Die Geschichte hinter den ABDA-Forderungen

Bürokratieabbau: Steter Tropfen?

Stuttgart - 27.03.2023, 17:50 Uhr

Dank umfassender Dokumentationspflichten kann man in Apotheken viele Ordner füllen. (Foto: IMAGO / Bernd Leitner)

Dank umfassender Dokumentationspflichten kann man in Apotheken viele Ordner füllen. (Foto: IMAGO / Bernd Leitner)


Vor knapp einem Monat hat die ABDA ihren Forderungskatalog an die Politik veröffentlicht. Sie will, kurz gefasst, mehr Geld, weniger Retax-Risiko, mehr Handlungsspielraum und weniger Bürokratie, unter anderem bei der Präqualifizierung. Die Forderung nach Bürokratieabbau zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die Apothekertage. Passiert ist aber bislang nichts. Die Zeit für eine Kehrtwende ist mehr als reif. 

Zehn Punkte umfasst der Forderungskatalog der ABDA an die Politik. Die beiden letzten – Einschränkung des Präqualifizierungsverfahrens und Einzelmaßnahmen zum Bürokratieabbau – sind eng miteinander verknüpft. Sehen doch viele Kolleg:innen die Präqualifizierung als absoluten Gipfel des Bürokratie-Irrsinns in den Apotheken an, weil die meisten für das Präqualifizierungsverfahren zu erbringenden Nachweise Apotheken als hochregulierte Betriebe schon an anderer Stelle vorlegen mussten, zum Beispiel zur Erlangung der Betriebserlaubnis. Aber auch in vielen anderen Bereichen bindet die Bürokratie das ohnehin schon knappe Personal in den Apotheken, weil es sich mit Dokumentationspflichten und Ähnlichem herumschlagen muss, anstatt sich mit pharmazeutischen Themen zu beschäftigen.

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Wie lange das Thema Bürokratie die Apotheken schon belastet, lässt sich schwer sagen. Sicher ist nur, dass das schon eine ganze Weile der Fall ist, wie folgendes Zitat zeigt:


„Die öffentlichen Apotheken werden durch Aufgaben, die sie unentgeltlich für den Staat und die Kostenträger erbringen müssen, hoch belastet. Insbesondere die Regelungen und Verträge in Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln und Hilfsmitteln führen zu einer nachweislich erhöhten Belastung der heilberuflichen Tätigkeit. Das gilt insbesondere für die Umsetzung der Rabattverträge […]. Bei den Apotheken stehen die verursachten Kosten nicht mehr im Verhältnis zu dem damit erreichten Nutzen. Dieser Verwaltungsaufwand muss erheblich eingeschränkt werden, damit sich die Apotheken verstärkt um ihre pharmazeutischen Kernaufgaben kümmern können. Andernfalls muss ein entsprechender finanzieller Ausgleich geschaffen werden.“

Apothekerverband Nordrhein


Es findet sich in der Begründung eines Apothekertagantrags, der gut und gerne aus einem der Antragshefte der vergangenen Jahre stammen könnte – „die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber auf, den hohen Verwaltungsaufwand in den öffentlichen Apotheken zu verringern“. Dieser Antrag, der übrigens in einen Ausschuss verwiesen wurde, stammt aber nicht aus der jüngeren Vergangenheit, sondern aus dem Jahr 2009. Damals waren die Rabattverträge noch frisch, viele Detailregelungen, die es heute gibt, existierten schlicht nicht. 

Vor allem aber es gab keine Präqualifizierung bei der Hilfsmittelabgabe und Securpharm war in weiter Ferne. Trotzdem ächzten die Apotheken bereits damals unter überbordender Bürokratie. Der Apothekenklima-Index 2016, den TNS Infratest im Auftrag der ABDA bundesweit unter 500 Apothekeninhabern erhoben hatte, ergab, dass der bürokratische Aufwand (81 Prozent) der größte Stressfaktor im Apothekenalltag ist und auch der Aufwand bei der Hilfsmittelversorgung (62 Prozent) landete auf den vorderen Plätzen.

Schlimmer statt besser

Die Kammern und Verbände ließen nicht locker. Immer wieder taucht das Thema Bürokratieabbau in den Antragsheften der Apothekertage auf, oft auch im Zusammenhang mit der Präqualifizierung.

