Das empfiehlt die Ständige Impfkommission

Impfen – was, wann, wen?

02.05.2024, 17:50 Uhr

Ein Impfausweis gehört mit zu den ersten Dokumenten, die Kinder in Deutschland besitzen (sollten). Und er bleibt bis ins Alter wichtig. (Foto: mpix-foto / AdobeStock)

Ein Impfausweis gehört mit zu den ersten Dokumenten, die Kinder in Deutschland besitzen (sollten). Und er bleibt bis ins Alter wichtig. (Foto: mpix-foto / AdobeStock)


Irgendwann im Studium konnte man als Pharmaziestudent den kompletten STIKO-Impfkalender auswendig – und angesichts der sonstigen Lernmenge war dies geradezu ein Klacks. Für die meisten Apothekerinnen und Apotheker liegt das Studium aber schon ein paar Jahre zurück und auch die Erinnerung daran, wen die STIKO wann und womit geimpft sehen möchte. Hier können Sie Ihr Wissen auffrischen. 

Erst im Januar 2024 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) ihren Impfkalender erweitert: Neu hinzugekommen sind drei standardmäßige Impfdosen gegen Meningokokken B (MenB), die Säuglinge im ersten Lebensjahr erhalten sollen. Meningokokken B verursachten bislang zwar nur selten invasive Erkrankungen, allerdings verliefen diese dann „sehr schwerwiegend“, und das Risiko sei für Babys im ersten Lebensjahr am höchsten, begründet die STIKO ihre jüngste Empfehlung.

Neben der Meningokokken-B-Impfung rät sie zu 17 weiteren Schutzimpfungen – gegen Bakterien oder Viren, als Tot- oder als Lebendimpfung, für alle Menschen oder nur für Kinder oder Erwachsene, lediglich als Grundimmunisierung oder auch mal wieder aufgefrischt.

Bereits ab sechs Wochen: Rotavirus-Impfung

Die allererste Impfung empfiehlt die STIKO für Neugeborene ab einem Alter von sechs Wochen (erste Teilimpfung der zwei- bzw. dreiteiligen Grundimmunisierung erfolgt zwischen dem Lebensalter von sechs Wochen und dem zweitem Lebensmonat): Zwei Dosen Rotarix (GSK) oder drei Dosen Rotatec (MSD Sharp & Dohme) im Abstand von jeweils mindestens vier Wochen sollen Säuglinge vor schweren Rotavirus-bedingten Gastroenteritiden mit teils blutigen Durchfällen, Fieber und Erbrechen schützen. Beide zugelassenen Impfstoffe sind Lebend­impfstoffe und zugelassen ab einem Lebensalter von sechs Wochen. Die Kinder erhalten diese oral. Wichtig beim Schutz vor Rotaviren ist, dass Eltern und Kinderärzte die Impfserie mit Rotarix bis zum Alter von 24 Wochen und mit Rotateq bis zum Alter von 32 Wochen abschließen, denn: Das Risiko einer bekannten Rotavirus-Impfnebenwirkung – Invagination (Einstülpen eines Darmabschnitts) – steigt mit dem Lebensalter des Kindes. Eine vollständige Impfserie schützt das Kind über zwei bis drei Jahre und somit in dem Lebensalter, wenn das Risiko für eine schwere Erkrankung am höchsten ist. Auffrischungsimpfungen erfolgen nicht. Die Impfungen können im Rahmen der U4 (3. bis 4. Lebensmonat) verabreicht werden.

