Proteinzufuhr und Nieren-Erkrankungen

Schadet eiweißreiche Kost der Nieren-Gesundheit?

Stuttgart - 19.05.2023, 09:15 Uhr

Proteinreiche Lebensmittel müssen nicht unbedingt tierischer Natur sein, auch Linsen, Erbsen und Soja enthalten hohe Mengen des Makronährstoffs. (Foto: anaumenko / AdobeStock)

Proteinreiche Lebensmittel müssen nicht unbedingt tierischer Natur sein, auch Linsen, Erbsen und Soja enthalten hohe Mengen des Makronährstoffs. (Foto: anaumenko / AdobeStock)


Viele Freizeitsportler sind überzeugt, dass sie eine sehr proteinreiche Ernährung benötigen. Gerade durch den Verzehr von Proteindrinks kann man relativ einfach die empfohlene tägliche Zufuhrmenge überschreiten. Was bedeutet eine eiweißreiche Kost für die Nierengesundheit? Dieser Frage wurde in einem Umbrella-Review der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nachgegangen.

Nieren passen sich möglicherweise einer proteinreichen Ernährung an. Weder Nierensteine noch andere Nierenerkrankungen treten in gesunden Erwachsenen bei einer über der Empfehlung liegenden Eiweißzufuhr häufiger auf, wie ein Review im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nahelegt. 

In die vorliegende Arbeit des Instituts für Ernährungs- und Lebenswissenschaften der Uni Bonn im Auftrag der DGE wurden Reviews mit kontrollierten Studien inkludiert, die Probandinnen und Probanden mit normaler Nierenfunktion einschlossen. 

Das Autorenteam schreibt in der Einleitung des Papers, dass es durchaus Hinweise auf eine renale Schädigung durch hohe Proteinzufuhr gebe – seither wurden aber in internationalen Studien hauptsächlich nierenkranke Patienten und Patientinnen untersucht. In den letzten Jahren änderte sich das: Analysen mit gesunden Erwachsenen wiesen darauf hin, dass eine proteinreiche Kost weniger schädlich für die Nierengesundheit sein könnte als angenommen.

Physiologische Veränderungen ohne Krankheitswert

In dem neuen Umbrella-Review wurden nun Reviews mit Studien berücksichtigt, in denen der Zusammenhang zwischen einer hohen Proteinzufuhr (mehr als 0,8 g pro kg Körpergewicht am Tag) und bestimmten Nierenfunktionsparametern analysiert wurde. Zwischen 19 und 65 Jahren empfiehlt die DGE eine Proteinzufuhr von 0,8 g pro kg Körpergewicht am Tag.

Es wurden sechs systematische Reviews mit Metaanalysen der enthaltenen randomisiert-kontrollierten Studien oder Kohortenstudien eingebunden, sowie drei systematische Reviews ohne Metaanalysen. Die Endpunkte der in den Reviews enthaltenen Studien waren die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung und/oder Nierensteine. Als Nierenfunktionsparameter wurden die Albuminurie, die glomeruläre Filtrationsrate, der Serumharnstoff, der pH-Wert des Harns und die renale Calcium-Ausscheidung gemessen.

Warum Albuminurie ein Nierenfunktionsparameter ist

Das Plasmaprotein Albumin ist ein verhältnismäßig kleines Makromolekül, das im Tubulusapparat der Bowman-Kapsel aus dem Primärharn herausfiltriert wird. Bei eingeschränkter Filtrationsleistung verbleibt Albumin (in größeren Mengen) im (Sekundär-)Harn und gibt daher Auskunft über die Nierenfunktion.

Aus: Blum HE, Müller-Wieland D: Klinische Pathophysiologie. Thieme Verlag, 10.Auflage, Kapitel 31, ISBN 9783132435964

Die Konklusion des Umbrella-Reviews: Es sei möglich, dass das Risiko für Nierensteine nicht mit einer proteinreichen Ernährung assoziiert ist. Ferner sei es möglich, dass die Ausscheidung des häufigsten Proteins im Blut, Albumin, nicht durch eine eiweißreiche Kost verstärkt wird. Komme es durch eine proteinreiche Ernährungsweise zu Erhöhungen anderer Nierenfunktionsparameter, dann sei es „wahrscheinlich“ oder „möglich“, dass es sich um physiologische Veränderungen ohne Krankheitswert handele: Die beobachteten Veränderungen der untersuchten Endpunkte unter eiweißreicher Ernährung legen nahe, dass das renale System sich an die erhöhte Zufuhr anpasse und die Alterationen physiologischen bzw. regulatorischen Charakter haben, wie es in der Arbeit des Bonner Teams heißt. Es gebe keine Evidenz dafür, dass proteinreiche Ernährung Nierensteine oder die chronische Nierenerkrankung auslöse.

Für eine eindeutige Empfehlung sind noch mehr Langzeitdaten aus methodenstarken Studien vonnöten. Eins macht die DGE aber schon einmal auf ihrer Webseite klar: Eine ausreichende Eiweißzufuhr können auch Athleten und Athletinnen über die Ernährung bewerkstelligen. Extra angereicherte Lebensmittel sind dafür nicht unbedingt notwendig.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Eiweißdrinks

von Dorf-Apothekerin am 20.05.2023 um 11:18 Uhr

In einem Beratungsgespräch mit einer Kundin stellte sich heraus, dass ihre Depressionen seit der regelmäßigen Einnahme von Eiweißdrinks begannen.
Wie üblich spielen für die Beurteilung von Erkrankungen nur Laborwerte eine Rolle. Würde man mit dem Patienten auch seine Symptome erörtern, würde er sich ernst genommen fühlen und man könnte eine individuelle Entscheidung treffen. Da Depressivität auch etwas mit einer Überlastung der Nieren zu tun haben kann, möglicherweise noch vor relevanten Änderungen der Laborwerte, sollte diese Kundin Eiweiße entsprechend ihrer Blutgruppe zuführen und nicht einen Multimischmasch aus den Abfällen der Lebensmittelindustrie.

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