Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

31.12.2023, 07:30 Uhr

2024 wird nicht einfacher, aber daher erst recht: Ein erfolgreiches neues Jahr! (Foto: Alex Schelbert)

2024 wird nicht einfacher, aber daher erst recht: Ein erfolgreiches neues Jahr! (Foto: Alex Schelbert)


Viele Praxen sind geschlossen – die Ärzte trauen sich was. Und wir fragen uns schon: Wäre es nicht supergut gewesen, in dieser Woche den Schulterschluss mit den Ärzten zu suchen und unsere Apotheken zu schließen? Wir wissen doch: Lauterbach kommuniziert nicht wirklich, er versteht nur eine Sprache, nämlich Druck und medienwirksames Gehabe. Wir sollten ihm in dieser Sprache antworten. Wir müssen ihm deutlich machen, dass wir seine Reform-Eckpunkte ohne Honorar-Plus nicht akzeptieren. Ja, 2024 wird schwierig, aber wir geben nicht auf. In diesem Sinne, ein gutes und erfolgreiches neues Jahr! 

War 2023 für uns Apothekerinnen und Apotheker gesundheits- und berufspolitisch betrachtet ein gutes Jahr? Haben wir etwas erreicht? Auf der Habenseite stehen gewisse Erleichterungen bei der Präqualifizierung und Retaxierung. Außerdem eine leichte Verbesserung beim Austausch von nicht lieferbaren Arzneimitteln. Und das war’s dann wohl schon. Die Liste der Forderungen, bei denen wir uns nicht durchsetzen konnten, ist da wesentlich länger. An erster Stelle: So wie es derzeit aussieht, bekommen wir keinesfalls mehr Honorar, für einen Honorarzuwachs sieht Lauterbach keine Spielräume, sagt er knallhart. Im Gegenteil, er will die 3-Prozent-Komponente des Apothekenhonorars sogar kürzen. Durchsetzen konnte sich unsere Berufsvertretung auch nicht beim Honorar fürs Engpass-Management, es blieb bei 50 Cent. Und beim Austausch von  Kinderarzneimitteln hat sich die Lage sogar noch verschlechtert, da gibt es nicht einmal das 50-Cent-Almosen. Apropos Lieferengpässe: Das Lauterbach-Gesetz (ALBVVG) gegen Lieferengpässe bringt wenig bis nichts, die Situation ist nach wie vor zum Teil extrem angespannt. Einen Dämpfer für die Honorarsituation gab’s bereits im Februar: Die Erhöhung des Kassenabschlags trat in Kraft. Mit einem äußerst negativen Beigeschmack wird uns auch der Umgang von Lauterbach mit uns Apothekers im Gedächtnis bleiben: Null Kommunikation! Apothekerinnen und Apotheker und selbst die Berufsvertretung mussten aus den Medien erfahren, welche Reformen Lauterbach mit den Apotheken plant. Und zum Apothekertag erscheint er zum zweiten Mal in Folge nicht persönlich, sondern auf der Videoleinwand. Die Apothekerinnen und Apotheker sind es ihm nicht wert. Dass die erste Version seines Reformkatalogs himmelschreiend daneben lag (Light-Filialapotheken ohne Rezeptur und ohne Notdienst, aber mit PTA-Leitung), werden wir so schnell nicht vergessen. Und sein aktuelles Eckpunktepapier zur Apothekenreform wird uns keinen Cent mehr Honorar bringen. Außerdem, mein liebes Tagebuch, hören wir bereits in der Fernsehwerbung für OTC-Arzneimittel den neuen gegenderten Pflichtsatz: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Auch hier konnte sich die ABDA nicht durchsetzen. Die Apothekerin, der Apotheker, die eigentlichen Arzneimittelfachleute, werden nicht ausdrücklich genannt, sondern unter dem unpersönlichen Begriff der Apotheke subsumiert. Sorry, mein liebes Tagebuch, ich halte dies für eine Geringschätzung unseres Berufs. Dabei gab es durchaus wesentlich bessere Vorschläge, zum Beispiel „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und holen Sie ärztlichen oder apothekerlichen Rat ein“.

 

