Protonenpumpeninhibitoren

Mehr Aufmerksamkeit für die Niere bei PPI-Einnahme?

Stuttgart - 22.03.2023, 07:00 Uhr

Die Produktinformationen von Lansoprazol (Agopton®) und Dexlansoprazol (Dexilant®) bekommen einen neuen Warnhinweis zur tubulointerstitiellen Nephritis (TIN). (Symbolfoto: amazing studio / AdobeStock)

Die Produktinformationen von Lansoprazol (Agopton®) und Dexlansoprazol (Dexilant®) bekommen einen neuen Warnhinweis zur tubulointerstitiellen Nephritis (TIN). (Symbolfoto: amazing studio / AdobeStock)


Die Langzeiteinnahme von Protonenpumpeninhibitoren steht aufgrund möglicher Nebenwirkungen immer wieder in der Kritik. Der breite Einsatz der Magensäurehemmer führt dazu, dass auch eher seltene Nebenwirkungen in der Praxis durchaus vorkommen können. Doch an Nebenwirkungen, welche die Niere betreffen, denken Apotheker:innen bei PPI-Einnahme wahrscheinlich nicht als Erstes. Manches deutet aber darauf hin, dass ein wenig mehr Aufmerksamkeit für die Niere angebracht sein könnte. 

Die neue S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit hat die Bedeutung von PPI (Protonenpumpeninhibitoren) für die Therapie der GERD (Gastroösophageale Refluxkrankheit) im Vergleich zur bisherigen Leitlinie von 2014 ein wenig herabgestuft. Bei typischen Refluxbeschwerden heißt es beispielsweise nur noch, dass eine PPI-Akuttherapie angesetzt werden „sollte“ und nicht mehr „soll“. Ein Grund dafür dürfte sein, dass vor allem bei PPI in der Langzeiteinnahme immer wieder kritisch über deren Nebenwirkungen berichtet wird. Jüngst ergab eine Studie beispielsweise, dass Typ-2-Diabetiker signifikant häufiger an kardiovaskulären Erkrankungen leiden, wenn sie PPI einnehmen. Während die Studienautoren nun vermuten, dass eine veränderte Darmflora der Grund sein könnte, lag das Augenmerk früher beispielsweise darauf, dass Omeprazol und Esomeprazol über CYP-Enzyme die Clopidogrel-Wirkung hemmen. Panto­prazol, Rabeprazol und Lansoprazol sollen von der Interaktion weniger betroffen sein – mit unklarer klinischer Relevanz.

Mehr zum Thema

S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis (1)

Leitliniengerechte Therapie von GERD – PPI für alle?

Assoziation zwischen PPI-Einnahme und kardiovaskulärem Risiko

Langzeiteinnahme von PPI kann kardiovaskuläres Risiko und Mortalität erhöhen

Lansoprazol (Agopton®) oder auch Dexlansoprazol (Dexilant®) gehen in der Apotheke nicht so oft über den HV-Tisch wie Omeprazol oder Pantoprazol. Doch basierend auf einer Empfehlung des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat die Koordinierungsgruppe (CMDh) für diese beiden Wirkstoffe aktuell beschlossen, dass deren Fach- und Gebrauchsinformationen nun eine neue Nebenwirkung hinzugefügt werden muss: die tubulointerstitielle Nephritis (TIN), mit möglicher Krankheitsprogression zu anderen Nierenerkrankungen. Bereits 2016 berichtete die DAZ über eine Beobachtungsstudie aus den USA, die darauf hindeutete, dass Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei Langzeitanwendung möglicherweise das Risiko für chronische Nierenkrankheiten erhöhen.

Konkret soll bei Lansoprazol (Agopton®) und Dexlansoprazol (Dexilant®) jetzt folgender Hinweis in die Produktinformationen aufgenommen werden:

„Akute tubulointerstitielle Nephritis (TIN) wurde bei Patienten, die [Wirkstoff] einnehmen, beobachtet und kann zu jedem Zeitpunkt während der Behandlung mit [Wirkstoff] auftreten (siehe Abschnitt 4.8). Eine akute tubulointerstitielle Nephritis kann zu Nierenversagen führen. Bei Verdacht auf TIN sollte [Wirkstoff] abgesetzt und umgehend eine geeignete Behandlung eingeleitet werden.“

Protonenpumpenhemmer

Schädigen PPI die Nieren?

