Podiumsdiskussion

Von Führungsschwäche und mangelnder Glaubwürdigkeit

04.03.2024, 15:15 Uhr

Diskutierten über die Zukunft der Apotheken: AWA-Chefredakteur Hubert Ortner, Apotheker Fabio Nobre, Moderator Benjamin Wessinger und Rechtsanwalt Morton Douglas. (Foto: DAZ / Moritz Hahn)

Diskutierten über die Zukunft der Apotheken: AWA-Chefredakteur Hubert Ortner, Apotheker Fabio Nobre, Moderator Benjamin Wessinger und Rechtsanwalt Morton Douglas. (Foto: DAZ / Moritz Hahn)


Hat die ABDA das Verhältnis mit der Politik an die Wand gefahren? Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion beim INTERPHARM-Satelliten Apotheke & Wirtschaft geizten jedenfalls nicht mit Kritik an der apothekerlichen Standesvertretung. Der Konfrontationskurs, den die ABDA derzeit fährt, führt aus Sicht der Diskutanten in eine Sackgasse – es sei jetzt an der Zeit für einen Strategiewechsel.

Die ABDA hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das meint zumindest AWA-Chefredakteur Hubert Ortner. Bei der Podiumsdiskussion im Zuge des INTERPHARM-Satelliten Apotheke & Wirtschaft kritisierte er, dass die Standesvertretung die wirtschaftliche Lage der Branche künstlich kleinrede. In der öffentlichen Debatte rücke sie den Fokus ausschließlich auf das finanzschwächste Drittel der Betriebe, verschweige aber gern, dass es vielen Apotheken noch immer sehr gut gehe. „Da entsteht ein Zerrbild“, sagte Ortner. „Die Zahlen geben nicht her, dass die Apotheken kollektiv Not leiden.“ Die Folge sei, dass die ABDA zur Politik nicht mehr durchdringe und auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kaum noch zu Gesprächen bereit sei.

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Aus seiner Sicht ist die Zukunft der Apotheken und der Arzneimittelversorgung in Deutschland längst nicht so düster, wie die Bundesvereinigung sie skizziert. Vor dem Hintergrund, dass es hierzulande noch etwa 17.500 Offizinen gibt, sei er „nicht so sicher, ob wir tatsächlich in einen Versorgungsnotstand hineinlaufen“. Er verwies auf Berechnungen des AWA-Herausgebers Reinhard Herzog, wonach die Versorgung auch mit 13.000 Apotheken noch gewährleistet wäre. Die Forderung nach einem Inflationsausgleich sei gerechtfertigt, ein Fixum in Höhe von 12 Euro zu verlangen aber nicht.

ABDA verspielt Chancen auf Dialog

Auch Apotheker Fabio Nobre aus Bad Kreuznach ist alles andere als zufrieden damit, wie seine Standesorganisation derzeit auftritt. „Was die ABDA macht, ist schlichtweg peinlich“, fasste er zusammen. Kritisch sieht er unter anderem die Blockadehaltung der ABDA, wenn es um die Eckpunkte der Apothekenreform aus dem Bundesministerium für Gesundheit geht. „Es ist nicht alles schlecht, was von Lauterbach kommt.“ Mit ihrer Abwehrhaltung habe die ABDA sämtliche Chancen vertan, doch noch mit dem Minister in den Dialog zu kommen.

Rechtsanwalt Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen aus Freiburg bemängelte insbesondere, dass die Bundesvereinigung die wirtschaftliche Notwendigkeit speziell der Drei-Prozent-Marge nicht ausreichend erkläre. „Ich glaube, der Politik ist nicht klar, was es bedeutet, einen Arzneimittelbedarf für eine Woche vorfinanzieren zu müssen“, sagte er. „Dafür brauchen wir die Marge, denn die Apotheken müssen auch hochpreisige Arzneimittel in voller Höhe bezahlen.“ Hintergrund ist die geplante Umschichtung der Apothekenvergütung: In den Eckpunkten aus dem Hause Lauterbach ist vorgesehen, die Marge schrittweise von 3 auf 2 Prozent zu senken und die dadurch frei werdenden finanziellen Mittel für eine Erhöhung des Fixums zu verwenden. So soll das Gesamthonorar gleichmäßiger als bisher unter den Apotheken verteilt werden.

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Ortner zählt zu den Branchenkennern, die einer Umverteilung durchaus etwas Positives abgewinnen können, hält den vorgeschlagenen Weg aber nicht für zielführend. „Das ist nicht der richtige Hebel“, glaubt er. Denn so würden die Apotheken noch stärker als ohnehin schon von der Marktentwicklung entkoppelt. Nobre gab zu bedenken, dass dieses Vorhaben insbesondere große, spezialisierte Apothekengruppen treffen würde, die viele Hochpreiser abgeben. Das, erwartet er, könnte sich letztlich negativ auf die Investitionsbereitschaft der Apotheker auswirken.