27. Dezember 2023

Täglich höre und lese ich zurzeit Meldungen vom Ärztestreik in den Medien.  Da geht die Post ab. Wenn ich so zurückschaue auf die beiden Protestaktionen der Apothekers, die eine am 14. Juni, die andere an den vier Tagen am November, jeweils in einer anderen Region – mal ehrlich, mein liebes Tagebuch, die aktuellen Ärzteproteste sind wesentlich lauter und stärker in den Medien als unsere Protestchen. Hätten wir uns da nicht mit der Ärzteschaft zusammentun können? Nach dem Eckpunkte-Papier von Lauterbach, das klipp und klar keine Honorarzuwächse in Aussicht stellt, sondern eher weitere Honorarkürzungen ankündigt, wäre eine Protestaktion zwischen den Jahren zusammen mit den Hausarzt- und Facharztpraxen ein deutliches Zeichen gewesen: Man kann mit uns Apothekers so nicht umspringen. Stell Dir vor, mein liebes Tagebuch, wenn wir unsere Apotheken vom 27. bis 30. Dezember geschlossen hätten und nur Notdienst-Apotheken Dienst machen würden – wäre das nicht ein richtiger guter Donnerschlag zum Jahresende gewesen? Wir wissen doch: Ohne starken Druck läuft in der Politik nichts mehr, schon gar nicht bei Lauterbach. Geschlossene Arztpraxen, geschlossene Apotheken, bundesweit, vier Tage lang, das hätte die Bevölkerung gespürt. Und das wäre vermutlich auch an Lauterbach nicht spurlos vorüber gegangen. Lauterbach versucht derzeit bereits, eine Neiddebatte zum ärztlichen Einkommen loszutreten: Mit Ausnahme der Schweiz werde nirgendwo in Europa in den Praxen so viel verdient wie in Deutschland. Vor allem Facharztgruppen verdienten im Internationalen Vergleich „ausgezeichnet“, so Lauterbach. Spielräume für Honorarzuwächse sieht er bei den Ärzten nicht. Mein liebes Tagebuch, wir erinnern uns: Auch im Vorfeld der Apothekenproteste versuchte Lauterbach Neid zu schüren und die Apothekerinnen und Apotheker als Gutverdiener darzustellen. Dass die Betriebs- und Personalkosten in den vergangenen Jahren weiter stark gestiegen sind, lässt er  unter den Tisch fallen – es sind bei Lauterbach immer die gleichen Muster. Der Virchowbund der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hat bereits für das neue Jahr noch längere Praxisschließungen angedroht, falls es keine Annäherung mit dem Gesundheitsminister gibt.

Mein liebes Tagebuch, bis jetzt habe ich kein überzeugendes Argument gehört, warum wir Apothekers derzeit so mucksmäuschenstill halten. Warum diese Protestpause? Das kategorische Nein von Lauterbach zu einer Honorarerhöhung, mit dem uns Lauterbach erneut geohrfeigt hat, rechtfertigt umgehend Protestaktionen! Vermutlich werden wir schon im Januar sehen, ob die Ärzteschaft mit ihren Praxisschließungen mehr Erfolg haben wird als wir Apothekers mit unserem braven Stillhalten. Mein liebes Tagebuch, was meinst du, welche Strategie wird erfolgreicher sein?

 

28. Dezember 2023

Probleme mit E-Rezepten sind an der Tagesordnung. Es kommen nicht nur fehlerhaft ausgestellte E-Rezepte aus den Arztpraxen in den Apotheken an (obwohl es fehlerhaft ausgestellte Rezepte  eigentlich gar nicht mehr geben sollte), auch die Technik zickt an vielen Stellen. Den Termin 1. Januar 2024, der eigentlich als Pflichttermin fürs E-Rezept gelten sollte, kann man eh in der Pfeife rauchen. Das entsprechende Gesetz dafür (Digitalgesetz), ist noch nicht verabschiedet. Es wird wohl erst irgendwann im ersten Quartal kommen. Mein liebes Tagebuch, ich bin überzeugt, dass es sich noch eine Weile hinziehen wird, bis alles einigermaßen rund läuft. Und bis dahin greift die Arztpraxis aufs gute alte rosa Formular zurück. Und wenn in der Apotheke die Technik streikt, bleibt nichts anderes übrig, als die Arztpraxis zu bitten, ein rosa Papierrezept auszustellen, oder  Patienten zur Arztpraxis zu schicken mit der Bitte, sich ein rosa Papierrezept ausstellen zu lassen. Alles nicht wirklich patientenfreundlich. Dass die Technik nicht immer mitspielt, ist bei der Gematik angekommen: Sie hat daher sogar auf WhatsApp einen eigenen Kanal eingerichtet, um Apotheken und Arztpraxen zeitnah über Störungen der Telematikinfrastruktur zu informieren. Mein liebes Tagebuch, das ist nur ein kleines Trostpflaster. Denn über diesen Kanal eine WhatsApp an die Gematik zu versenden, das geht nicht, er ist nur als Info-Kanal ausgelegt.

 

Und es geht so weiter mit den Fehler- und Störungsmeldungen in der Telematikinfrastruktur (TI). Das E-Health-Team des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie SIT hat eine Sicherheitslücke bei KIM (Kommunikation im Medizinwesen) entdeckt, dem Mailsystem für angeblich sichere Kommunikation in der TI. Offenbar war die Verschlüsselung für das Mailsystem bei mehreren Krankenkassen fehlerhaft eingerichtet. Mittlerweile hat man die Ursache gefunden und behoben. Hoffen wir, dass dies alles noch unter Anfangsschwierigkeiten läuft.

