Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

28.04.2024, 07:30 Uhr

Sieht nicht gut aus für Deutschlands Apotheken... es gibt nur noch 17500, Tendenz weiter fallend. (Foto: Alex Schelbert)

Sieht nicht gut aus für Deutschlands Apotheken... es gibt nur noch 17500, Tendenz weiter fallend. (Foto: Alex Schelbert)


Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker tragen rot vor Wut oder sehen schwarz für die Zukunft, je nach Gemütslage. Es gibt nur noch knapp 17500 Apotheken. Die auf dem Wirtschaftsforum präsentierten Zahlen zeigen: Den Apotheken geht es schlecht: Trotz mehr Umsatz weniger Gewinn – unterm Strich bleib immer weniger hängen. Und Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Großhandlungen reagieren aufs BGH-Urteil: Schluss mit Skonti auf Rx-Arzneimittel. Und nun? Die Apothekers werden die roten Shirts nicht mehr ausziehen. Lauterbach will bei seiner knallharten Reform bleiben: Apos mit PTAs und Honorarumverteilung. Zwei Studien warnen vor solchen Maßnahmen, ob sie Lauterbach beeindrucken? Sein größter Erfolg bisher: Der Cannabiskonsum steigt und steigt. Bester Medizinalcannabis auf Privatrezept von Teleärzten. Die Cannabinisierung des Landes macht Fortschritte. 

22. April 2024

Cannabis auf ganz normalem Rezept, Kasse oder Privat – Lauterbachs Medizinal-Caanabisgesetz  hat es möglich gemacht. Man musste kein Prophet sein, um vorherzusagen, was nun geschieht: Wer als Cannabiskonsument Wert auf gute geprüfte (Medizinal-)Cannabisware für Konsumzwecke legt, lässt sich die Cannabisblüten online auf Privatrezept verordnen und kauft sie sich mit diesem „Bezugsschein“ in Apotheken. Ist vielleicht einen Tick teurer als auf den Schwarzmarkt im Bahnhofsviertel und so manchen Parks, aber man weiß, was man hat. Viele Apotheken können davon ein Lied singen: Seit der Legalisierung von Genusscannabis für Erwachsene blüht das Geschäft mit Cannabis-Privatverordnungen für Selbstzahler. Für Cannabis auf Kassenrezept gibt’s allerdings noch die eine oder andere Hürde, z. B. den Besuch einer ärztlichen Praxis. Diese Mühe kann der Konsument umgehen, wenn er sich auf eine der einschlägigen Internet-Plattformen begibt, z. B. auf Telecan (nomen est omen, hier gibt’s Tele-Cannabis). 49 Euro kostet ein kurzes (10 min) ärztliches Erstgespräch inkl. Rezept, das dann an  den Konsumenten oder gleich an seine gewünschte Apotheke verschickt wird. Dort kann er seine Drogen abholen oder: „Ausgewählte Apotheken versenden Ihre Medikation auch per Post“, heißt es bei Telecan, die Plattform, die zum Unternehmen Cantourage gehört, das sich auf den Vertrieb von Cannabis spezialisiert hat (samt Merchandise-Shop mit Hoodies und T-Shirts). Mein liebes Tagebuch, jetzt geht’s also richtig los, mit der Drogenverbreitung: die Cannabinisierung unserer Republik beginnt dank Lauterbach und der Ampel. Auf Cannabis spezialisierte Versand-Apotheken melden einen enormen Umsatzzuwachs, zum Teil sind sie mit der hohen Nachfrage überfordert. Und schon gibt es sogar eine Art von Discount-Teleärzten, z. B. bei der Plattform DrAnsay, die mit Cannabis-Rezepten für nur 4,20 Euro wirbt – für jede Erkrankung. Cannabis bekommt man dort auch bei Scheidenpilz, vorzeitigem Samenerguss und COPD verordnet. Cool, oder? Auch andere Plattformen bieten ihre Dienste, bei Canngo z. B. wird Medizinalcannabis gerne bei Rückenschmerzen, Stress, Migräne und Schlafstörungen verordnet. Den Privat-Rezepten sieht man natürlich nicht an, welche „Indikationen“ dahinterstecken. Und wie reagiert die Apotheke, wenn so ein Rezept vorgelegt wird? Sie beliefert und macht damit prinzipiell nichts falsch, denn ärztliche Therapieentscheidungen sind zu akzeptieren. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch muss die Apotheke die Abgabe eines Arzneimittels allerdings verweigern. Andererseits, die Apotheke kann wohl kaum beurteilen, ob Patient oder Arzt sich möglicherweise strafbar gemacht haben. Letztlich bleibt nichts anderes übrig: Die Apotheke muss im Einzelfall selbst prüfen und entscheiden, wie sie mit fragwürdigen Privatrezepten umgeht. Laut „BILD“ gibt es einige Apotheken, „die kein Cannabis herausrücken“. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt dazu auf Nachfrage der DAZ, dass das BMG weder die Möglichkeit noch die Berechtigung habe, Angebote ärztlicher Personen im Einzelfall zu überwachen oder zu überprüfen und verweist auf die zuständigen (Landes-)Aufsichtsbehörden. Mein liebes Tagebuch, der Cannabis-Konsum auf Rezept treibt seine Blüten – gut möglich, dass bald Gerichte bemüht werden. Oder der Spuk lässt nach, wenn Lauterbachs Cannabisvereine den Genuss-Cannabisvertrieb in die Hand nehmen.

