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BPhD-Kolumne
„Kann ich mal die Chefin sprechen?“ – Frauen in der Pharmazie müssen sichtbarer werden
Der Frauenanteil in der Apotheker*innenschaft liegt bei rund 70 Prozent. Wer einen Blick auf die Führungsebenen in (Krankenhaus-)Apotheken oder die Vorstände der Standespolitik wirft, sieht jedoch überwiegend Männer. Das muss sich ändern, findet Miriam Sprafke, Präsidentin des BPhD.
Wenn ich mich an mein Studium zurückerinnere, sehe ich Hörsäle vor mir, in denen vorrangig Pharmaziestudentinnen sitzen. Das ist nicht nur an meinem Studienstandort so, sondern im Allgemeinen gültig – denn knapp zwei Drittel der Pharmaziestudierenden in Deutschland sind Frauen. Im Gegensatz dazu war meine Lehre überwiegend geprägt durch männliche Dozierende. Im Jahr 2022 lag der Frauenanteil in der deutschen Professor*innenschaft bei nur 27 Prozent.
Denke ich an meine Famulatur zurück oder begebe mich jetzt auf die Suche nach einem PJ-Platz, sieht das Bild in vielen Apotheken so aus: Das Team besteht mehrheitlich, wenn nicht sogar ausschließlich, aus Frauen. Wenn ein Mann Teil des Teams ist, dann ist er oft der Apothekenleiter. Zahlen der ABDA aus dem Jahr 2020 geben einen Frauenanteil unter den Apothekenleiter*innen von nur 48 Prozent an – das ist zu wenig. „Darf ich mal Ihren Chef sprechen?“, ist eine Frage, die man in der Praxis nicht selten zu hören bekommt.
Nachholbedarf auch in der Berufspolitik
Der große Anteil der Apothekerinnen im Job spiegelt sich auch nicht in der berufspolitischen Welt wider. Im Rahmen meiner BPhD-Tätigkeit fiel mir im vergangenen Jahr schnell auf, dass das Bild der Standespolitik geprägt ist von Männern. Das Präsidium der ADKA besteht zum Beispiel aus gerade mal einer Frau und vier Männern. Nur 4 von 17 Kammerpräsident*innen sind Frauen, bei den Verbandsvorsitzenden sieht es genauso aus – insgesamt sind das gerade mal 23,5 Prozent. Da läuft etwas schief. Wenn ein Berufsbild weiblich dominiert ist, dann muss das auch in den entsprechenden politischen Gremien sichtbar sein.
Dass Frauen auf Führungsebene unterrepräsentiert sind, ist definitiv ein gesellschaftliches Problem. In der Pharmazie fällt es aber besonders stark auf, weil ein mehrheitlich von Frauen ausgeübter Beruf männlich präsentiert wird. Es ist wichtig, dass auf diesen Missstand aufmerksam gemacht wird. Noch wichtiger ist es, dass man sich der Tatsache stellt und nicht wegdiskutiert, dass Frauen in unserer Gesellschaft eben (noch) nicht vollumfänglich gleichberechtigt sind.
Warum sollten Frauen weniger Verantwortung übernehmen wollen als Männer?
Nicht selten höre ich in Gesprächen, dass Frauen heute hierzulande doch alle Möglichkeiten hätten, sie nur oft gar nicht höhere Positionen, mehr Verantwortung oder Führungsaufgaben übernehmen wollen. Diese Argumentation finde ich wenig überzeugend, denn warum sollten Frauen etwas per se nicht wollen, Männer hingegen schon? Die einzige Antwort auf diese Frage ist: Weil es eben schon immer so war. Wenn sich etwas am Status quo verändern soll, gilt es, genau das kritisch zu hinterfragen und aufzulösen.
Schaut man sich an, warum Frauen in der öffentlichen Apotheke arbeiten, dann ist ein oft genannter Grund: Weil dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht wird. Schon als ich angefangen habe, mich mit meiner eigenen Berufswahl zu beschäftigen, war dieses Argument eines für meinen Studiengang. Gleichzeitig beschreibt dieser Fakt das Problem im Kern: Wenn in der Gesellschaft der Gedanke verbreitet ist, dass für Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf am besten durch das Ausüben einer Teilzeitstelle möglich ist, wird ihnen zwangsläufig vermittelt, dass sie durch das Ausüben einer Führungsposition in Vollzeit oder zusätzliches Engagement in der Standespolitik ihrer Rolle abseits des Berufs nicht mehr gerecht werden.
