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Bundesweite Ermittlungsverfahren
Haben sich Apotheken am Ladenhüter Paxlovid bereichert?
Zum heutigen 15. Januar hat Paxlovid-Hersteller Pfizer das Virostatikum auch regulär in Vertrieb gebracht – zu einem Verkaufspreis laut Lauer-Taxe von 1149,19 Euro je Packung. Zuvor soll der Bund laut Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ rund 650 Euro pro Paxlovid-Packung bezahlt haben. Doch das ist nicht die einzige Neuigkeit, die der Recherche-Verbund zutage gefördert hat: Zahlreiche Apotheker stehen im Verdacht, das zuvor vom Bund beschaffte COVID-19-Arzneimittel illegal weiterverkauft zu haben.
Bereits im Januar 2023 waren konkrete Verdachtsfälle auf illegalen Handel mit vom Bund beschafftem Paxlovid® (Nirmatrelvir / Ritonavir) bekannt geworden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erklärte, dass es „vermehrt Informationen über auffällig hohe Bestellzahlen des vom Bund zentral beschafften Arzneimittels Paxlovid® durch einzelne Apotheken sowie weiterhin direkte Anfragen zu den Möglichkeiten eines Exports durch verschiedene Marktteilnehmer erreicht haben.“ In der Folge durften Apotheken nur noch maximal 20 Packungen Paxlovid® bevorraten, Krankenhaus(versorgende)-Apotheken bis zu 50.
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Die Apotheken durften das vom Bund beschaffte Arzneimittel nur an Patient:innen mit einer ärztlichen Verordnung zulasten des Bundesamtes für Soziale Sicherung abgeben – also beispielsweise nicht an Selbstzahler mit Privatrezepten. Zum heutigen 15. Januar 2024 hat Paxlovid®-Hersteller Pfizer das Virostatikum nun auch regulär in Vertrieb gebracht – zu einem Verkaufspreis laut Lauer-Taxe von 1149,19 Euro je Packung. Zuvor soll der Bund laut Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ rund 650 Euro pro Paxlovid®-Packung bezahlt haben.
Der Preis hat in der Vergangenheit viele Apotheker:innen interessiert, hat sich Paxlovid® doch eher den Ruf eines Ladenhüters erarbeitet: Am 5. Januar berichtete die DAZ, dass beim Bund noch mehr als 400.000 Packungen Paxlovid® auf Lager seien – haltbar bis Ende Januar bzw. Ende Februar dieses Jahres.
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Bis Ende Februar dürfen die Bundesbestände jetzt noch weiter abgegeben werden. Nicht nur von Apotheken, sondern auch von Hausärztinnen und Hausärzten sowie stationären Pflegeeinrichtungen. Diese dürfen das Mittel seit 1. Januar 2024 sogar ohne Mengenbeschränkung beziehen und vorrätig halten. Der Bezug ist für sie bis zum 15. Februar 2024 möglich.
An mehr als 25 Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gegen Apotheker verschickt
Vor diesem Hintergrund dürfte die Mehrheit der Apothekenmitarbeiter:innen nun überrascht sein, dass sich mehrere Apotheken illegal an den vom Bund beschafften Paxlovid®-Packungen bereichert haben sollen. Das jedenfalls meldet heute der Rechercheverbund aus WDR, NDR und SZ (Süddeutsche Zeitung): „Der Justiziar des Gesundheitsministeriums formulierte Anzeigen gegen mehrere Apotheken mit Großbestellungen“, heißt es. Bundesweit sollen an mehr als 25 Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gegen Apotheker verschickt worden sein. In den meisten Fällen seien die Ermittlungsverfahren jedoch noch nicht abgeschlossen.
Paxlovid weiterverkauft – oder weggeworfen?
Konkret soll es in Bayern Durchsuchungen in verschiedenen Apotheken in Oberbayern, Mittelfranken, Oberfranken und in der Oberpfalz gegeben haben. In Berlin wurden sechs Apotheken durchsucht, dort wird noch im ersten Quartal dieses Jahres mit Anklagen gerechnet. „In Frankfurt am Main soll eine Apotheke in der Innenstadt fast 10.000 Packungen Paxlovid bestellt haben“, heißt es. Auch in Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft, in Darmstadt und Hannover wurden ähnliche Verfahren jedoch mangels Tatverdacht bereits eingestellt.