 

DocMorris bietet ihn bereits an, CardLink, den vierten Einlöseweg fürs E-Rezept (auch wenn es laut Kommentaren in den sozialen Medien noch klemmt und recht holprig zugeht). BMG und Gematik haben es möglich gemacht, dass der Arzneimittelversender hier die Nase vorn hat. Und nun hat auch der DocMorris-Konkurrent Redcare Pharmacy die Zulassung für das CardLink-Verfahren erhalten; ab Mai soll es bei diesem Versender möglich sein, über diesen Weg Rx-Rezepte einzulösen (wenn denn die Technik mitspielt). Die Gematik hat dem Versender ihren Segen gegeben und die Zulassung erteilt. Ja, mein liebes Tagebuch, für diese Versandhäuser ist es ein Segen. Olaf Heinrich, Chef von Redcare spricht sogar von einem Meilenstein für das Unternehmen: Alle Vorteile, die das digitalisierte Rezept mit sich bringt, kämen so den Patientinnen und Patienten zugute. Ja, man verspricht sich davon enorme Wachstumschancen. Bis die Vor-Ort-Apotheken CardLink einsetzen können, wird es allerdings noch ein wenig dauern, die Plattformen und die standeseigene Digitalgesellschaft Gedisa arbeiten mit Kraftanstrengungen dran. Aber mal rumgehört und nachgefragt: Wollen die Präsenzapotheken CardLink überhaupt anbieten, brauchen sie CardLink als vierten Einlöseweg? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Immerhin, CardLink verursacht Zusatzkosten: Es ist von einer Einstiegsgebühr die Rede, außerdem fallen monatliche Kosten von rund 100 Euro an. Laut einer DAZ-Umfrage will die Mehrheit (74%) derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen haben, CardLink zur Verfügung stellen. 17 Prozent der Teilnehmenden war noch unentschlossen, sie wollen erst mal abwarten, wie es läuft. Mein liebes Tagebuch, CardLink ist kein Muss, die Frage wird sein, ob man es sich leisten kann, nicht mitzumachen. Immerhin, CardLink ist nicht das Ende, es wird nur eine Übergangslösung sein. Experten sehen die Zukunft in der TI 2.0, die dann ohne die Hardware wie Kartenterminals und Konnektoren, sondern mit „digitalen Identitäten“ funktioniert.

 