Dass Lauterbach ab dem Jahr 2027 die Apothekerschaft und den GKV-Spitzenverband damit beauftragen will, die Höhe des Fixums auszuhandeln, kam in der Runde ebenfalls nicht gut an. Ortner äußerte Zweifel, ob dieser Plan für den Berufsstand tatsächlich vorteilhaft ist. „Bei ergebnisoffenen Verhandlungen kann man auch schlechter rausgehen, als man reingegangen ist“, merkte er an. Und in den vergangenen Jahren habe die Standesvertretung nicht unbedingt mit Verhandlungsgeschick geglänzt. Douglas hält von diesem Ansatz ebenfalls nichts. „Hier schiebt der Gesetzgeber die Verantwortung ab“, betonte er. „Das zeugt von Führungsschwäche.“

„Die Apotheker müssen ihre Komfortzone verlassen“

Dennoch waren sich die Diskutanten einig, dass ein pauschales Nein der ABDA zu den Eckpunkten keine gute Basis ist, um den anstehenden Gesetzgebungsprozess doch noch zugunsten der Apothekerschaft zu beeinflussen. Statt des eingeschlagenen Konfrontationskurses gelte es, mit den Ideen des Ministers zu arbeiten. Positiv sei zum Beispiel, dass er die Apotheken stärker als bisher in die Prävention von Krankheiten einbinden möchte. Der Berufsstand sei jetzt gefragt, sich für neue Konzepte zu öffnen. „Die Apotheker müssen ihre Komfortzone verlassen und sich neu erfinden“, meint Douglas. „Dann glaube ich sehr stark an die Zukunft der deutschen Apotheken.“


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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5 Kommentare

Fixum first

von Martin Straulino am 04.03.2024 um 18:51 Uhr

Fixum first! Wenn die ABDA wirklich die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken retten will, dann gibt es nur ein primäres Ziel: „Fixum first“ – zuerst muss die Vergütung angepasst werden. Alles derzeitigen Werbeaktionen (Nachwuchs, pDL) sind zum jetzigen Zeitpunkt reine Zeit- und Geldverschwendung – wenn das Fixum nach 10 Jahren Stillstand nicht bald angepasst wird, erübrigt ich der Rest. Wenn schon Geld für TV-Spots, dann mit politischem Inhalt: „KL will die Präsenzapotheke kaputtsparen und ausdünnen. Sie müssen bald weitere Wege zur nächsten Apotheke und längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Für die Rettung der Präsenzapotheke vor Ort würde ein kleines Sondervermögen von ca. 2 Mrd. pro Jahr ausreichen …. Die Ampel steht auf „Rot“ – so kann es nicht weitergehen. Für Waffen und Chipfabriken scheint genügend Geld da zu sein, aber für die sichere Arzneimittelversorgung vor Ort offensichtlich nicht …“

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Wo ist die Apotheke von Herrn Ortner?

von Armin Spychalski am 04.03.2024 um 18:40 Uhr

Nur so eine Frage. Die Kollegen des unteren Drittels verstehen meine Andeutung.

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von Anita Peter am 04.03.2024 um 18:05 Uhr

In der Sackgasse sind wir wegen 20 Jahren devoten Duckmäusertums, in denen wir jeden Nackenschlag der Politik mit einem "hätte schlimmer kommen können" weggelächelt wurde.
Und jetzt sollen wir unseren Untergang noch fröhlich mitgestalten weil uns die Politik sonst nicht mehr mag. Die oberen 5000 können es einfach nicht erwarten bis sich das Sterben weiter beschleunigt...

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ABA-Kurs

von Roland Mückschel am 04.03.2024 um 16:41 Uhr

Wenn ich unterstelle dass diese Organisation die schwachleistenden Buden weg haben will habe ich von der ABDA noch keine einzige Aktion gesehen die diesem Ziel entgegenläuft.
Die sind nicht doof, die Oberwenig nicht zu führungsschwach. In deren Sinn passt alles.
Und ich bin über Gutgläubigkeit der Kollegen mehr als erstaunt.
Dass die Besser-Apotheken diesen Weg befeuern ist klar.
Von ner Umverteilung von Grossapotheken zu flächenversorgenden Kleinapotheken ist gar nichts mehr zu hören und lesen.
Das ist oberfaul.

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Zukunft in der Sackgasse?

von Jörg Wemsewitz am 04.03.2024 um 16:13 Uhr

Ich gelte wirklich nicht als Freund der ABDA, allerdings frage ich mich, ob es einen Weg mit Lauterbach gegeben hätte, der nicht in der Sackgasse geendet hätte. Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser, alle sind auf Konfrontation. Ich glaube wir müssen durchhalten und schauen, dass wir unsere Punkte in die Wahlprogramme der Parteien und dann in den Koalitionsvertrag bekommen. Die Apotheke hat nur eine Chance ohne KL.

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