Anders in Baden-Baden: Dort wurde laut WDR, NDR und SZ bereits mehrere Tage vor Weihnachten Anklage gegen einen Apotheker erhoben. Dieser soll insgesamt 1393 Packungen Paxlovid® „an nicht ermittelbare Personen im Ausland“ verkauft haben. Allerdings heißt es auch im Bericht von WDR, NDR und SZ, dass die Ermittlungen insgesamt schwierig sind, weil zu klären sei, „ob die staatlich bezahlten Medikamente illegal weiterverkauft oder nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums einfach weggeworfen wurden, wie einzelne Apotheker behaupten“.
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Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss für die Grüne Bundestagsfraktion, kommentiert die Verdachtsfälle so: „Wenn sich die unzähligen Verdachtsfälle bestätigen, ist das leider ein weiteres Beispiel, wie die unbürokratischen und großzügigen Maßnahmen der Bundesregierung in den Corona-Jahren im Gesundheitswesen von zu vielen Leistungserbringern missbraucht wurden, um sich persönlich zu bereichern. Auch im Gesundheitswesen gilt leider: Vertrauen reicht nicht, Kontrolle muss sein. In diesem Gesundheitswesen muss man Betrug von vornherein unmöglich machen, darauf zu vertrauen, dass alle im Gesundheitswesen sich an die Regeln halten, führt leider immer zu Schaden für Versicherte oder Steuerzahler.“
ABDA: Apotheken nicht unter Generalverdacht stellen
*ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer erklärt zu den Vorwürfen: „Uns sind die einzelnen Verfahren nicht bekannt. Gleichwohl bieten wir natürlich den Ermittlungsbehörden unsere volle Unterstützung bei der schnellen Aufklärung dieser Vorwürfe und Verdachte an, wo auch immer dies möglich ist. Klar ist, dass der Handel oder gar Export des dem Staat gehörenden Corona-Medikaments nicht zulässig ist und bei Verstößen strafrechtlich verfolgt werden kann. Diese klare Rechtsauffassung haben wir auch regelmäßig an alle Apotheken weitergegeben.“
Zum Hintergrund erklärt er weiter, dass die Bevorratung mit dem Arzneimittel zu Beginn in den Apotheken nicht zulässig war, dann auf zwei Packungen für normale Apotheken begrenzt wurde und auf fünf Packungen für Krankenhausapotheken. Nach einer kurzen Lockerung sei seit Anfang 2023 die Bevorratung auf 20 Packungen in öffentlichen und 50 Packungen in Krankenhausapotheken begrenzt. Weiter erklärt Rohrer:
„Wir gehen davon aus, dass Straftaten nur in wenigen Einzelfällen vorgekommen sind und keineswegs alle Apotheken in Deutschland unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Nach einem abgeschlossenen Strafverfahren haben die Landesapothekerkammern auch in jedem Fall das Recht, berufsrechtliche Maßnahmen einzuleiten. Wir gehen davon aus, dass die Landesapothekerkammern die entsprechenden Ermittlungsverfahren deshalb auch genau beobachten werden.“
*Dieser Text wurde am 15. Januar 2024 um 17:30 Uhr aktualisiert.
9 Kommentare
Piechotta
von Karl Friedrich Müller am 16.01.2024 um 11:56 Uhr
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AW: Politikertochter
von Holger am 17.01.2024 um 15:05 Uhr
Verunglimpft
von Karl Friedrich Müller am 16.01.2024 um 11:38 Uhr
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Der Justiziar des BMG
von Thomas Trautmann am 15.01.2024 um 21:58 Uhr
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von Ulrich Ströh am 15.01.2024 um 21:51 Uhr
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kriminelle Energie und viele offene Fragen
von Thomas B am 15.01.2024 um 21:32 Uhr
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AW: Preisbildung
von Holger am 17.01.2024 um 15:08 Uhr
Bereicherung
von Stefan Siebert am 15.01.2024 um 14:59 Uhr
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AW: Bereicherung
von Holger am 17.01.2024 um 15:13 Uhr
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