Die Landapotheke – was schwingt bei diesem Begriff alles mit! Natürlich der nette Landarzt, die gemütliche Landapotheke in naturnaher Umgebung, in der es ganz persönlich und familiär zugeht. Aber mal weg von Klischees, selbstverständlich wird auch die Unverzichtbarkeit der Landapotheke herausgestellt: Landapotheken sind wichtig für die Versorgungssicherheit, für die flächendeckende Versorgung, heißt es immer. Auch bei Lauterbach. Und deshalb möchte er sie stärken. Mythos Landapotheke – Politik und ABDA argumentieren gerne mit dem Begriff der Landapotheke und ihrer Unverzichtbarkeit. Aber was ist dran an diesem Mythos? Gibt es schon Versorgungslücken auf dem Land, wo werden Apotheken geschlossen? Sind Landapotheken stärker von einer Schließung bedroht als andere? Die DAZ hat sich einige Untersuchungen zu Landapotheken angesehen, Fazit: Man muss hier sehr differenziert hinsehen. Und Vorsicht vor Fehlschlüssen! Die DAZ hat über die Anforderungen mit Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, gesprochen: Er versorgt zwei Landapotheken mit sehr großem ländlichen Einzugsgebiet. Nach seiner Einschätzung sind die Landapotheken nicht in einer besseren Position. Und das E-Rezept treffe gerade in jüngster Zeit die Landapotheken sehr – die Übermittlung der E-Rezepte per Gesundheitskarte oder Gematik-App lasse zu wünschen übrig. Er vermisst das nötige Bewusstsein in der Berufspolitik, was Christiansen so zusammenfasst: „Landapotheken finden bei der ABDA nicht statt.“ Was er auch sagt: Lieber eine Apo­theke mit weniger Notdiensten als gar keine Apotheke. DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn kommt in seinem Beitrag über Landapotheken zu dem Schluss, dass die bisher bekannten Eckpunkte zur geplanten Apothekenreform keine wesentliche Entlastung erkennen lassen: „Eine wirksame Unterstützung für die Apotheken bleibt damit überfällig – in der Stadt und auf dem Land."

 

23. April 2024

Gleich mit zwei Gutachten versucht sich die ABDA gegen Pläne Lauterbachs zu wehren, Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker zuzulassen und das Apothekenhonorar umzuverteilen. Die Gutachter, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio und der Gießener Volkswirtschaftsprofessor Dr. Georg Götz zeigten, dass Lauterbach mit diesen Vorhaben seine Ziele nicht erreichen wird. Eine Versorgung über Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker würde laut Di Fabio sogar einen Grundrechtseingriff darstellen.  Der ehemalige Bundesverfassungsrichter rät Lauterbach „vorsichtig zu sein und nicht die einfachen Wege zu gehen“. Der Gesetzgeber habe zwar die Möglichkeit das Leitbild des Berufsstands zu verändern, er könne die Präsenz von Apothekerinnen und Apothekern ausdünnen, aber dafür bräuchte er legitime Gründe, die durch die Sorge um das Gemeinwohl gegeben sein können. Aber es wäre natürlich ein „intensiver Eingriff“, weil „am Ende des Tages nichts mehr vom Präsenzapotheker übrig bleibt“, so Di Fabio. Die Frage sei auch, ob so ein Eingriff verhältnismäßig und überhaupt erforderlich sei. Hinzukommt: Wer eine Apotheke ohne Approbierte betreibe, der habe einen Wettbewerbsvorteil. Und letztendlich habe der Staat eine „Schutzpflicht“. Er müsse für eine „funktionierende gesundheitliche Infrastruktur“ sorgen und dazu gehöre eben die Gesamtkontrolle des Arzneimittelmarktes. Und die Gesellschaft braucht in Zukunft mehr persönliche Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker, nicht weniger. Mein liebes Tagebuch, die Argumente sind gut nachvollziehbar. Die Frage ist, ob sich Lauterbach davon beeindrucken lässt.

 

Auch für Lauterbachs Plan, das Apothekenhonorar umzuverteilen, gab die ABDA ein Gutachten beim Volkswirt Professor Georg Götz, Gießen, in Auftrag. Lauterbach hat in seinem Eckpunktepapier für eine Apothekenreform den Vorschlag gemacht, den Apotheken nicht mehr Honorar zu geben, sondern das derzeitige Apothekenhonorar umzuverteilen: Die 3-Prozent-Marge soll schrittweise auf 2 Prozent gesenkt werden und die frei werdenden finanziellen Mittel könnten dann für eine Erhöhung des Fixums verwendet werden. Der Effekt: Größeren Apotheken, die viele Hochpreiser abgeben, wird etwas genommen, und kleineren Apotheken mit einer Erhöhung des Fixums wird etwas gegeben. Bringt dies überhaupt was und wird dadurch das Apothekensterben gebremst? Das Ergebnis: Die Umverteilungseffekte wären marginal und in keiner Weise geeignet, Betriebe in Existenznot zu retten. Volkswirt Götz macht einen anderen Vorschlag: Sein Zauberwort heißt Mengenstaffel. Apotheken wird bis zu einer definierten Abgabemenge ein höheres Fixum gezahlt (10,92 Euro), für jede darüber hinausgehende Packung ein niedrigeres, aber noch kostendeckendes Fixum (7,49 Euro). Allerdings wäre es für die Umsetzung eines solchen Vorschlags nötig, die Gleichpreisigkeit für Arzneimittel zu opfern. Mein liebes Tagebuch, der Wettbewerb der Alternativvorschläge für unser Apothekenhonorar ist eröffnet.