Gehör fand die Apothekerschaft nicht – im Gegenteil: Die bürokratischen Belastungen wurden über die Jahre immer mehr. Sei es durch neue Vorgaben wie Securpharm (2019) oder weitere Anforderungen beim Erfüllen der Rabattverträge sowie Auslegungen der Präqualifizierungsregelungen, die immer absurdere Auswüchse anzunehmen scheinen.

DAT in München für sektorenübergreifenden Bürokratieabbau 

Beim vergangenen Apothekertag in München wurde dann der wohl bislang umfassendste Antrag zum Thema Bürokratieabbau beschlossen. Der Leitantrag, der Anträge von sieben Kammern und Verbänden bündelt, fordert den Bürokratieabbau nicht nur in den Apotheken, sondern sektorenübergreifend im ganzen Gesundheitswesen. Als „bürokratische Hürden mit zweifelhaftem Nutzen“ werden exemplarisch die Präqualifizierung, die Hilfsmittelversorgung allgemein, Securpharm und die Abgabevorschriften für Arzneimittel genannt. Gefordert wird unter anderem ein interdisziplinärer Aktionsplan, ein sektorenübergreifender runder Tisch, eine AG Entbürokratisierung und die Erfassung und Bewertung der bürokratischen Belastungen. Ein weiterer Leitantrag, der Anträge von 14 Kammern und Verbänden bündelte, forderte explizit die Abschaffung der Präqualifizierung für Apotheken.

Ob es was nützt, bleibt abzuwarten. Der Leidensdruck ist auf jeden Fall größer denn je. Die Kombination aus Personalknappheit und Lieferengpässen sorgt dafür, dass die Grenze des Erträglichen immer häufiger überschritten wird. Es ist Zeit für einen Kehrwende. Laut einer DAZ-Umfrage stand der Bürokratieabbau auf Platz 1 der apothekerlichen Wunschliste für 2023. Dass die Apotheken mit ihrem Bürokratieproblem nicht alleine sind und auch andere Branchen außerhalb des Gesundheitswesens die Bürokratie als den Produktivitätskiller schlechthin ansehen, ist da kein Trost.

via-Bürokratiestudie: Was kostet die Bürokratie? 

Wie viel Zeit benötigen Apothekenmitarbeitende im Durchschnitt, um ein GKV-Rezept rahmenvertragskonform zu beliefern? Welcher personelle Aufwand geht damit einher? Und was kostet das Ganze?  Diese Fragen beantwortet eine Studie, die  Apotheken- und Pharmaexperte Professor Reinhard Herzog (Tübingen) im Auftrag des Verbands innovativer Apotheken (via) erstellt hat. Das Ergebnis lesen Sie hier. 

Auch hausgemachte Bürokratie

Die Arbeitsgruppe zur Entbürokratisierung ist immerhin schon mal gegründet. Und das Bundesgesundheitsministerium ist sogar gesetzlich aufgefordert, bis Ende September 2023 Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen erarbeiten (§ 220 Abs. 4 SGB V).

Während sie auf die Politik wartet, könnte die Standesvertretung aber auch vor der eigenen Haustür kehren, denn manches ist auch hausgemacht. So wurde zum Beispiel mit den Dokumentationsbögen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen ein Bürokratiemonster Marke Eigenbau erschaffen, das anscheinend tatsächlich Kolleg:innen davon abhält, die einfachen Dienstleistungen zu erbringen.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

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von Robert Penzis am 27.03.2023 um 19:31 Uhr

Die GKV hat gar kein Interesse, die PDL zu bezahlen. Also - wenn man gesetzlich verdonnert wird - hänge ich die Hürden bürokratisch höher. Und schon werden weniger Leistungen abgerechnet.
Eine Inhalations-PDL könnte ich direkt auf Muster 16 mit Sonder-PZN und Unterschrift auf Rückseite (hier wäre das ja sinnvoll) abrechnen, aber dann auch häufiger…
Wir müssen auch wissen, was wir wollen: Eine qualitativ hohe Institution ohne Präquali - oder keine Dokumentation und jede(r) will den Betrieb erst überprüfen?

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