Frauen in Führungspositionen können Unternehmen bereichern
Frauen können genau dieselben Aufgaben übernehmen wie Männer. Sie können genau dieselbe Verantwortung tragen. Sie können genau dieselben Positionen ausüben. Und es kann so wertvoll sein, wenn sie es tun. Es geht nicht um die Frage, ob Frauen oder Männer die besseren Chef*innen sind, sondern darum, verschiedene Perspektiven und Ansätze einfließen zu lassen. Im Angesicht des Wandels der Arbeitswelt in den kommenden Jahren wird es zunehmend auf Aspekte wie Empathie, Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe ankommen. Es ist wichtig und notwendig, Anreize zu schaffen, damit Frauen Führungsrollen übernehmen möchten und so Unternehmen und Organisationen bereichern können.
Dafür muss sich gesamtgesellschaftlich noch viel tun. Aber auch im Kleinen kann darauf hingewirkt werden, zum Beispiel durch weibliche Vorbilder. Gabriele Regina Overwiening ist seit 2020 ABDA-Präsidentin – sie ist die erste Frau in diesem Amt. Der geschäftsführende Vorstand der ABDA besteht momentan aus fünf Frauen und acht Männern – das sind immerhin schon 40 Prozent. Professor Dagmar Fischer ist aktuell noch DPhG-Präsidentin. Nach Ende meiner Amtszeit wird es wieder eine BPhD-Präsidentin geben, das BPhD-Team ist mit 70 Prozent aktuell mehrheitlich weiblich besetzt. Man kann den überholten gesellschaftlichen Bildern nicht besser entgegenwirken, als sich ihnen entgegen zu verhalten. Je mehr Frauen Verantwortung übernehmen, desto mehr Frauen werden sie inspirieren, es ihnen gleichzutun. Aber auch die Apotheker können dazu beitragen, Frauen zu fördern. Es kann Wunder bewirken, wenn ein Mann eine Frau direkt auf die Übernahme einer Position anspricht und sie dazu zu ermutigt. Männer können Frauen ebenso empowern und sollten das tun.
Gleichstellung bei der ABDA
In Bezug auf die Standespolitik muss aber auch einiges „von oben“ in Richtung Frauen-Empowerment getan werden. Die Besetzung der Gremien könnte nach einer Quote erfolgen, die die Geschlechterverteilung im Beruf widerspiegelt. Die ABDA könnte eine*n Gleichstellungsbeauftragte*n einstellen, der*die sich mit der Durchsetzung der Gleichberechtigung befasst sowie das Thema Frauen-Förderung mehr in den Fokus rücken. Beratungs- oder Coaching-Angebote für Apothekerinnen, die die Leitung einer Apotheke anstreben, könnten von den Verbänden angeboten werden. Bei standespolitischen Veranstaltungen sollte es außerdem selbstverständlich sein, dass Kinderbetreuungsangebote verfügbar sind.
Es gibt viel zu tun, damit die Frauen in der Pharmazie wirklich überall sichtbar werden. Wir alle können etwas dazu beitragen, damit es eines Tages ganz normal ist, dass es viele Kammerpräsidentinnen sowie Apothekerinnen in Führungspositionen gibt und dass Patient*innen fragen, ob sie mal die Chefin sprechen können.
Anmerkung:
Der BPhD erkennt an, dass es auch andere Geschlechtsidentitäten über das Binär von Mann und Frau hinausgibt. Da sich die meisten Daten an diesem binären System orientieren, wurde sich im Text darauf bezogen.
5 Kommentare
Frauenquote!
von Karl Leiserfluss am 30.06.2023 um 17:30 Uhr
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Quoten
von Thomas Kerlag am 29.06.2023 um 9:18 Uhr
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Vorschlag: Orientierung am Leistungssport
von Dr. House am 27.06.2023 um 22:20 Uhr
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AW: Vorschlag: Orientierung am
von bisk am 28.06.2023 um 7:52 Uhr
Hmmm
von Peter am 26.06.2023 um 18:55 Uhr
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