 

Einlösen von E-Rezepten, da geht noch mehr. Ein „fünfter“ Weg ist in Vorbereitung: die Kassen-App. Die Kassen wollen sich das nicht nehmen lassen. Also, E-Rezepte einzulösen soll auch über die App einer Krankenkasse möglich sein, es ist die App, mit der die Kassen die elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung stellen. Mit dem Digitalgesetz wurde die gesetzliche Grundlage dafür gelegt, dass Krankenkassen diese E-Rezept-Funktion anbieten dürfen. Laut Nachfrage der DAZ bei verschiedenen Kassen kommt die E-Funktion in der Kassen-App wohl im zweiten Quartal. Die Vorbereitungen dazu laufen. Ob die E-Funktion der Kassen-App dann besser angenommen wird als die Gematik-App, wird auch davon abhängen, ob sie einfacher zu bedienen ist. Einen Vorteil dürfte die Kassen-App mitbringen: Viele Versicherte nutzen diese Apps bereits und haben die Prozedur der Authentifizierung durchgemacht. Und die Verbindung zur ePA, in der die E-Rezepte dann abgelegt werden können, lässt sich wohl einfacher gestalten.

 

Der Verein „Freie Apothekerschaft“ hat die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil die Regierung ihrer Pflicht zur Anpassung der Apothekenhonorare nicht nachgekommen ist; das Recht der Apotheken auf eine regelmäßige Überprüfung auf eine Anpassung des Honorars sei dadurch verletzt worden. Die Freie Apothekerschaft hat auf einer Pressekonferenz ihre Beweggründe und die Zielsetzungen der aktuellen Klage dargelegt. Mein liebes Tagebuch, das ist ein Zeichen – auch wenn sicher kein schnelles Urteil zu erwarten ist. So eine Klage kann kostspielig sein und lange dauern. Rechtsanwalt Fiete Kalscheuer geht von einer Prozessdauer von mindestens zwei bis drei Jahren, im schlimmsten Fall von bis zu zehn Jahren aus. Die Klage wird, so betonte der Schatzmeister des Vereins, Reinhard Rokitta, ausschließlich mit den Beiträgen des  Vereins finanziert (der Verein habe mittlerweile rund 900 Mitglieder). Mein liebes Tagebuch, vielleicht wissen wir ja dann eines Tages, dass das Apothekenhonorar regelmäßig überprüft und angepasst werden muss. Und bis dahin sind viele weitere Apotheken geschlossen und Karl Lauterbach wird sich mit einem Urteil dazu vermutlich nicht mehr auseinandersetzen müssen. Die Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, Daniela Hänel, ließ am Ende der Presskonferenz wissen, dass sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum Rücktritt aufgefordert habe.

 

Die amtlichen Zahlen für das erste Quartal 2024: Es gibt 142 Apotheken weniger als am Jahresende 2023. Das ist ein stärkerer Rückgang der Apothekenzahl als im ersten Quartal 2023. Ende März gab es in Deutschland laut ABDA demnach nur noch 17429 Apotheken – ein trauriger Rekord. Mein liebes Tagebuch, es erfordert keine großen Rechenkünste: Sollte das Apothekensterben in dieser Form weitergehen, werden wir Ende dieses Jahres rund 600 Apotheken weniger haben und in Deutschland unter 17.000 Apotheken. Und wieder sagen alle Berufspolitiker: Diese Abwärtstrend müssen wir dringend stoppen.“ Fragt sich, nur wie. Mit der ABDA-Kampagne „Wir sehen rot“ und der Internetseite „apoliebe.de“ (nice to have, but not enough) werden wir das nicht schaffen.

