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Schutz Approbierter im Notdienst
Belästigende Anrufe: ABDA sieht keinen Handlungsbedarf
Beim Deutschen Apothekertag 2022 stimmten die Delegierten für einen Antrag, in dem die Hauptversammlung den Gesetzgeber aufforderte, Approbierte im Notdienst besser vor belästigenden Anrufen zu schützen als bisher. Die ABDA stellt nun klar, dass sie keinen Handlungsbedarf sieht – damit sind die Antragsteller aus Hamburg und Rheinland-Pfalz nicht einverstanden.
Belästigende Anrufe im Notdienst sind ein weit verbreitetes Problem: Wie das Ergebnis einer nicht repräsentativen DAZ-Umfrage vom März 2022 zeigt, haben drei von vier Approbierten bereits mindestens einmal im Notdienst einen obszönen Anruf erhalten – unter den Frauen liegt die Quote mit 84 Prozent sogar noch höher. Und nur die wenigsten Betroffenen wehren sich demnach dagegen. Fast 93 Prozent derjenigen, die schon einmal eine solche Situation erlebt haben, unternahmen nichts.
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Die Rückmeldungen aus dem Berufsstand auf die DAZ-Berichterstattung waren überaus zahlreich und emotional. Auch die Kammern aus Hamburg und Rheinland-Pfalz wurden aktiv: Sie legten beim Deutschen Apothekertag 2022 im September in München einen Antrag vor, in dem sie den Gesetzgeber aufforderten, „geeignete Maßnahmen zum Schutz von notdiensthabenden Apothekerinnen und Apothekern vor bedrohlichen und belästigenden Anrufen zu ergreifen und umzusetzen“. Die Hauptversammlung der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker nahm den Antrag mit großer Mehrheit an.
Geschäftsführender ABDA-Vorstand will Antrag nicht umsetzen
In der Folge musste sich sodann die ABDA mit diesem Thema befassen. Nun hat deren Geschäftsführender Vorstand einen Beschluss gefasst: Er plädiert dafür, „nicht an den Gesetzgeber mit dem Ziel heranzutreten, Straftatbestände zu schaffen oder zu erweitern, welche explizit die Belästigung/Bedrohung von Apotheker*innen im Notdienst sanktionieren“.
Es sei zwar „unter Berücksichtigung der erheblichen persönlichen Betroffenheit der Apotheker*innen im Falle einer solchen Belästigung oder sogar Bedrohung opportun, nach Maßnahmen zu suchen, die zu einer Abschreckung führen“, erläutert der Geschäftsführende ABDA-Vorstand dazu. „Die Schaffung einer eigenen Rechtsnorm, die eine solche Tat gezielt unter Strafe stellt, ist indes nicht erfolgversprechend. Gesetzliche Voraussetzungen für eine strafrechtliche Verfolgung solcher Anrufe sind bereits vorhanden, sodass keine Regelungslücke besteht, die Voraussetzung eines gesetzgeberischen Handelns wäre.“ Zu nennen seien etwa § 185 Strafgesetzbuch (Beleidigung), § 238 StGB (Nachstellung) und § 241 StGB (Bedrohung).
ABDA fürchtet Ansehensverlust
Es sei nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Voraussetzung einer Strafbarkeit bei den genannten Straftatbeständen anpasst, wenn es sich bei den Opfern um Apothekerinnen und Apotheker im Notdienst handelt. Daher dürfte nach Einschätzung des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands „ein Anschreiben an den Gesetzgeber mit dem Ziel, einen eigenen Straftatbestand zu erwirken, eher zu einem Ansehensverlust führen als zu dem gewünschten Ergebnis“. Zielführender scheinen demnach praktische Vorkehrungen im Einzelfall, die die Kammern selbst treffen können und dies vereinzelt bereits tun. Exemplarisch genannt sind im Beschluss etwa Schulungen des Personals, das Einrichten einer Fangschaltung und das Zulassen von Anrufen nur mit Nummernübertragung. Die ABDA könnte zudem über einen gewissen Zeitraum im Sinne eines deutschlandweiten Monitorings Zahlen und Fakten zusammentragen und die Situation im Auge behalten.
