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Medizinforschungsgesetz
Kassen wehren sich gegen vertrauliche Erstattungsbeträge
Wären vertrauliche Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ein Konjunkturprogramm für Apotheken und Großhändler? Das glaubt zumindest die DAK Gesundheit. In ihrem AMNOG-Kurzreport erteilt die Kasse diesem Vorhaben aus dem Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes eine klare Absage. Die Ersatzkassen warnen zudem, dass damit auch die Importförderklausel ausgehebelt würde.
Mit dem geplanten Medizinforschungsgesetz (MFG) will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vertrauliche Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ermöglichen. Hintergrund ist eine Debatte, die seit dem Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 immer wieder aufflammt: Da Deutschland als Referenzland für Arzneimittelpreise in vielen anderen Ländern gilt, müssen die Hersteller nach eigenen Angaben die Kosten für neue Medikamente hierzulande künstlich hochhalten, um nicht in eine Abwärtsspirale zu geraten. Wären sie geheim, könnte die Pharmaindustrie ihre Produkte in Deutschland zu niedrigeren Preisen anbieten als aktuell – überprüfbar ist diese These Stand heute nicht.
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Dennoch folgt der Minister der Argumentation der Hersteller und will vertraulichen Erstattungsbeträgen die Tür öffnen. Im Referentenentwurf für das MFG ist unter anderem vorgesehen, einen neuen Absatz 1c in § 130b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu schaffen. Darin soll es heißen:
„(1c) Bei einer Vereinbarung nach Absatz 1 aufgrund des erstmaligen Inverkehrbringens eines Arzneimittels mit einem neuen Wirkstoff ist auf Verlangen des pharmazeutischen Unternehmers zu vereinbaren, dass der Erstattungsbetrag bis zum Wegfall des Unterlagenschutzes abweichend von § 131 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 nicht übermittelt wird.“
Ginge das Vorhaben wie von der Pharmaindustrie skizziert auf, wären auch die Krankenkassen Nutznießer der Neuregelung – denn sie könnten durch sinkende Erstattungsbeträge Einsparungen erzielen. Doch die Kostenträger gehen da nicht mit: Sowohl die DAK Gesundheit als auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) legen jetzt dar, weshalb vertrauliche Erstattungsbeträge mehr Probleme als Lösungen mit sich bringen würden. Zuvor hatten bereits Barmer und AOK die Pläne der Regierung kritisiert.
DAK Gesundheit: Mehr Bürokratie, weniger Transparenz
In ihrem jetzt veröffentlichten AMNOG-Kurzreport warnt die DAK Gesundheit davor, ein komplexes System noch komplexer zu machen. Geheime Arzneimittelpreise würden zu mehr Bürokratie und weniger Transparenz führen und es zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten erschweren, bei ihren Verordnungen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Für Apotheken und Pharmagroßhändler hätte ein solcher Schritt gar die Wirkung eines „Konjunkturprogramms“, wie die Kasse in einer begleitenden Pressemitteilung schreibt: Denn deren Aufschläge berechneten sich dann anhand des im Vergleich höheren Listenpreises, was letztlich steigende Honorare zur Folge hätte.
vdek fürchtet um Importförderklausel
Gegenüber den Kassen wäre übrigens der pharmazeutische Unternehmer in der Pflicht, diese „Überzahlungen“, wie die DAK Gesundheit sie nennt, auszugleichen. Unter anderem daran stößt sich wiederum der vdek: „Damit geht die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziell in Vorleistung und trägt das Inkasso-Risiko“, beklagt der Verband in einer Pressemitteilung vom heutigen Mittwoch. Zudem entfalle mit der Neuregelung praktisch auch die sogenannte Importförderklausel, die Apotheken dazu verpflichtet, preisgünstige Import-Arzneimittel abzugeben.
Auswirkung hätten vertrauliche Erstattungsbeträge auch auf das bewährte AMNOG-Verfahren. „Bislang werden die Kosten zweckmäßiger Vergleichstherapien oder vergleichbarer Arzneimittel bei der Preisvereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und einem Pharmahersteller herangezogen“, erläutert vdek-Chefin Ulrike Elsner. „Wenn für diese künftig geheime Preise gelten, fällt der sogenannte ‚Preisanker‘ höher aus, so dass die Ausgaben für neue patentgeschützte Arzneimittel im gleichen Indikationsbereich steigen – das finanzielle Nachsehen haben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler.“
DAK-Chef Storm: Vorhaben ist kontraproduktiv
„Das Versprechen auf weitere Einsparungen klingt angesichts des ungebremsten Ausgabenwachstums bei neuen Arzneimitteln verlockend, allerdings nur auf den ersten Blick“, fasst DAK-Vorstandschef Andreas Storm zusammen. „Bei genauerer Betrachtung bleiben höhere Rabatte zunächst nur ein Versprechen, welches schwer zu überprüfen sein wird. Die Aufgabe von Transparenz ohne die Möglichkeit ergänzender Steuerungsmaßnahmen erscheint bei den Herausforderungen, eine nachhaltige und leistungsfähige Arzneimittelversorgung dauerhaft sicherzustellen, kontraproduktiv.“
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