 

24. April 2024

Eigentlich hätten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am diesjährigen Wirtschaftsforum in Potsdam rote oder schwarze Shirts tragen müssen, je nach Gemütslage. Denn nach den dort verkündeten betriebswirtschaftlichen Zahlen für Deutschlands Apotheken sieht man als Apothekerin, als Apotheker rot (vor Wut) oder schwarz (für die Zukunft). Mit anderen Worten: Die Apotheken erwirtschafteten 2023 zwar mehr Umsatz (eine durchschnittliche Apotheke lag bei 3,4 Mio. Euro netto), unterm Strich blieb aber nicht mehr hängen – das steuerliche betriebswirtschaftliche Ergebnis sank mit 4,3 Prozent des Umsatzes auf ein langjähriges Tief. Das heißt in Zahlen: Einer Inhaberin oder einem Inhaber einer Apotheke blieb im Durchschnitt ein Betriebsergebnis von 148.000 Euro (2022 waren es noch 160.000 Euro) und davon gehen noch Steuern, Altersvorsorge, Krankenkassenbeitrag und Rücklagen für Investitionen ab. Mein liebes Tagebuch, das ist wirklich nicht viel, wenn man bedenkt, dass man mehr als eine 40 Stundenwoche hat, die finanzielle und personelle Verantwortung trägt. Aber noch bemerkenswerter wäre der Hinweis darauf, dass auf diese 148.000 Euro bei weitem nicht alle Apotheken kommen. Zwei von drei Apotheken erreichen nicht den Umsatz der Durchschnittsapotheke. Und ein Drittel der Inhaberinnen und Inhaber lag mit ihrem Betriebsergebnis sogar unter der Vergütung von angestellten Krankenhausapothekern ohne Leitungsverantwortung und diese Vergütung liegt bei 75.000 Euro brutto. Eine Besserung ist nicht in Sicht, war von der ABDA zu hören, im Gegenteil: Wie Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, sagte, wird das Betriebsergebnis der sogenannten durchschnittlichen Apotheke am Ende des Jahres verglichen mit 2023 voraussichtlich um 15.000 Euro fallen und nur noch bei 135.000 Euro liegen. Mein liebes Tagebuch, das sind Zahlen für die durchschnittliche Apotheke, d.h., es gibt Apotheken, die (weit) unter dem Durchschnitt liegen – kein Wunder wenn das Apothekensterben weiter geht. Der aktuelle Tiefstand der Apothekenzahl in Deutschland liegt derzeit bei 17.429 Apotheken. Und man kann es nicht oft genug sagen: Die Apotheken sind nicht die Kostentreiber im Gesundheitswesen. Ihr Anteil an den GKV-Ausgaben lag 2023 nur noch bei 5,74 Mrd. Euro (2022: 5,75 Mrd. Euro), das sind nur noch 1,9 Prozent der Gesamtausgaben von 306,4 Mrd. Euro. Wie reagiert Lauterbach auf diese Zahlen? Gar nicht. Mit seiner Politik nimmt er in Kauf, dass sich die Apothekenschließungen fortsetzen.

 

Die FDP in Thüringen hat bereits einen konkreten Vorschlag gemacht, wie sie sich finanzielle Hilfe und Unterstützung für die Apotheken vorstellen kann. Die CSU zieht nun nach. Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hält nichts von den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministerium für eine Apothekenreform. In Lauterbachs Plänen sieht sie eine weitere Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung. Eine „Video-Apotheke“ ohne Fachpersonal vor Ort sehe sie sogar als eine Gefahr für die Versorgung. Sie will sich dafür einsetzen, dass der Apothekenabschlag von derzeit 2 Euro rückgängig gemacht wird auf 1,77 Euro. Außerdem müssten die Festzuschläge erhöht werden, so Gerlach, wobei sie allerdings offen lässt, in welcher Höhe. Außerdem stellt das Bayerische Gesundheitsministerium 700.000 Euro für eine Studie zu innovativen Ansätzen der Apothekenversorgung zur Verfügung. Und für den Bayerischen Apothekerverband (BAV) seien 100.000 Euro bereitgestellt worden, um eine Nachwuchskampagne zu starten. Mein liebes Tagebuch, die geplante Studie mag spannend sein, ein Hilfe für die Apotheken ist sie akut nicht. Und das Startkapital für die Nachwuchskampagne mag zwar auch löblich sein, immerhin ein Anfang, aber jetzt kommt’s drauf an, was der BAV draus macht.

