Referentenentwurf

Apothekenreform: Ende der Präsenzpflicht, „Zweigapotheke“, wenig mehr Fixhonorar

Berlin - 12.06.2024, 15:59 Uhr

Der langangekündigte Referentenentwurf für die Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) liegt vor – zunächst einmal der FAZ. (Foto: IMAGO / Bernd Elmenthaler)

Der langangekündigte Referentenentwurf für die Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) liegt vor – zunächst einmal der FAZ. (Foto: IMAGO / Bernd Elmenthaler)


Apotheken ohne Approbierte und eine Fixbetragserhöhung auf 8,66 Euro und dann 9 Euro bei gleichzeitiger Senkung des variablen Teils. Das sieht laut FAZ der Referentenentwurf für die Apothekenreform vor. Apotheken sollen aber auch mehr impfen dürfen und: Es sollen mehr „Zweigapotheken“ entstehen. 

Die Apotheke ohne Approbierte kommt, und: Der Fixbetrag soll von 8,35 Euro ab 2025 auf 8,66 Euro und ab 2026 auf 9 Euro erhöht werden. Danach sollen der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband die Höhe aushandeln. Dabei sollen sie sich am Verbraucherpreisindex, an der Versorgungssituation und der Grundlohnsumme orientieren. Gleichzeitig fällt in dem Zeitraum dann der variable Honorarteil auf 2,5 und dann 2 Prozent. So sieht es laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vor. Einmal wieder hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Blatt genutzt, um Exklusives zu den Apotheken verbreiten zu lassen.

Dem Vernehmen nach hing der Entwurf in den vergangenen Wochen in der Vorabstimmung bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fest. Strittig soll die Erhöhung des Notdienstzuschlags gewesen sein. Aber auch andere Ministerien hatten wohl Bedenken geäußert.

Allerdings sieht der Entwurf gerade beim Notdienstzuschlag keine Änderungen gegenüber den Eckpunkten vom vergangenen Dezember vor. Nach wie vor ist geplant, dass der Notdienstzuschlag um 30 Prozent angehoben wird. Die Pauschale soll von etwa 420 auf 550 Euro steigen. Veranschlagt werden dafür rund 50 Millionen Euro zusätzlich im Jahr. Dies soll nun über einen von 21 auf 28 Cent erhöhten Notdienstzuschlag auf jede Rx-Arzneimittelpackung finanziert werden.

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Weiterhin bleibt es laut FAZ dabei, dass Apotheken in Filialverbünden nun auch ohne Approbierte öffnen können. Eine solche Apotheke wird dann von einer PTA geleitet, die in bestimmten Fällen eine Apothekerin oder einen Apotheker per Video zuschalten kann. Das BMG nennt das „Telepharmazie“. „Komplexe Herstellungsprozesse“ von Arzneimitteln oder die Abgabe von Betäubungsmitteln seien aber auch weiterhin nicht ohne Apothekerpräsenz erlaubt, schreibt die FAZ. Auch müsse sich die Apothekenleitung an mindestens acht Wochenstunden in jeder ihrer Filialen sehen lassen.

Aufteilung der Filialleitung

Möglich werden soll in Zukunft auch, dass die Filialleitung zwischen zwei Apotheker*innen aufgeteilt wird. Der Inhaber dürfe die Filialleitung auch selbst übernehmen. Apotheken sollen dabei für „unterstützende Tätigkeiten“ auch Personal ohne „apothekenspezifische Ausbildung“ einstellen dürfen.

Überhaupt sollen Filialgründungen erleichtert werden. Sie sollen auch außerhalb benachbarter Kreise in einem größeren Umkreis errichtet werden können. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass mehr „Zweigapotheken“ gegründet werden können, die nur vier Stunden am Tag Dienstbereitschaft haben.

„Zweigapotheke“: Nur vier Stunden Dienstbereitschaft

Etwas klarer werden jetzt auch die Pläne zur einfacheren Gründung von Zweigapotheken: Jeder Inhaber dürfe zwei „Zweigapotheken“ zusätzlich zu seinen Haupt- und Filialapotheken eröffnen. Rezeptur ist nicht Pflicht, sie können aus dem Verbund versorgt werden. Mit rund 100 Neugründungen solcher Zweigapotheken rechnet das BMG laut FAZ. Lauterbach sieht hier einmaliges Einsparpotenzial von 6.800 Euro und jährliche Einsparungen in Höhe von 1.300 Euro.

Mehr Impfungen in Apotheken

Abseits der nun in Zahlen gegossenen leichten Erhöhung des Fixums sieht der Referentenentwurf noch etwas vor, das die Eckpunkte bislang nicht ganz so konkret benannt hatten: In Apotheken soll künftig mehr geimpft werden – nämlich auch gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und gegen FSME. Darüber hinaus sollen auch Schnelltests auf Influenza-, Noro-, Rota-, RS- und Adenoviren erhältlich sein.

