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Kammer äußert sich zur Rechtslage
Thüringer „Gesundheitsmarkt“ sorgt für Wirbel
Ein „Gesundheitsmarkt“ im Thüringischen Treffurt sorgt für Aufsehen: In den Räumen einer ehemaligen Apotheke, für die sich kein Nachfolger fand, arbeiten jetzt drei PTA. Bei ihnen gibt es freiverkäufliche Arzneimittel und sie nehmen E-Rezepte für einen Apothekenverbund in Mühlhausen an. Lokal- und Landespolitiker*innen sind begeistert – die Landesapothekerkammer Thüringen hält das Konzept hingegen für irreführend und unzulässig.
Es ist eine bittere Tatsache: Immer mehr Apotheken schließen, weil sich keine Nachfolger*innen finden, die das wirtschaftliche Risiko auf sich nehmen wollen. So ging es auch einer Apothekerin im thüringischen 6000-Einwohner-Ort Treffurt. Für die dortige Pilgrim-Apotheke war Ende Februar dieses Jahres nach über 30 Jahren Schluss. Bürgermeister Michael Reinz (parteilos) konnte das nicht gefallen. Umso mehr freute er sich, dass der Mühlhauser Apotheker Christoph Zähle eine „Lösung“ bot. Dieser übernahm die Geschäftsräume zwar nicht als Filiale. Aber er eröffnete einen sogenannten Gesundheitsmarkt, in dem es freiverkäufliche Arzneimittel gibt – und die Möglichkeit E-Rezepte einzulösen. Drei PTA beschäftigt er, denn an approbiertem Personal mangelt es in Thüringen.
Am 2. April war die große Eröffnung. Unter anderem berichtete der MDR über den neuen „Gesundheitsmarkt“. Der Bürgermeister kam mit Topfpflanze als Geschenk in das neue Geschäft. Auch Katja Böhler (SPD), die für den Landtag im Wartburgkreis III kandidiert und zugleich Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium ist, ließ sich blicken. Beide zeigten sich begeistert über die Initiative des Apothekers. Insbesondere in Thüringen hat sich die Landespolitik schon einiges einfallen lassen, um die Apotheken-Versorgung im ländlichen Bereich zu sichern.
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Von außen sieht der Gesundheitsmarkt nach wie vor aus wie eine Apotheke und auch innen gibt es noch HV-Tische. Sogar (E-)Rezepte werden angenommen. Die Rezepte werden weitergeleitet an die Apotheken des Mühlhauser Apothekers. Dieser erklärte gegenüber dem MDR, dass er das neue Angebot als eine Kombination von E-Rezeptsammelstelle und Gesundheitsmarkt versteht – schließlich ergäben klassische Rezeptsammelstellen in Zeiten elektronischer Verordnungen keinen Sinn mehr. Er hat aber auch die Idee noch nicht aufgegeben, dass aus dem Gesundheitsmarkt wieder eine richtige Apotheke entstehen könnte.
Zähle selbst hat offensichtlich keine Bedenken, was die Zulässigkeit seines Geschäftskonzepts betrifft. Im MDR sagte er, er kenne in Thüringen noch zwei weitere Gesundheitsmärkte mit ähnlichem Konzept.
Die Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) machte allerdings am vergangenen Freitag in einer Sonderinformation an ihre Mitglieder deutlich, dass sie sehr wenig von diesem Treffurter Vorstoß hält. Ihr gefällt schon nicht, dass Journalistinnen und Journalisten über die Eröffnung des Gesundheitsmarktes berichteten, ohne die Kammer um ihre rechtliche Einschätzung gebeten zu haben. Dafür gab es offenbar einigen Unmut in der Kollegenschaft – und so legt die LAKT nun also ihre Auffassung dar. Grundtenor der vierseitigen Information samt Kommentar: Das Konstrukt wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.