 

25. April 2024

Wenn man im Internet, z. B. auf dem Amazon-Marktplatz, OTC-Arzneimittel bestellt, gibt man dann sensible „Gesundheitsdaten“ preis? Müssen Versandapotheken, die auf dem Amazon-Marktplatz tätig sind, eine Einwilligung von den Kunden zur Verarbeitung ihrer Daten einholen?  Mit diesen Fragen und auch damit, ob bei einem Verkauf von OTC-Arzneimittel im Internet die Daten nach der Datenschutzverordnung behandelt werden müssen, befasst sich der Europäische Gerichtshof. Sicher, aus den bestellten Arzneimitteln lassen sich bestimmte Informationen und Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand ableiten. Allerdings, die Rückschlüsse können nur hypothetisch und ungenau sein: OTC-Arzneimittel können z. B. auf Vorrat oder für eine andere Person gekauft werden. Der Generalbundesanwalt Maciej Szpunar vom EuGH kommt daher zu der Auffassung, dass „die Daten der Kunden eines Apothekers, die bei der Bestellung von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf einer Online-Verkaufsplattform übermittelt werden, keine ‚Gesundheitsdaten‘ im Sinne von Art. 4 Nr. 15 und Art. 9 DSGVO darstellen“. Das würde bedeuten, dass Apotheken, die OTC-Arzneimittel im Netz verkaufen, von den Kunden keine Einwilligung zur Verarbeitung der Daten einholen müssen. Jetzt ist der EuGH am Zug und dann hat noch der Bundesgerichtshof das letzte Wort. Wird sich wohl alles noch ein wenig hinziehen, bis das endgültig geklärt ist.

 

26. April 2024

Lieferengpässe – sie belasten auch weiterhin die Lage der Arzneimittelversorgung, vor allem von Kindern und Jugendlichen. Das Lieferengpassgesetz von Lauterbach hat, wie vorhergesehen, nicht wirklich eine entscheidende Verbesserung gebracht. Den Ländern Bayern und Baden-Württemberg ist es ein Anliegen, hier endlich für eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung zu sorgen. Sie haben einen Antrag mit dem Titel „Verbesserung der Arzneimittelversorgung“ in den Bundesrat eingebracht. Nordrhein-Westfalen hat sich mittlerweile ebenfalls dieser Initiative angeschlossen. Der Antrag fordert u. a., den Sachverstand in Apotheken besser zu nutzen. Apotheken müsse mehr Spielraum beim Austausch nicht verfügbarer Arzneimittel eingeräumt werden. Außerdem sollten Paracetamol- und Ibuprofen-haltige Arzneimittel in für Kinder geeigneten Darreichungsformen auf Grundlage einer Standardzulassung von der Pflicht zur Zulassung freigestellt werden. Und öffentliche Apotheken sollten sich mit einzelimportierten Arzneimitteln für den Bedarf einer Woche bevorraten dürfen. Mein liebes Tagebuch, diese und weitere Forderungen der Bundesländer sind so vernünftig wie wichtig. Das sieht auch das Plenum des Bundesrats. Nach der Beratung des Antrags im Gesundheitsausschuss und ein paar Nachbesserungen hat das Bundesratsplenum diese Entschließung angenommen und der Bundesregierung zugeleitet. Und nun? Ob sie sich mit den Länderforderungen (es sind Empfehlungen) befasst und wann, ist Sache der Bundesregierung. Man kann nur hoffen, dass hier kein Starrsinn waltet.

 