Über KIM tauschen bereits Arztpraxen und Krankenkassen vertrauliche Patientendaten aus, z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Heil- und Kostenpläne. KIM dient auch der Kommunikation zwischen Arztpraxis und Apotheken. Übrigens, ab 1. April 2024 muss jede Apotheke über eine KIM-Adresse verfügen.


31. Dezember 2023

Liebe Leserinnen und Leser meines lieben Tagebuchs, ich freue mich, wenn Ihnen mein Tagebuch die berufs- und gesundheitspolitischen Ereignisse rund um die Apotheke im Lauf des Jahres näherbringen konnte. Danke für Ihre Treue, Ihr Engagement, Ihre Kommentare und Beiträge! 

Die Rückblicke aufs vergangene Jahr zeigen: Das Gesundheitswesen, Ärzteschaft und Apothekerschaft erfahren von der Politik nicht die Wertschätzung, die sie verdienen. Mit warmen Worten in Sonntagsreden ist es nicht mehr getan. Wenn die Arbeit nicht mehr adäquat entlohnt wird, wenn Kostensteigerungen, Inflation einen Großteil der Einkünfte verschlingen, dann reichen  schöne Worte nicht mehr. Der Protest muss weitergehen.

Und trotz aller Widrigkeiten: Lassen Sie sich nicht entmutigen, verlieren Sie nicht die Hoffnung. Ja, einfacher wird es nicht, wir müssen zusammenstehen und gemeinsam gegen ignorante und uneinsichtige Politikerinnen und Politiker kämpfen.

Sicher ist: Die Apotheke bleibt. Und der Apothekerberuf ist und bleibt einer der schönsten Berufe, wir helfen und helfen heilen. 

Ich wünsche Ihnen ein gutes, erfolgreiches neues Jahr! Ich freue mich, wenn Sie sich auch im kommenden Jahr, immer wieder sonntags, aufs Tagebuch freuen.

Herzlichst,

Ihr Peter Ditzel


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Protestchen

von Dr. Radman am 31.12.2023 um 12:13 Uhr

Protestchen hin oder her , es wird niemanden von der Politik beeindrucken. Ohne Druck passiert nichts. Druck bedeutet alles auf einer Karte zu setzen und die Lieferverträge kündigen. Das wird aber diese ABDA nicht tun. Denn sie haben sich die besten Standorte gesichert. Ob dieses Jahr 600 Apotheken für immer schließen, kommt denen nur entgegen. Wir sollten uns Alternativen suchen. Die frei Apothekerschaft ist ein Anfang.

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Mist fällt von oben nach unten...

von Michael Reinhold am 31.12.2023 um 11:51 Uhr

Warum sollen die Apothekerverbände Proteste organisieren? Die machen es sich jetzt komplett einfach: Da bekommen halt einfach die Angestellten trotz 16 Prozent Inflation in den letzten beiden Jahren keinerlei Lohnerhöhung - basta. Weil es doch völlig egal ist, ob sich die PKA in Zukunft von ihrem Mindestlohn-Gehalt noch die Miete und das Essen leisten kann. Und die Apothekeninhaber lassen das ihren Verbänden natürlich durchgehen und dulden die derzeit gelebte Tatenlosigkeit. Nach oben gegenüber Herrn Lauterbach buckeln und nach unten gegenüber den Angestellten treten.

Für die Erhöhung des Bezugpreises der Apotheken-Umschau ist natürlich Geld da - man muss da schließlich Prioritäten setzen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Mist fällt von oben nach unten

von Conny am 31.12.2023 um 14:18 Uhr

Den Absatz mit der Apotheken-Umschau hätten Sie sich sparen können.Bin froh das ich Sie nicht als Angestellten hatte.Werde mich jetzt aber lieber um mein Silvestermenue kümmern:)

Im Schlafwagen nach Berlin

von Ulrich Ströh am 31.12.2023 um 8:03 Uhr

—Warum —verhalten sich Apothekers gerade mal wieder mucksmäuschenstill und bringen sich nicht ein in eine aktuelle Diskussion mit Kart Lauterbach ?

Im Schlafwagen nach Berlin werden auch im kommenden Jahr keine Geschenke für uns verteilt werden…

Allen Mitstreitern dieses Tagebuchs einen guten Rutsch!!!

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Nichts ist sicher

von Apothekerin am 31.12.2023 um 8:01 Uhr

„Die Apotheke bleibt“ ist überhaupt nicht sicher. Das mussten wir gerade im Jahr 2023 leidvoll erfahren. Nochmal 1 bis 2 so Horrorjahre wie dieses Jahr und die Apotheken vor Ort wären bis zur Unkenntlichkeit dezimiert. Die ABDA hat total versagt und im Endeffekt mit ihrem mutlosen und rückgratlosen Handeln unseren gesamten Berufsstand mit zerstört!

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