Acht Impfungen auf einen Schlag

Den größten „Impfbatzen“ erhalten Kinder ab einem Lebensalter von zwei Monaten, und zwar den 6-fach-Impfstoff [DTaP-IPV-Hib-HepB], der vor Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae und Hepatitis B schützt – zugelassene Impfstoffe sind Infanrix Hexa von GSK (ab einem Alter von zwei Monaten), Hexyon und Hexacima von Sanofi Pasteur (ab einem Alter von sechs Wochen) und Vaxelis von MSD Sharp & Dohme (ab einem Alter von sechs Wochen). Die 6-fach-Impfung können Säuglinge zusammen mit der Pneumokokken-Konjugat-Impfung [PCV13 (Prevenar13 von Pfizer ab einem Alter von sechs Wochen) oder PCV15 (Vaxneuvance von MSD Sharp & Dohme ab einem Alter von sechs Wochen)] erhalten und – neu – auch gemeinsam mit dem Schutz vor Meningokokken B (Bexsero von GSK). Manche Kinderärzte legen zudem die erste Dosis der Rotavirus-Schluckimpfung (siehe oben: empfohlenes Impfalter zwischen sechs Wochen bis Ende des zweiten Lebensmonats) dazu. Der Vorteil: Durch den süßen Geschmack der Schluckimpfung sind die Babys meist so „ge­flashed“, dass sie die Injektions-Impfpikse vergessen, zumindest etwas und für kurze Zeit. Explizit rät die STIKO sogar, all diese Impfungen den Kindern simultan zu verabreichen, um die Anzahl der Impftermine zu reduzieren. Die Grundimmunisierung gegen [DTaP-IPV-Hib-HepB], Pneumokokken und MenB umfasst je drei Teilimpfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten beziehungsweise zwölf Monaten bei der MenB-Impfung (dritte Dosis). Die jeweils erste und dritte Impfung passen zeitlich in die U4- und U6-Untersuchungen. Für einen zuverlässigen Langzeitschutz ist es dem RKI zufolge wichtig, zwischen dem zweiten und dritten Impftermin einen Abstand von mindestens sechs Monaten einzuhalten und die Impfserie bis zum Kita-Eintritt abzuschließen.

ImpfungAlterImpfstoff
WochenMonateJahre
62345 – 10111213 – 14159 – 14
 U4 U5U6  U11/J1
RotavirenG1G2G3      

Rotatec

Rotarix

Tetanus G1 G2 G3    Infanrix hexa Hexyon Hexacima Vaxelis
Diphtherie G1 G2 G3    
Pertussis G1 G2 G3    
Hib G1 G2 G3    
Polio G1 G2 G3    
Hepatitis B G1 G2 G3    
Pneumokokken G1 G2 G3    Prevenar13 Vaxneuvance
Meningokokken B G1 G2  G3   Bexsero
Meningokokken C      G1   Menjugate Neisvac
Masern     G1  G2 Priorix TetraProquad
Mumps, Röteln     G1  G2 
Varizellen     G1  G2 
HPV         G1G2Cervarix Gardasil 9
Tab. 1: Grundimmunisierungen (G1 - G3) laut STIKO für Kinder und Jugendliche (vereinfacht, ohne Auffrischungsimpfungen)

 

Seit 2020 verkürztes 6-fach-Impfschema

Erst vor vier Jahren hat die STIKO das 6-fach-Impfschema (Epidemiologisches Bulletin 26|2020) auf das „reduzierte 2+1-Impfschema“ verkürzt. Zuvor hatten die Kinder 3+1-Impfdosen erhalten – dieses Schema gilt weiterhin für Frühgeborene, die vor der vollendeten 27. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen sind.

Die STIKO empfiehlt Auffrischungsimpfungen für Tetanus, Diphtherie und Pertussis im Alter von fünf bis sechs Jahren (A1), neun bis 16 Jahren (A2) und ab 18 Jahren alle zehn Jahre. Auch den Polio-Schutz sollten wir im Lebensalter zwischen neun und 16 Jahren einmalig erneuern (A1). An den Pneumokokkenschutz hingegen gilt es erst wieder ab einem Alter von 60 Jahren zu denken, dann erfolgt die Impfung mit einer 20-valenten Vakzine (Prevenar 20 von Pfizer).

