Umgang mit neuen Mitarbeitern

Onboarding in Zeiten des Fachkräftemangels

02.10.2023, 09:15 Uhr

Damit die Einarbeitung neuer Mitarbeiter klappt, braucht es einen Plan. (Foto: Drazen / AdobeStock)

Damit die Einarbeitung neuer Mitarbeiter klappt, braucht es einen Plan. (Foto: Drazen / AdobeStock)


Es ist wichtig, neue Mitarbeiter von Anfang an zu begeistern und zu binden. Gleichzeitig sollen sie schnell produktiv werden und die bestmögliche Leistung erbringen. Dies gelingt nur durch eine gezielte und nachhaltige Einarbeitung sowie eine effektive soziale Integration. Dafür hat sich der Begriff „Onboarding“ durchgesetzt: Was bedeutet das konkret für die Apothekenleitung und das Team? 

So darf es nicht sein: Der neue Kollege – nennen wir ihn Semih Schmitt – tritt an einem Mittwochmorgen seine Arbeit in der Apotheke an. „Eigentlich“ wollte die Apothekenleitung den Neuen begrüßen, zudem hat sie angeblich einen Einarbeitungsplan erstellt. Ausgerechnet heute muss sie wegen eines dringenden Termins, den sie übersehen hat, die Apo­theke verlassen und wird wohl erst am späten Nachmittag zurückkehren. Nun weiß niemand etwas mit dem neuen Mitarbeiter anzufangen, zumal sich der Einarbeitungsplan nicht auffinden lässt – später wird sich herausstellen, dass es die Apothekenleitung versäumt hat, einen solchen überhaupt zu erarbeiten. Hektisch kümmert sich jeweils der Kollege aus dem Team, der sich nicht im Kunden­gespräch befindet, um Semih Schmitt. Aber der kleine Rundgang in der Apotheke muss immer wieder unterbrochen werden ... 

Semih Schmitt ist verärgert. So hat er sich den ersten Arbeitstag nicht vorgestellt. Er fühlt sich nicht wertgeschätzt und nicht willkommen geheißen. Ob er seine Entscheidung schon bereut und überlegt, eine andere der Optionen, über die er in Zeiten des Fachkräftemangels verfügt, zu nutzen? 

Wertschätzung erhöht den Wohlfühlfaktor

Ein gelungener Onboardingprozess umfasst die Phasen Preboarding, Orientierungsphase und die eigentliche Onboardingphase mit der fachlichen und sozialen Integration. Das Ziel besteht darin, dass ein neuer Mitarbeiter von Beginn an das berechtigte Gefühl hat, sich mit „seiner“ Apotheke, den Kollegen und Führungskräften sowie den Apothekenzielen identifizieren zu können. Wenn ihm von Anfang an mit Wertschätzung begegnet wird, baut er rasch Gefühle wie Freude und Stolz auf, sodass eine intensive Beziehung und eine Bindung entstehen können. Im Idealfall gewinnt die Apotheke einen leistungsbereiten und kompetenten Mitarbeiter und das Team einen Kollegen, der es unterstützt und entlastet. Damit dies möglich ist, sollten sich die Apothekenleitung und das Team dafür sensibilisieren, einen auf den jeweiligen neuen Mitarbeiter abgestimmten Onboardingplan zu entwickeln, der auch ungewöhnlich-kreative Maßnahmen umfasst. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies gerechtfertigt und notwendig, um im „War for Talents“ Pluspunkte zu sammeln. 

Saat für Vertrauens­pflänzchen auslegen

Beginnen wir mit dem Preboarding: Bereits vor dem ersten Arbeitstag erhält Semih Schmitt eine Willkommensmappe, in der seine Verantwortlichkeiten und Aufgaben beschrieben und alle relevanten Informationen rund um den Apothekenalltag enthalten sind. Zudem liegt eine Kurzbeschreibung des zukünftigen Chefs und der Kollegen bei, möglichst mit Foto. Entscheidend nicht nur im Preboarding, sondern in der gesamten Einarbeitungs- und Integrationsphase ist die konkrete Unterstützung, die Semih Schmitt erfährt. Ebenso wichtig ist, dass die Apotheken­leitung das Team auf den Neuen vorbereitet und etwa dessen Kompetenzen erläutert und veranschaulicht, dass und inwiefern Semih Schmitt auch von seiner Persönlichkeit her in das Team passt.

Die administrativen Vorbereitungen sollten so ausgestaltet sein, dass der neue Mitarbeiter an seinem ersten Arbeitstag zum Beispiel einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz vorfindet – das gehört zu den Selbstverständlichkeiten eines durchdachten Onboardingprozesses.

