachsene mit chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) zur Verfügung.  

Die Anwendung zielt darauf ab, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern sowie die Lebensqualität zu steigern. Zu diesem Zweck geht das Programm auf Bewegung, Wissensvermittlung, Entspannungs- und Atemtechniken ein. Dabei würden die individuellen Voraussetzungen der Nutzenden berücksichtigt und die Inhalte an die jeweilige körperliche Leistungsfähigkeit angepasst, verspricht der Anbieter Kaia health.

Die Inhalte seien evidenzbasiert und leiteten sich von den Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD ab. Die App kann begleitend zur medikamentösen Therapie eingesetzt werden, eine zusätzliche vertragsärztliche Leistung ist dafür nicht notwendig.  

Die App ist u. a. kontraindiziert bei Lungenembolie, Thrombose, Herzinsuffizienz, akuter Exazerbation der COPD sowie in der Schwangerschaft. Bei einigen weiteren Faktoren ist vor der Anwendung eine ärztliche Abklärung notwendig. Dazu zählen z. B. neurologische Erkrankungen, Herzbeschwerden, Gangunsicherheiten, Alter ≤39 Jahre und Vorerkrankungen des Bewegungsapparats.

Laut Kaia health wurde die Wirksamkeit der App in mehreren klinischen Studien bereits belegt. Das BfArM scheint davon jedoch noch nicht (gänzlich) überzeugt, denn die App wurde lediglich „vorläufig“ (befristet bis Dezember 2023) ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen.  

Elona Therapy Depression – Ergänzung zur ambulanten Psychotherapie

Ebenfalls neu im Verzeichnis ist elona therapy Depression. Wie der Name bereits verrät, richtet sich die App bzw. Webanwendung an Patienten mit (leichten bis schweren) depressiven Episoden. Sie reiht sich damit in eine vergleichsweise lange Liste von DiGA für diese Indikation ein.  

Anders als die bislang gelisteten Anwendungen Novego, deprexis und Selfapys Online-Kurs bei Depression ist elona therapy Depression jedoch nur in Kombination mit einer ambulanten Psychotherapie geeignet. Dabei soll die App die reguläre Gesprächstherapie auf intelligente Weise mit digitalen Interventionen verbinden, so das Versprechen der Elona Health GmbH.

Die App liefere „hilfreiche Aktivitäten, Übungen und psychoedukative Inhalte“, wodurch den Betroffenen auch zwischen den Therapiesitzungen der Zugang zu psychotherapeutischen Ressourcen ermöglicht werden soll. Außerdem sollen die Übungen dabei helfen, die Therapieinhalte in den Alltag zu übertragen.

Die jeweiligen Themen werden dabei auf die Bedürfnisse der Nutzenden angepasst. Dies geschieht sowohl anhand von Fragebögen und Auswertungen innerhalb der App, als auch durch das Freischalten von Inhalten durch den jeweiligen Therapeuten. Dies soll die Patientensicherheit erhöhen und zu einer bestmöglichen Verzahnung von Therapie und Selbsthilfe beitragen.

Die Anwendung ist bei einer Reihe von Begleiterkrankungen kontraindiziert u. a. bei Schizophrenie, psychotischen Störungen, manischen Episoden und bipolarer affektiver Störung. Liegt ein akutes Suizidrisiko vor, ist die App ebenfalls ungeeignet. Zudem wird darauf hingewiesen, dass bei einigen Erkrankungen der „Behandler konsultiert und gegebenenfalls auf die Ausführung bestimmter Übungen verzichtet werden“ sollte. Dazu zählen z. B. kardiovaskuläre und pneumologische Erkrankungen. Die Anwendung wird bislang nur „vorläufig“ (befristet bis Dezember 2023) im DiGA-Verzeichnis gelistet.  

Edupression.com: bei leichten bis mittelschweren Depressionen

Für Betroffene mit Depressionen (leicht bis mittelgradig) hält das DiGA-Verzeichnis seit Ende 2022 noch eine weitere Neuerung bereit: Edupression.com®. Die webbasierte Software setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen: der Psychoedukation und dem Stimmungsdiagramm.

In einem Feed – ähnlich dem bekannter Social-Media-Plattformen – erhalten die Nutzenden multimediales Hintergrundwissen. So können sie zum Beispiel in einer Video-Reihe eine Depressionspatientin auf ihrem Weg zur Genesung begleiten. Außerdem werden den Anwendern Übungen mit Elementen der computerbasierten kognitiven Verhaltenstherapie angeboten. Anhand von selbstgewählten Wochenzielen entscheiden die Nutzenden, welche Informationen und Empfehlungen sie angezeigt bekommen möchten.  

Zu jedem Kapitel stehen PDFs zum Nachlesen bereit. Spielerische Elemente (Gamification) sollen ferner die Motivation aufrechterhalten. Zusätzlich zum Feed wird ein tägliches Stimmungsdiagramm geführt, welches anhand von kurzen Ja-/Nein-Fragen erstellt wird und so den Stimmungsverlauf abbilden soll.

Die Software ist u. a. kontraindiziert bei schizotypen oder wahnhaften Störungen, bipolarer affektiver Störung und schweren depressiven Episoden mit psychotischen Symptomen. Liegen Suizidgedanken vor, ist sie ebenfalls ungeeignet.  

Auch für diese Anwendung konnte der finale Nutzennachweis noch nicht erbracht werden, weshalb Edupression.com® derzeit nur „vorläufig“ (befristet bis August 2023) gelistet wird.  


Nadine Sprecher, Apothekerin, Redakteurin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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