Semaglutid

Kann man Ozempic überdosieren?

Stuttgart - 09.11.2023, 14:00 Uhr

Was passiert, wenn sich Patient:innen absichtlich oder versehentlich zu viel Semaglutid applizieren? (Foto: Natalia / AdobeStock)

Was passiert, wenn sich Patient:innen absichtlich oder versehentlich zu viel Semaglutid applizieren? (Foto: Natalia / AdobeStock)


Aktuelle Berichte aus Australien beschäftigen sich derzeit nicht nur mit den Gefahren, die von gefälschtem Ozempic ausgehen, sondern auch mit dem Risiko von Fehlanwendungen des Arzneimittels. Offenbar mussten bereits mehrere Australier nach einer Semaglutid-Überdosis in die Notaufnahme. Was sollte man also über eine mögliche Überdosierung mit Ozempic wissen?

Es war schon seit einiger Zeit vermutet worden, jetzt hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigt: In den aktuell in Österreich, Deutschland und Großbritannien aufgetauchten Ozempic®-Fälschungen ist Insulin statt Semaglutid enthalten. Wörtlich erklärt das BfArM dazu seit Dienstag:

„Erste Untersuchungen des Herstellers Novo Nordisk A/S haben ergeben, dass sich in der bisher identifizierten Fälschung des Arzneimittels Ozempic® (Seriennummer: 1946483405690 der Charge: MP5E511, Verfalldatum: 07/2025) kein Semaglutid befindet. Entsprechend der Ergebnisse des deutschen amtlichen Untersuchungslabors Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe enthalten die betroffenen Pens Insulin. Es wird aktuell vermutet, dass es sich um umetikettierte Insulinpens handelt. Die Untersuchungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen.“

In Österreich mussten deshalb bereits mehrere Patient:innen ins Krankenhaus. Von den Fälschungen geht also eine erhebliche Gesundheitsgefahr aus [1].

Berichte aus Australien beschäftigen sich nun nicht nur mit den Gefahren, die von gefälschtem Ozempic® ausgehen, sondern auch mit dem Risiko von Fehlanwendungen des Arzneimittels. So titelte etwa der „Guardian“ Anfang November, dass mehrere Australier nach einer Ozempic®-Überdosis in die Notaufnahme mussten.

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Daten des größten australischen Giftinformationszentrums in New South Wales zeigten zudem, dass dieses Jahr bislang mehr als 120 Anrufe im Zusammenhang mit Semaglutid dort eingegangen seien. 83% davon sollen Medikationsfehler gewesen sein. Darunter seien falsche Dosierungen, aber auch eine falsche Applikation oder die Anwendung durch eine falsche Person zu verstehen.

Patient:innen benötigen klare Dosierungsempfehlungen!

Das „Victorian Poisons Information Centre“ soll dem „Guardian“ von 82 Anrufen zu Ozempic® oder Semaglutid berichtet haben, die dort in den letzten 24 Monaten bis Ende Oktober 2023 eingegangen sind. Sieben dieser Anrufe sollen dann an die Notaufnahme verwiesen worden sein. Es soll sich dabei um (unbeabsichtigte) Überdosierungen gehandelt haben, es sei etwa nicht ungewöhnlich, dass versehentlich der gesamte Inhalt eines Pens verabreicht wird. 10% der Anrufe sollen absichtlichen Arzneimittelmissbrauch betroffen haben. 

Im australischen Journal „Internal Medicine“ wurde bereits Anfang des Jahres ein Brief veröffentlicht, in dem Expert:innen auf die steigende Zahl von Anrufen bei Giftnotrufzentren hinwiesen. Verschreibende und Apotheker:innen müssten deshalb klare Dosierungsempfehlungen abgeben, hieß es, insbesondere wenn Patient:innen mit Arzneimitteln zur Injektion nicht vertraut sind [1,2,3].

Auch in den USA geht ein Giftinformationszentrum (Missouri Poison Center) seit Oktober 2023 der Frage nach, ob man Ozempic® überdosieren kann und erklärt, dass neben 

  • Übelkeit,
  • Erbrechen,
  • Durchfall,
  • Bauschmerzen und
  • Verstopfung auch eine
  • Hypoglykämie

auftreten kann [4]. Zusätzlich scheint in den USA die Herstellung von Semaglutid-Rezeptur-Arzneimitteln das Risiko für Überdosierungen noch zu vergrößern, wenn etwa Spritzen statt der Fertigpens abgegeben werden. Das verdeutlichen aktuelle Fallberichte aus dem „Journal of the American Pharmacists Association“ [5]. 

Vorsicht lange Halbwertszeit – und Darmverschluss?

In der deutschen Fachinformation zu Ozempic® heißt es, dass Überdosierungen in klinischen Studien von bis zu 4 mg Semaglutid in einer einzelnen Dosis berichtet wurden. Die am häufigsten berichtete Nebenwirkung soll Übelkeit gewesen sein und alle Patient:innen sollen sich komplikationslos erholt haben. 

Allerdings gibt es „kein spezifisches Gegenmittel für eine Überdosierung mit Semaglutid“ und „angesichts der langen Halbwertszeit“ von ungefähr einer Woche könnten die auftretenden Symptome einen verlängerten Behandlungszeitraum erfordern [6]. 

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Zudem ist zu bedenken, dass in den USA die Fachinformation mittlerweile auch einen Darmverschluss als mögliche Nebenwirkung von Ozempic® aufführt, der lebensbedrohlich sein kann [7]. 

Literatur

[1] BfArM, 07.11.2023: Fälschung des Arzneimittels Ozempic®: aktuelle Entwicklungen, www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Rapid-Alert-System/Arzneimittelfaelschungen/Ozempic/_node.html

[2] Ozempic overdoses: data reveals Australians sent to emergency after misuse of diabetes drug, www.theguardian.com/australia-news/2023/nov/04/ozempic-overdoses-data-reveals-australians-sent-to-emergency-after-misuse-of-diabetes-drug

[3] Cairns R, Buckley N. Letter to the Editor: Semaglutide exposures reported to the NSW Poisons Information Centre: effects of social media marketing and supply chain disruptions. Internal Medicine Journal 2023;53:654-655, onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/imj.16059?saml_referrer=

[4] Missouri Poison Center, 16.10.2023, missouripoisoncenter.org/can-you-overdose-on-ozempic-for-weight-loss/

[5] Administration errors of compounded semaglutide reported to a poison control center – Case series. Journal of the American Pharmacists Association 2023;63:1643-1645, www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1544319123002315

[6] Novo Nordisk Fachinformation Ozempic®, Stand 03/2023, www.fachinfo.de

[7] Dunleavy K. Novo Nordisk's Ozempic gets FDA label update flagging risk of intestinal blockage disorder. Fierce Pharma 28.09.2023, www.fiercepharma.com/pharma/novo-nordisks-ozempic-gets-label-warning-intestinal-blockage-disorder


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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