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Nach vielen Jahren der Unterfinanzierung brauchen die Apotheken jetzt deutlich mehr Geld. Nur so kann die menschlich zugewandte Arzneimittelversorgung mit hohem Personalaufwand langfristig erhalten bleiben. Darum muss besser vermittelt werden, welchen großen Nutzen die alltägliche abgabebegleitende Beratung hat. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn sieht darin die wesentliche berufspolitische Aufgabe für das neue Jahr.
Nach dem vorweihnachtlichen Schreck über das Eckpunktepapier zur geplanten Apothekenreform stellt sich nun vor allem die Frage, was im neuen Jahr zu tun ist. Zunächst bleibt festzuhalten: Im Eckpunktepapier selbst stehen keine Zahlen für neue Festzuschläge bei Rx-Arzneimitteln. Die zuvor im „Handelsblatt“ genannten Beträge würden keine Umverteilung, sondern eine deutliche Kürzung ergeben. Manche vermuten daraufhin eine bewusste Täuschung. Könnte es nicht auch eine erwünschte Verwirrung sein? Jetzt fokussiert sich die Kritik darauf, die richtigen Zahlen für eine echte Umstellung einzufordern. Wenn die dann kommen, scheint alles in Ordnung. Doch es wäre nichts in Ordnung.
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Umverteilung als neue Ablenkung
Das Kernproblem bleibt die fehlende Honoraranpassung für mehr als 20 Jahre mit dem Kombimodell. Statt einer Antwort auf diese Frage kommen mit dem Eckpunktepapier neue Probleme dazu. Das erinnert an den Deutschen Apothekertag und die angedachten Schein-Apotheken. Nun sorgt die Umverteilungsidee für neuen Wirbel und lenkt erneut von der fehlenden Anpassung ab. Dabei geht es nicht nur um falsche Zahlen. Mit den richtigen Zahlen würde die vorgesehene Umverteilung einigen Apotheken minimale kurzfristige Vorteile bringen, allerdings nur im Vergleich zu anderen Apotheken, nicht im Vergleich zur derzeitigen Situation. Denn die Kosten werden bis dahin vermutlich mehr steigen, als die Umverteilung im günstigsten Fall einbringen kann. Vor allem aber würde die Umverteilung für das System langfristig in die falsche Richtung wirken.
Mehr Prozente statt weniger nötig
Der Verfasser dieses Kommentars hatte schon früher angeregt, die geforderte Honorarerhöhung teilweise für den prozentualen Zuschlag zu verwenden, allerdings nicht bei Hochpreisern, weil es dort nicht durchsetzbar erscheint. Die Apotheken brauchen mehr prozentuales Honorar, weil darin eine Anpassung an steigende Preise steckt - nicht weniger. Ein geringeres prozentuales Honorar würde langfristig eine weitere Entkopplung vom Wirtschaftsgeschehen bedeuten. Auch eine heute neutrale Umverteilung wäre damit langfristig eine Belastung, weil steigende Kosten dann noch stärker durchschlagen. Das BMG stellt den Plan hingegen geradezu als Wohltat für die Apotheken dar. Im Eckpunktpapier heißt es, der prozentuale Zuschlag „soll, anders als bereits jetzt beim pharmazeutischen Großhandel, auch weiterhin ungedeckelt bleiben“. Damit tritt das BMG offenbar der Position von Krankenkassen entgegen, die eine solche Deckelung gefordert hatten.