Das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) schwebt über den Apotheken: Skonti auf Rx-Arzneimittel sind laut Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nur im Rahmen des 3,15-prozentigen Großhandelszuschlags zulässig. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind also künftig keine Einkaufsvergünstigungen über den 3,15-prozentigen Großhandelszuschlag hinaus mehr möglich. Einfaches Rechenbeispiel: Eine Durchschnittsapotheke mit 3,2 Millionen Euro Umsatz, 2,53 Millionen Euro Wareneinsatz und 83 Prozent Anteil von Rx-Arzneimitteln, gibt für Rx-Arzneimittel 2,1 Millionen Euro im Einkauf aus. Jeder verlorene Prozentpunkt Marge darauf kostet dieser Apotheke somit 21.000 Euro Betriebsergebnis. Je nachdem, wie viel Prozent die Großhandels-Konditionen über der 3,15-Prozent-Grenze liegen, werden die Apotheken von diesem Urteil unterschiedlich hart betroffen. Bisher war es noch ruhig auf dem Markt, Reaktionen des Großhandels ließen auf sich warten. Aber nachdem der BGH Anfang April die Begründung für sein Urteil veröffentlicht hat, treffen nun die Großhandels-Infos in den Apotheken ein: In Kürze, Juni, ist Schluss mit den Skonti auf Rx-Arzneimittel. Und dann? Gute Frage, mein liebes Tagebuch, Kompensationsmöglichkeiten für die nicht mehr gewährten Skonti gibt es so erstmal nicht, man wird mit seinem Großhändler reden müssen, ob er anderweitig entgegenkommen kann – es gäbe da ja noch den Handelsspannenausgleich und so ein paar Zusatzkosten des Großhandels, über die man sich mal austauschen kann. Wobei dies wohl alles kein richtiger Ausgleich ist. Also, es muss darauf hinauslaufen, dass die Politik hier reagiert. Denn letztlich muss die Apotheke von der Arzneimittelpreisverordnung leben können und darf nicht von Skonti abhängen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) fordert die Politik zum Handeln auf. So könnte z. B. die Arzneimittelpreisverordnung rasch geändert werden und Skonti ausdrücklich zulassen. Natürlich könnte auch als Nothilfe der Kassenabschlag gesenkt werden. Letztlich müsse natürlich das Apothekenhonorar dynamisch angehoben werden. In dieser Woche hat der Gesundheitsausschuss des Bundestags das Skonto-Urteil thematisiert. Die Regierung sieht zwar Anpassungsbedarf, immerhin, aber Konkretes dazu gibt es noch nicht. Auf Nachfrage der DAZ teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, man prüfe den „gesetzlichen Anpassungsbedarf, um nachteilige Folgen aus dem Urteil zu vermeiden“. Mein liebes Tagebuch, man kann nur hoffen, dass das Prüfen rasch abläuft und das Ergebnis der Prüfung auf eine Änderung der AMpreisV hinausläuft. Viele Apotheken können nicht mehr warten: Wenn mit dem Skonti-Urteil weitere Einkaufsvorteile wegfallen, geht das Licht in manchen Apotheken ganz schnell aus.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Heuchelei

von Reinhard Rodiger am 28.04.2024 um 14:38 Uhr

Es ist unredlich , eingebaute Finanzierungsmittel so schrittweise zu entziehen.Genauso unredlich war die Schaffung.Denn , was hat kaufmännische Freiheit mit Honorar zu tun. Genau diese Freiheit ist die Grundlage. Es ist heuchlerisch , dies bei Entzug nicht mehr als Teil der Existenz zu betrachten. Das ist schwer, wenn das Gebäude auf Unehrlichkeit basiert.
Diese Unehrlichkeit findet eine Fortsetzung im SVR-Gutachten.
Es zeigt , dass Apotheken kein integraler Bestandteil des Gesundheitssystems sind. Deshalb wird an den Finanzmitteln beliebig gezehrt , ohne Risiken durch gewolltes Verschwinden zu bedenken. Weder gesellschaftlicher Nutzen noch bessere Ressourcenverwendung sind im Focus.Stattdessen wird durch kalten Entzug Deprofessionalisierung betrieben.

Auf allen politischen Ebenen , bis hin zur Diskursvermeidung.
Wie soll ein Bild nachvollziehbaren Nutzens entstehen,
wenn Apotheken nicht mal des Berichts zum Gesundheitswesen detailliert berücksichtigt werden.Was man nicht sehen will , wird nicht berücksichtigt. Ein gesellschaftlicher Skandal