Nierenschäden und Elektrolytstörungen werden überproportional häufig gemeldet

Alarmierende Zahlen zu PPI

Protonenpumpeninhibitoren erhöhen eventuell das Risiko chronischer Nierenerkrankungen

Gefährdet Magenschutz die Niere?

In der wissenschaftlichen Begründung für den neuen Warnhinweis heißt es, dass der kausale Zusammenhang noch nicht vollständig geklärt ist, aber „zumindest eine begründete Möglichkeit darstellt“. Grundlage dafür seien „Daten über tubulointerstitielle Nephritis (TIN) aus der Literatur und aus Spontanberichten, einschließlich einiger Fälle mit einem engen zeitlichen Zusammenhang, einer positiven De-Challenge und/oder Re-Challenge“, aber auch ein plausibler Mechanismus. Und: Der Zusammenhang soll auch für andere Protonenpumpenhemmer bestehen.

Nephritis – eine generelle PPI-Nebenwirkung

Beispielsweise in der Fachinformation von Antra Mups® (Omeprazol, Stand Januar 2022) wird die interstitielle Nephritis als seltene Nebenwirkung aufgeführt. In der Fachinformation von Pantozol® 40 mg (Stand April 2022) wird die TIN (tubulointerstitielle Nephritis mit möglichem Fortschreiten bis zum Nierenversagen) mit einer nicht bekannten Häufigkeit als Nebenwirkung angegeben. Bei Nexium® 40 mg (Esomeprazol, Stand Dezember 2021) wird die Nebenwirkung als „sehr selten“ (< 1/10.000) angegeben: „Interstitielle Nephritis; bei einigen Patienten wurde gleichzeitig über Nierenversagen berichtet.“ Bei Pariet® (Rabeprazol, Stand Oktober 2022) wird die Häufigkeit für die TIN mit „selten“ angegeben (> 1/10.000, < 1/1.000), zudem gibt es dort bereits einen entsprechenden Warnhinweis. Tatsächlich findet sich auch in der Fachinformation von Agopton® (Lansoprazol) mit Stand August 2021 die TIN bereits als seltene Nebenwirkung, jedoch kein Warnhinweis. 

Warum und wann kommt es unter PPI zur Nephritis?

Bereits 2007 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft auf die Möglichkeit der akuten interstitiellen Nephritis unter PPI hingewiesen. „Eine akute interstitielle Nephritis ist eine sehr seltene UAW von PPI, die jedoch aufgrund der hohen Verordnungszahlen für die ärztliche Praxis relevant sein kann“, hieß es damals. 

In einem Schweizer Fachartikel von 2017 zur Therapie und Differenzialdiagnose der akuten interstitiellen Nephritis (AIN) heißt es zum Hintergrund der Nierenentzündung, dass die Mehrheit der AIN (ca. 80 Prpzent) medikamentös bedingt sind. Am häufigsten verantwortlich seien Antibiotika, NSAR, Allopurinol und PPI. Und zu den PPI kann man dort hinsichtlich der klinischen Relevanz und Symptome lesen: „Speziell zu erwähnen sind Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die im letzten Jahrzehnt zunehmend mit Fällen von AIN in Verbindung gebracht wurden. Hier kommen systemische Symptome kaum vor und typischerweise sind auch die Urinbefunde nur mild ausgeprägt bzw. können gänzlich fehlen, sodass in dieser Situation eine AIN oft klinisch nicht vermutet wird.“ 

Säureblocker helfen nicht bei unspezifischen Rachensymptomen

Einsatz von PPI überdenken

Protonenpumpeninhibitoren geraten immer mehr in die Kritik

Wenn PPI zu lange eingenommen werden

Lansoprazol schützt vor akuter Infektion

Mit PPI gegen Tuberkulose?

Zudem handelt es sich laut dem Artikel um eine T-Zell-vermittelte Typ-IV-Hypersensitivitätsreaktion, die speziell bei PPI sehr verzögert auftreten könne. Die Latenzzeit betrage bei PPI im Mittel drei Monate und in Einzelfällen bis zu einem Jahr. 

Es erscheint also nicht unangebracht, der Niere bei der Langzeiteinnahme von PPI mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.