Hamburg und Rheinland-Pfalz kritisieren Beschluss
Die Antragsteller aus Hamburg und Rheinland-Pfalz sind mit dem Beschluss alles andere als einverstanden. In einer Stellungnahme der beiden Kammern, die der DAZ ebenso wie der Beschluss vorliegt, erinnern sie zunächst daran, dass es nach geltendem Satzungsrecht der ABDA nicht die Aufgabe eines ABDA-Gremiums sei, einen vom DAT beschlossenen Antrag abzuändern – in diesem Fall also den Gesetzgeber nicht zu adressieren. „Vielmehr sind die Beschlüsse der Hauptversammlung für das Handeln der Bundesvereinigung und ihrer Organe verpflichtend“, schreiben Hamburg und Rheinland-Pfalz mit Verweis auf § 4 Abs. 2 der ABDA-Satzung. „Sollte die ABDA von der Umsetzung eines Antrages Abstand nehmen wollen, sollte dies vor der Beschlussfassung etwa in der Antragskommission beraten und ggf. entsprechend kommuniziert werden.“
Zudem betonen die Kammern, dass verbale sexuelle Belästigung bisher eben nicht strafbar sei – das dürfte wohl ein Tatbestand sein, der in den notdiensthabenden Apotheken besonders häufig vorkommt. „Der § 184i StGB setzt für die Straftat der sexuellen Belästigung eine körperliche Berührung voraus. Erfolgt die Tathandlung (sexuelle Äußerung) ohne körperliche Berührung, scheidet der Straftatbestand der sexuellen Belästigung nach geltendem Recht in Deutschland bisher aus“, heißt es weiter.
Auch könne verbale sexuelle Belästigung nicht grundsätzlich als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB betrachtet werden. Denn diese Strafnorm schütze die persönliche Ehre. „Im Zusammenhang mit der Vornahme sexuell motivierter Äußerungen liegt ein Angriff auf die Ehre nur vor, wenn der Täter zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise insoweit einen seine Ehre mindernden Mangel auf.“ Eine Strafbarkeit nach § 241 StGB (Bedrohung) scheide ebenfalls aus, soweit der Täter das Opfer nicht mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedrohe.
Catcalling in Deutschland nicht strafbar
Das sogenannte Catcalling hingegen, also sexuell konnotierte Verhaltensweisen bzw. verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt, sei hierzulande bisher nicht strafbewehrt – anders als in einigen anderen europäischen Ländern, etwa Belgien, den Niederlanden, Portugal und Frankreich. „‚Catcalling‘ befasst sich mit verbaler sexueller Belästigung im öffentlichen Raum“, fassen die beiden Kammern zusammen. „Öffentlich“ sei dabei nicht im Sinne von „in der Öffentlichkeit“ zu verstehen, sondern meine vielmehr, dass sich ein Mensch nicht in einem geschützten Rückzugsraum befindet, in dem er vor sexueller Belästigung geschützt ist oder sich effektiv wehren kann.
„In dem Maße, wie verbale sexuelle Belästigung etwa im vorgeschriebenen apothekerlichen Notdienst, dem sich das Opfer nicht komplett entziehen kann, stattfinden, ist die Öffentlichkeit im Sinne der Schutzwürdig- und -bedürftigkeit des Opfers als gegeben anzusehen“, unterstreichen Hamburg und Rheinland-Pfalz. „Auch ohnedies besteht nach dem Vorstehenden der Bedarf, die verbale sexuelle Belästigung von Rettungs- und Notdienstpersonal – und damit auch von Apothekenpersonal – gesondert unter Strafe zu stellen.“
Siemsen: Geschäftsführender Vorstand ist nicht zuständig
Aufgegeben haben die beiden Kammern übrigens noch lange nicht, betont Kai-Peter Siemsen im Gespräch mit der DAZ. Den Präsidenten der Apothekerkammer Hamburg überzeugt die Begründung des Geschäftsführenden Vorstands nicht. Er sei in Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern auf offene Ohren gestoßen, wenn er das Thema angeschnitten habe, berichtet er. Zudem sei der Geschäftsführende ABDA-Vorstand gar nicht zuständig – eine Entscheidung, den Antrag nicht weiterzuverfolgen, könne allein die Mitgliederversammlung treffen, sagt Siemsen. Und diese komme erst am 6. Dezember 2023 wieder zusammen.
3 Kommentare
Notdienst-Nachtdienst
von Gregor Nelles am 13.08.2023 um 10:23 Uhr
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belästigende Anrufe
von Wolfgang Steffan am 09.08.2023 um 11:26 Uhr
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Wertschätzung klingt anders.
von Jan Kusterer am 09.08.2023 um 10:43 Uhr
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