Weitere Einsparmöglichkeiten für alle Arten von Apotheken sollen laut FAZ dadurch entstehen, dass Betäubungsmittel in Fertigarzneimitteln künftig mit anderen Medikamenten zusammen in den Kommissionier-Automaten gelagert werden dürfen. Bisher sind für sie besondere Vorkehrungen bei der Lagerung zu treffen. 

Der 49-seitige Entwurf soll laut FAZ nun in die Ressortabstimmung gegangen sein.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Einsparpotenzial

von T.Trautmann am 13.06.2024 um 20:32 Uhr

"Lauterbach sieht hier einmaliges Einsparpotenzial von 6.800 Euro und jährliche Einsparungen in Höhe von 1.300 Euro." Kann mir bitte mal jemand schlüssig erklären, woher diese Zahlen kommen? Und dann nur 4h Öffnungszeit? Der Kerl denkt wohl, weil im Pharmaziestudium keine BWL gelehrt wird, dass die Apotheker nicht rechnen können? 1300€ pro Jahr - absolut lächerliche Größe. Vor allem - für wen denn. Vermutlich für die kranken Kassen. Die bejubeln das ja geradezu.
Und ich dachte, der Karlatan wollte sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. Erst hat er vor 20 Jahren als Lieblingsberater von Trullala die damalige Reform durchgezogen, um die Probleme von heute zu schaffen, um dann widerwärtige, frauenfeindliche und diskriminierende Lösungen anzubieten. Eines Sozialdemokraten (er ist keiner!) absolut unwürdig.

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AW: Einsparpotenzial - zitierte Zahlen Referentenentwurf

von Tobias Kast am 14.06.2024 um 16:46 Uhr

DISCLAIMER: NUR ZITATE - NICHT MEINE ZAHLEN

Der Entwurf sagt:
Für Zweigapotheken:
Einmalig 6.840 € - Entfall der Einrichtung für Rezeptur in Zweigapotheken (5.500 Herstellungsgeräte und 1.335 für technische Ausstattung)
Jährlich 1.260 € - durch Entfall der Fläche Rezeptur (Angenommen Miete 10-20 €/m², 15 € zur Rechnung, Annahme 5 m² als Minimum - also 900 €), Raum-/Nebenkosten Annahme 6 €/m² bei 5 m² also 360 € jährlich.

Der Entwurf sagt auch:
Kürzt die Öffnungszeiten und spart dadurch Personal - wenn ihr die Öffnungszeiten um 19,5 Stunden kürzt könnte ihr nochmal 1.300 € monatlich durch Entlassungen/Stundenkürzungen sparen... (Annahme Monatsbrutto 4.200 € für Apotheker und 2.900 € PTA).

DISCLAIMER: NUR ZITATE - NICHT MEINE ZAHLEN

Ich möchte mich von diesen Zahlen und Annahmen explizit distanzieren - ich habe nur die Frage beantwortet "wo kommen die Zahlen her" soweit es der Referentenentwurf zulässt.

Haftung von PTA in Leitungsfunktion

von Annemarie Paulsen am 13.06.2024 um 13:17 Uhr

Eine Frage zum Haftungsrecht. Die PTA in Filiale ohne Apotheker übersieht Problem ( und schaltet demzufolge auch keinen Apotheker ein ). Es kommt zu einem Personenschaden. Wer haftet ? Formal arbeitet die PTA noch immer unter Aufsicht. Das bedeutet Leitungsbefugnis ohne Übernahme von Verantwortung ?Passt irgendwie nicht oder übersehe ich etwas ?

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Mitunter selbstzerstörerisch

von Thomas Kerlag am 13.06.2024 um 8:12 Uhr

Lauterbach war ja schon immer als Apothekerhasser bekannt. Sosehr, dass er den Verbrauchtschutz schleift. Gut, dass gerade eine Abstimmung über seine Partei stattgefunden hat. Er zerstört die Qualifikation, die für den sensiblen Arzneimittelbereich so wichtig ist. Allgemein passt das aber zum Verfall Deutschlands. Stütze bekommen in diesem Land nur diejenigen die nichts tun. Andererseits hält sich mein Mitleid mit den Kollegen in Grenzen. Es wird geschimpft die ABDA sollte Streiks organisieren oder dies oder jenes tun. Die Basis die alles mitmacht ist das Problem.
Man kann ja selbsorganisiert streiken.
Und wer die Möglichkeiten der neuen Gesetzte ausschöpft und damit seine teure und mühevoll erworbene Approbation wertloser werden läßt ist ja auch selbst schuld. Es bleiben ja nur Möglichkeiten durch die Gesetze, die man so nicht nutzen muss. Wer das zum Überleben braucht sollte doch was anderes machen. Und wer für die Apotheke jetzt noch so aufwendig studiert ist vollkommen.. na sagen wir selbst schuld.