„Die Politik will es offensichtlich auch in Thüringen ermöglichen, dass die Arzneimittelversorgung in Scheinapotheken und ohne Präsenz von Apothekerinnen bzw. Apothekern stattfinden kann. Dem werden wir uns weiterhin mit aller Kraft entgegenstellen! Die pharmazeutische Expertise der approbierten Apothekerinnen und Apotheker ist durch keine andere Berufsgruppe zu ersetzen. Und nach wie vor fehlt es auch an einer sofort greifenden Anpassung der Vergütung.“
Die Kammer stellt erst einmal klar, was der Gesundheitsmarkt nicht ist: Er ist keine Apotheke, eine Betriebserlaubnis wurde nicht erteilt. Dass die nach wie vor wie eine Apotheke anmutenden Räume als Einzelhandelsgeschäft genutzt würden, erwecke aber den problematischen Eindruck, als handele es sich um eine Apotheke. Irreführend sei auch, dass die Bezeichnung „Gesundheitsmarkt“ mit der Arzneimittelabgabe in Verbindung gebracht werde. Eine Zweigapotheke könne ein solcher Gesundheitsmarkt ebenfalls nicht sein, ebenso wenig handele es sich um eine genehmigte Rezeptsammelstelle. Die Versorgung mit apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erfolge offenbar über eine Versandhandelserlaubnis.
„Neben den Plänen für Scheinapotheken im Bund haben wir jetzt in Thüringen einen Einkaufsmarkt mit einem Apotheken-A. Diese Einrichtung soll ohne Approbierte, ohne Labor/Rezeptur und ohne Nacht- und Notdienst auskommen – und diese massive Schwächung der Arzneimittelversorgung wird auch noch als Angebot für die Patientinnen und Patienten kommuniziert. Einer Schwächung der Qualität der Arzneimittelversorgung werden wir uns mit allen Kräften entgegenstellen!“
Für die LAKT erschließt sich aktuell nicht, „auf welcher rechtlichen Grundlage dieses Konzept, ohne eklatante und schwerwiegende Verstöße gegen apothekenrechtliche Vorschriften betrieben werden kann.“ Die zuständige Behörde, das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV), habe auf Nachfrage der Kammer erklärt, dass nur freiverkäufliche Arzneimittel von den PTA abgegeben würden. Das darf der Einzelhandel schließlich auch. Das befriedigt die LAKT nicht: „Aus unserer Sicht muss daher durch die zuständige Behörde laufend überprüft werden, ob tatsächlich keine verschreibungspflichtigen oder apothekenpflichtigen Arzneimittel abgegeben werden.
Kurzum: Aus Kammersicht handelt es sich um ein Einzelhandelsgeschäft mit einigen rechtlichen Tücken. Was die Kombination mit den Möglichkeiten des Arzneimittelversands betrifft, so räumt allerdings auch die LAKT ein, dass sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sogar in Supermärkten Rezeptsammelstellen erlaubt sind, akzeptieren müsse.
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Die Kammer selbst prüft berufsrechtliche Schritte – unter anderem wegen des Apotheken-Eindrucks des Gesundheitsmarktes. Aber auch sonst wird sie das Konstrukt im Auge behalten und die Behörden bitten, das konkrete Angebot zu überprüfen. LAKT-Geschäftsführer Danny Neidel verspricht in seinem Kommentar: Gegen die politische Förderung einer niedrigen Versorgungsqualität, die die wirtschaftlich stark beanspruchten Vollapotheken zusätzlich unter Druck setze, werde sich die Kammer im Sinne ihrer Mitglieder und der Patientinnen und Patienten wehren.
4 Kommentare
Wieso nicht?
von Heidi.Hoh am 09.04.2024 um 14:17 Uhr
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AW: Wieso nicht
von T Kerlag am 10.04.2024 um 23:23 Uhr
Bedenklich
von Karl Friedrich Müller am 08.04.2024 um 13:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Was lernen wir daraus?
von Dr. House am 08.04.2024 um 12:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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