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Apothekenreform

von Karl Friedrich Müller am 28.04.2024 um 14:33 Uhr

Mit der „Apothekenreform“, auf die mit ablehnenden Kommentaren seitens der Politik zur Erhöhung des Honorars hingewiesen wird, ist natürlich (!) keine Verbesserung der Situation der Apotheken verbunden.
Das ist eine scheinheilige Nebelkerze, die von der Politik oft benutzt, um mit positiven Umschreibungen die negative Wirklichkeit zu verschleiern. Der oberflächliche Beobachter soll denken, dass sich alles zum Guten wendet. Man könnte auch von dreisten Lügen sprechen.
- Die Apotheke „light“, also ohne studierten(!) Apotheker, mit PTA als „Leitung“ wird der Beruf, die Verantwortung herabgestuft, als unwichtig betrachtet. Der Apotheker soll langfristig überflüssig werden. Ich vermute mal, der zweite Grund hier: er wird als zu teuer betrachtet. Der Trugschluss: Warum sollte eine PTA billiger arbeiten? Am Besten zum derzeitigen Tariflohn? Wie weltfremd geht es eigentlich noch? Und warum wird so gedacht, während sich die Kassenbosse und Politiker die Tasche vollstopfen? Schon die Löhne der Mitarbeitenden der KK im Vergleich zu den Apotheken sind nicht akzeptabel.
- Womit wir beim Punkt wären: In Politik oder KK sind geräuschlose jährliche Erhöhungen üblich. Bei uns verboten? Wie lässt sich das rechtfertigen?
- Die angeblich „neutrale“ Umwandlung des Honorars wird bestimmt nicht so stattfinden. Was könnte der Hintergrund sein? Die mediale Kampagne, wieviel die Apotheke „abzockt“ bei Hochpreisern ist unehrlich. Da werden extrem teure AM als Beispiel herangezogen. Bei 1 Mio € EK „verdient“ die Apotheke 30 K€. Nur sind die selten, zudem müsste das finanziert werden: Damit wäre die Apotheke am Ende bei einem saftigen Minus angekommen. Auch, wenn eine Apotheke viele Hochpreiser beliefert, kann das zum Problem werden. Kleinlich und schäbig gönnt man der Apotheke den Aufschlag nicht, weil damit der „Gewinn“ mit steigendem EK steigt. Halt nicht prozentual. Das wird verschwiegen. Also kürzen. Als Ausgleich soll der feste Aufschlag steigen, der natürlich, so die offen kommunizierte Ansicht in Politik und Kassen, keiner Dynamisierung unterliegen soll, damit hier schon im Prinzip einer Kürzung entspricht. Dann bleibt noch offen, ob tatsächlich die Anpassung des Festhonorars in der notwenigen Höhe erfolgt. Vielleicht sorgt man sich auch, dass die AM-Preise allgemein steigen (müssen), um die Versorgung in Zukunft zu gewährleisten. Auch hier hätten die Apotheken, einen kleinen, aber nicht gegönnten, Vorteil. Der Politik ist nicht zu trauen. Man hat sich offensichtlich zum Aushungern der Apotheken entschlossen, dem man empathielos zusieht. Anders bei den (ausländischen) Versendern. Da wird Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit die überleben. Wo ist der Sinn? Ein Konstrukt, das seit Jahrzehnten rote Zahlen schreibt, immer „neues“ Geld bekommt (was uns seitens der Politik immer verwehrt wird). Da fragt man sich doch: Woher kommt das Geld? Es ist doch keiner so blöd und schiebt ewig große Summen in den Versand, wenn am Ende nicht eine gute Rendite herauskommt. Das ist das Tor zur Korruption. Die Inverstoren MÜSSEN Einfluss nehmen, damit das Geld nicht verloren geht. Ergo gehört das Modell verboten. Und das Verhalten der Politik genau untersucht. Aber siehe CumEx: die Politik ist sehr mächtig beim Verschleiern.
- Und weil alles so ist, ist der Klageweg der einzig richtige, auch wenn das Jahre dauern kann. Dieser Weg kann aber bedeuten, dass wir eine Fuss in die Tür bekommen, zumal die Rolle und Verhalten der ABDA eine absolute Blackbox ist.

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Schnee von gestern !

von Ulrich Ströh am 28.04.2024 um 9:45 Uhr

Der pharmazeutische Großhandel als langjähriger Reparaturbetrieb für die aktuelle Wirtschaftlichkeit der Offizinapotheken.

Ab Juni Schnee von gestern…

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AW: Schnee von gestern

von Anita Peter am 28.04.2024 um 12:46 Uhr

Wo wird der Median beim Betriebsergebnis 2023 ohne die Nachlässe vom GH liegen? Noch über 100 TEUR? Ich wage es zu bezweifeln. Was bleibt davon übrig? Lohnt sich dafür eine 60 Stunde Woche mit 2 Wochen Urlaub im Jahr und voller privater Haftung? Die Apothekenzahlen der nächsten Jahre werden es zeigen...

.

von Anita Peter am 28.04.2024 um 9:05 Uhr

49 Euro für 10 Minuten. Das sollte auch der Maßstab für uns sein. Egal ob pdl oder Berechnung des Honorars für RX.
Wie geht die Politik nun mit der mehr als offensichtlichen Inländerdiskriminierung nach dem Skonto Urteil um?

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