Eine der wohl zentralen Punkte ist die Bestimmung eines Kollegen, der als Pate auftritt, dem Neuen bei Fragen zur Verfügung steht und als „sozialer Kümmerer“ agiert. Der Pate darf und soll auf der informellen Ebene tätig werden, damit Semih Schmitt nach und nach versteht, wie der Alltag und die Prozesse und Abläufe in der Apotheke vonstattengehen und wie es um die apotheken­spezifischen Arbeitsweisen und Rollenverteilungen bestellt ist.

Zudem lassen sich in digitalen Zeiten die sozialen Netzwerke wie etwa Facebook, Xing und LinkedIn nutzen, um vorab in den Austausch mit dem neuen Mitarbeiter und Kollegen zu gehen und schon im Vorfeld die Saat für ein Vertrauenspflänzchen auszulegen.

Intensive Feedbackgespräche führen

Im Mittelpunkt der Orientierungsphase steht das Kennenlernen der neuen Kollegen und der Führungskräfte. Gerade am ersten Arbeitstag soll und muss die Apothekenleitung zugegen sein und mit Semih Schmitt in den Austausch gehen, damit sich rasch klären lässt, ob dessen Erwartungen erfüllt sind und wie es um den Wohlfühlfaktor bestellt ist. In einer Teamsitzung stellt der Chef das Team und den Neuen einander vor und beschreibt die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen dem Paten und Semih Schmitt. Vielleicht ist ein gemeinsames Mittagessen möglich, wobei die Apothekenleitung überlegen sollte, ob er sich zu­mindest zeitweise zurückzieht, damit sich das Team und der neue Kollege ohne ihn austauschen und beschnuppern können. Denn natürlich gibt es Themen, die Semih Schmitt eben nicht mit dem Chef, sondern lieber mit den Kollegen erörtern möchte.

Intensive Feedbackgespräche sollten die ersten „Bewährungsproben“ begleiten, etwa die ersten Kundengespräche. Pate, Apothekenleitung und Semih Schmitt tauschen sich dazu detailliert aus, klären offene Fragen und unterbreiten Verbesserungsvorschläge. Alle Beteiligten nutzen die Gelegenheit, auf die ihnen wichtigen fachlichen Aspekte einzugehen. Allgemein gilt: Je besser Semih Schmitt vom Team eingearbeitet wird, desto schneller kann er produktiv mitgestalten.

Bindungsintensität erhöhen und stärken

n der eigentlichen Onboardingphase stehen die fachliche und die soziale Integration des neuen Mitarbeiters im Fokus. Hier kommt dem Paten die entscheidende Funktion zu. Die Apothekenleitung und er sind dafür verantwortlich, die gegenseitigen Erwartungen abzuklären und bei Bedarf Maßnahmen zur Anpassung vorzunehmen. Auch die anderen Kollegen sind gefordert, denn in der Onboardingphase soll der berühmt-berüchtigte Teamspirit oder Teamgeist auf den Neuen übergreifen.

Von besonderer Bedeutung sind die Feedbackgespräche zwischen der Apothekenleitung und dem neuen Mitarbeiter. Der Chef sollte durchaus offensiv von Semih Schmitt auch dessen Feedback einfordern, denn nur so erfährt er, ob die Einarbeitungsphase aus dessen Sicht sinnvoll gestalten werden konnte oder wo Optimierungspotenziale brachliegen.

Leider wird die Relevanz der Wechselwirkung zwischen der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit eines neuen Mitarbeiters und dem Wohlfühlfaktor nicht oft genug gesehen. Letzterer lässt sich durch eine zeitnahe Teamveranstaltung erhöhen, etwa durch einen Ausflug oder eine andere Maßnahme zur Stärkung des Zusammen­gehörigkeitsgefühls außerhalb des Arbeitsalltages.

Fazit

Durch den Fachkräftemangel und die mit einer Neueinstellung verbundenen Kosten spielt die fach­liche und insbesondere die soziale Integration neuer Mitarbeiter eine immer größere Rolle. Je besser dies gelingt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Semih Schmitt von Beginn an eine hohe Bindung zur Apotheke und zum Team aufbaut und sich auch nach der Probezeit rundum wohlfühlt.

Am Ende des Onboardingprozesses und der Probezeit steht die Entscheidung an, ob Semih Schmitt übernommen werden soll oder nicht. Und ob er das auch so sieht. In der Regel gilt: Je effektiver und optimaler das Onboarding abläuft, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt zusammenwächst, was offensichtlich zusammengehört.


Dr. Michael Madel


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