Meningokokken C – eine Impfung genügt

Neu ist, wie eingangs erwähnt, dass die STIKO eine Impfung gegen Meningokokken des Serotyps B empfiehlt. Länger schon rät die Ständige Impfkommission zu einer einmaligen Impfung gegen Meningokokken vom Serotyp C (MenC) als standardmäßige Impfung für Babys ab einem Alter von zwölf Monaten. Als Impfstoffe zugelassen sind Menjugate (GSK) und Neisvac (Pfizer) ab einem Alter von zwei Monaten.

MenB-Impfung und Paracetamol

Seit Anfang des Jahres empfiehlt die STIKO die Meningokokken-B-Impfung standardmäßig für Säuglinge. Am 16. April hat sie die im Epidemiologischen Bulletin veröffentlichte Impfempfehlung um Hinweise zur Schmerz- und Fieberprophylaxe mit Paracetamol erweitert. Empfohlen wird, zeitgleich mit der Impfung oder kurz danach mit einer an das Alter und Gewicht des Impflings angepassten Paracetamol-Gabe zu beginnen und diese – unabhängig von Symptomen – für 24 Stunden fortzuführen. Treten Fieber und Schmerzen auf, können weitere Paracetamol-Dosen über einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden erfolgen, danach sollte ein Arzt aufgesucht werden. Die Empfehlung zur Schmerz- und Fieberprophylaxe gilt auch bei Frühgeborenen, die zum Zeitpunkt der Impfung ein Körpergewicht (KG) von < 3 kg haben. Sie sollen „off label gemäß Kinderformularium 10 – 15 mg/kg KG Paracetamol je Gabe erhalten (max. Tagesdosis 45 mg/kg KG)“.

Lebendimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken

Ab einem Lebensalter von elf Monaten können Kinder auch gegen die Viruserkrankungen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (Windpocken) geschützt werden. Alle verfügbaren Vakzinen sind Lebendimpfstoffe, das heißt, sie enthalten eine geringe Menge vermehrungsfähiger, aber für Immungesunde nicht mehr pathogene Erreger (attenuiert). Diese Vakzinen imitieren eine Infektion besonders gut, lösen eine sehr gute Immunreaktion aus und schützen damit nach Grundimmunisierung ein Leben lang. Die Grundimmunisierung umfasst zwei Dosen im Alter von elf und 15 Monaten. Kann denn ein Kind auch schon früher geimpft werden? Das RKI sagt dazu: „Wenn das Kind in eine Gemeinschaftseinrichtung aufgenommen werden soll oder nach Kontakt zu einer an Masern erkrankten Person, kann die Impfung ab einem Alter von neun Monaten verabreicht werden. Sofern die Erstimpfung im Alter von neun bis zehn Monaten erfolgte, muss die zweite MMR-Impfung bereits zu Beginn des zweiten Lebensjahres gegeben werden“. Nachteilig bei Lebendimpfstoffen ist, dass sich diese für immunsupprimierte Menschen nicht eignen und auch in der Schwangerschaft kontraindiziert sind. MMRVaxpro von Merck Sharp Dohme (ab zwölf Monaten) sowie Priorix (GSK) ab neun Monaten schützen vor Masern, Mumps und Röteln. Beide Impfstoffhersteller bieten auch eine Vierfachimpfung mit einem zusätzlichen Windpockenschutz an: Priorix Tetra (ab elf Monaten) und ProQuad (ab zwölf Monaten). Auffrischungsimpfungen sind überflüssig, da die Impfeffektivität nach zweimaliger MMR-Impfung laut RKI bei 98 bis 99% liegt. Seit 1. März 2020 gilt in Deutschland das Masernschutzgesetz. Es sieht vor, dass alle Kinder bei Eintritt in Kinder­garten oder Schule vollständig gegen Masern geimpft sein müssen. Auch Erzieher, Lehrer und medizinisches Personal müssen eine Masernschutzimpfung vorweisen.

Totimpfstoff und Lebendimpfstoff: Müssen Impfabstände eingehalten werden?