Politik blickt in die falsche Richtung
Es könnte also wieder einmal noch schlimmer kommen. Doch es ist schon sehr schlimm. Denn der neue Umverteilungsplan zeigt deutlich, dass die Apotheken mit ihren Sorgen überhaupt nicht beim Ministerium angekommen sind. Die Grundidee der geplanten Reform geht in die falsche Richtung. Denn sie enthält überhaupt keinen Ansatz, die riesige Finanzierungslücke aus der Vergangenheit zu schließen. Schon die Analyse der Politik ist falsch angelegt. Es interessieren nicht die Betriebsergebnisse von gestern, sondern die Gehälter von morgen. Doch das Ministerium sieht offensichtlich keinen Bedarf, dass Apotheken neues Personal zu zeitgemäßen Konditionen gewinnen und in das bestehende System investieren. Das passt durchaus in eine Welt, in der der Einzelhandel zunehmend zum Päckchenversand wird, in der Hotels den Check-In automatisch abwickeln und Bankfilialen ohne Bargeld betrieben werden. Nur wenn das BMG für die Arzneimittelversorgung ähnliche Konzepte verfolgt, ist der jüngste Reformplan nachvollziehbar. Für die gezielte Sorge um eine überschaubare Zahl von Patienten mit den größten Risiken würde ein ausgedünntes Apothekennetz mit überschaubarem Fachpersonal vielleicht noch reichen. Doch wenn die Grundversorgung dauerhaft zu den Kosten von 2002 abgewickelt werden soll, wird für die große Mehrheit der Patienten mittelfristig nur noch ein mehr oder weniger automatisiertes System mit straff organisiertem Kontakt zu Fachpersonal möglich sein. Daran würde auch eine Kostenanpassung ab 2027 nichts mehr ändern. Denn die Lücke ist längst da, nur die Folgen werden erst langsam sichtbar. Darum ist der Finanzbedarf auch so erschreckend groß und so schwer vermittelbar.
Geld für persönlich zugewandte Versorgung nötig
Leider hat auch die ABDA dies in den zurückliegenden 20 Jahren nicht immer deutlich genug erklärt. Zusätzliche pharmazeutische Aufgaben für Apotheken sind großartig, aber nur wenn die Grundversorgung auskömmlich finanziert wird. In dieser Grundversorgung werden jeden Tag ganz niederschwellig und oft subtil unzählige arzneimittelbezogene Probleme verhindert oder gelöst, ohne dass dies jemals in evidenzbasierten Studien nachgewiesen wurde. Denn dies geschieht nicht in theoretischen Versuchsanordnungen, sondern im Kontakt zwischen Menschen. Der wird allerdings in unserer Gesellschaft immer seltener (siehe oben) und zählt für viele nicht mehr. Dies ist ein grundlegendes gesellschaftliches Problem, bei der Arzneimittelversorgung kann es allerdings besonders schwerwiegende Folgen haben. Diese Zusammenhänge aufzuzeigen, ist die herausragende berufspolitische Aufgabe für das neue Jahr. Wer die Arbeit in der Apotheke kennt, weiß, wie viele praktische Hürden bei der Belieferung eines Rezeptes auftreten können und was ein kurzes Gespräch bewirken kann. Doch allen anderen muss das erklärt werden, immer wieder und deutlicher als bisher. Dann sollte allen Verantwortlichen die Konsequenz bewusst werden: Diese persönlich zugewandte Arzneimittelversorgung zu sichern, erfordert langfristig viel Nachwuchs, der gut honoriert werden muss. Die Apotheken brauchen genug Geld für genug Personal. Das Geld ist dem System im Laufe von zwei Jahrzehnten verloren gegangen, aber die Weichen müssen sehr bald gestellt werden. Darum brauchen die Apotheken das Geld jetzt. Die Ursache für das Problem liegt weit in der Vergangenheit, aber es geht um die Zukunft. Dies zu vermitteln, ist das große Thema für 2024.
10 Kommentare
Haha ja macht nur...
von Carlos Leiserfluss am 02.01.2024 um 17:03 Uhr
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von Anita Peter am 02.01.2024 um 16:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: .... mal vergleichen!
von Reinhard Herzog am 02.01.2024 um 17:12 Uhr
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von Anita Peter am 02.01.2024 um 14:20 Uhr
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So wird das nichts ...
von Reinhard Herzog am 02.01.2024 um 11:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 5 Antworten
AW: So wird das nichts
von Anita Peter am 02.01.2024 um 14:23 Uhr
AW: AW: Anita Peter
von Reinhard Herzog am 02.01.2024 um 14:59 Uhr
AW: So wird das nichts
von Peter am 02.01.2024 um 14:59 Uhr
AW: @ Peter
von Reinhard Herzog am 02.01.2024 um 15:26 Uhr
AW: So wird das nichts ... mehr!
von Stefan Haydn am 02.01.2024 um 21:40 Uhr
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