Laut Robert Koch-Institut können Lebendimpfstoffe simultan verabreicht werden. Werden sie nicht gleichzeitig geimpft, muss ein Mindestabstand von vier Wochen eingehalten werden. Hingegen: „Bei der Anwendung von Totimpfstoffen ist eine Einhaltung von Mindestabständen – auch zu Lebendimpfstoffen – nicht erforderlich“, erklärt das RKI. Allerdings sollte man im „seltenen Fall einer akuten Impfreaktion“ warten, bis die Symptomatik vor einer erneuten Impfung abgeklungen ist.

 

ImpfungAlterImpfstoff 
ab 18ab 60 
Herpes zoster G1, G2Shingrix 
Influenza jährlich

Efluelda (1. Wahl)

Afluria tetra

Fluad Tetra

Flucelvax tetra

Influsplit Tetra

Influvac Tetra

Vaxigrip Tetra

Xanaflu Tetra

 
COVID-19G1, G2, G3jährlich

Comirnaty

Jcovden

Nuvaxovid

Spikevax

Vaxzevria

 
Tab. 2: Impfempfehlungen der STIKO für Erwachsene (vereinfacht, ohne Auffrischungsimpfungen)

HPV-Impfung – auch an die Jungs denken

Die STIKO rät auch zum HPV-Schutz: Ab einem Alter von neun bis 14 Jahren sollten sich Kinder beziehungsweise Jugendliche – und zwar Jungen wie Mädchen – mit zwei Impfstoffdosen vor humanen Papillomaviren schützen und damit das Risiko für Gebärmutterhalskrebs, Penis- oder Analtumore sowie Tumore im Mund-Rachenraum senken. Zwischen den beiden Impfdosen müssen mindestens fünf Monate vergehen, ansonsten ist eine dritte Impfstoffdosis erforderlich (wie auch bei einer Impfserie beginnend ab 15 Jahren). Cervarix (GSK) schützt bivalent vor den beiden Hochrisiko-Subtypen 16 und 18, Gardasil 9 (Merck Sharp & Dohme) zusätzlich vor 6, 11, 31, 33, 45, 52 und 58. Beide Impfstoffe sind ab einem Alter von neun Jahren zugelassen.

Herpes zoster: Gürtelrose-Schutz ab 60 Jahren

Eine standardmäßige Herpes-zoster-Impfung sieht die STIKO für alle ab 60-Jährigen vor, allerdings lediglich mit dem adjuvantierten Totimpfstoff Shingrix, der zweimal im Abstand von zwei bis max. sechs Monaten zu verabreichen ist. Der Lebendimpfstoff Zostavax wird von der STIKO nicht empfohlen.

Corona und Influenza

Zur jährlichen Grippeimpfung rät die STIKO nur bestimmten Menschen, wie ab 60-Jährigen oder Menschen mit Vorerkrankungen. Ab 60-Jährige sollten prioritär den hochdosierten Grippeimpfstoff Efluelda (Sanofi Pasteur) erhalten. Gegen COVID-19 sollten nach STIKO-Plan alle Menschen ab 18 Jahren immunisiert sein, also mindestens drei Antigenkontakte aufweisen, von denen wenigstens einer eine Impfung ist. Die Impfung sollte „mit einem zugelassenen mRNA- oder proteinbasierten COVID-19-Impfstoff mit jeweils von der WHO empfohlener Variantenanpassung“ erfolgen, heißt es im Epidemiologischen Bulletin 2|2024. Ab einem Alter von 60 Jahren erfolgt der Schutz jährlich und kann simultan mit der Influenzaimpfung verabreicht werden.

Literatur

Epidemiologisches Bulletin 4|2024: Impfkalender (Standardimpfungen) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene 2024

Epidemiologisches Bulletin 26|2020: STIKO-Empfehlung zur Grund­immunisierung mit dem 6-fach-Impfstoff DTaP-IPV-Hib-HepB im Säuglingsalter nach dem 2+1-Impfschema


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.