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Opium für die Apotheker

von Dr Keil am 12.06.2024 um 23:17 Uhr

Es gibt dem Kommentar von Dr. House nichts hinzuzufügen: leider ist die Aussage meines Doktorvaters „ der größte Gegner des Apothekers ist der Apotheker“ noch immer richtig. Schauen wir uns doch viele Vertreter der ABDA und Repräsentanten der Apokammern an, eine ordentliche Vertretung der Mitglieder und deren Interesse an einer optimalen Versorgung der Patienten vor Ort durch eine freiberuflich geleitete Apotheke ist doch vielfach durch Eigeninteresse, Besiitz einer Versandhandelserlaubnis und $ -Zeichen in den Augen ersetzt worden. Leider geht die Geringschätzung der apothekerlichen Leistung auf die erste Grün/Rote Koalition mit der Erlaubnis des Rx-Versandhandels zurück und wurde auch durch die nachfolgenden Regierungen nicht revidiert.
Mir scheint der Zug endgültig abgefahren zu sein und ich betrachte deshalb die Situation gerne aus „Felix Austria“

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Austreten aus Verbänden jetzt!

von Thomas Brongkoll am 12.06.2024 um 23:08 Uhr

Ich habe ein Protestkonzept fertig!
Alle aus den Verbänden austreten; AM nur gegen cash/Rechnung.
Details gefällig?
Mail! tbrongkoll@gmail.com

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AW: Austreten aus Verbänden jetzt

von pille62 am 17.06.2024 um 13:39 Uhr

Habe ich schon vor einem Jahr geschrieben, alle Verträge wegen entfallender Geschäftsgrundlage und massiver Inländer Diskriminierung kündigen und auf die Kundschaft auf bar Zahlung umstellen.

Teile und Herrsche - Ein Bilderbuchexempel

von Dr. House am 12.06.2024 um 20:52 Uhr

Ein paar ernste Bedenken: - ganz ehrlich gemeint, weil meinem Umkehrschluss nach ab jetzt sowieso ALLES Gelernte und unter vielen strengen Mienen von Uniprofs, Beamten und Pharmazierräten gepredigt wurde EGAL ist (Verschreibungspflicht, persönliche (nicht formale) Aug-in-Aug Verantwortung, ja und auch zur Hölle mit dem Kontrahierungzwang („BTMs machen wir nur in den 8 Stunden, in denen der Chef nicht auf Hawaii Hula tanzt“), Notdienst die ganze Nacht ist plötzlich nun doch nicht mehr überlebensnotwendig, obwohl bis dato immer noch unter strengster Ahndung das Gegenteil gilt… Und wie will mich eigentlich der Revisor JETZT noch glaubhaft von meiner Unentbehrlichkeit als Apotheker überzeugen? Weil es noch auf einem für den Mülleimer reservierten Papier steht? Und wie werden eigentlich die 8 Stunden Anwesenheitspflicht geprüft? Per gps-Fußfessel? Weil bei unangekündigten Revisionen, wären es dann halt immer genau die anderen 60 Stunden…Pech gehabt! Aber meine größte Frage bleibt: Mit WELCHER Motivation soll ich ab morgen eigentlich noch im Laden stehen? Es ist ja nun nicht der erste Beruf der abgeschafft wird. Wie haben das die anderen hinbekommen? Weil das Perfide ist ja: Man braucht uns offensichtlich, die Bude ist voll! Der Bedarf ist da, ja sogar in demokratischer Dimension - auch wenn uns BMG Beamte gerne die zum Überleben nötige politische Mehrheit absprechen… Und eine weitere wichtige Frage ist: Wie verhindern wir die berufsinterne Zerfleischung? Wir neigen ja zur desaströsen Selbstschädigung, was nicht zuletzt unser ruinöses Verhalten nach OTC Preisfreigabe gezeigt hat, aber ich fürchte der Sprengstoff hat nun noch ein ganz anderes Kaliber bekommen. Glückwunsch Lauterbach, du Fuchs. Technischer K.O., Schachmatt auf ganzer Linie, die ABDA seit Herbst in Schockstarre. Wäre das ein Sport und würde es nicht um Menschenleben, Empathie und den zukünftig in Vergessenheit gelangten VERSORGUNGSBegriff gehen, würde ich mich verneigen. Die Honarveränderungen sind unbedeutende Stellschrauben, die kein Apothekensterben aufhalten. Aber darum ging es auch nie. Es handelt sich um eine FINTE, ein Hütchenspiel: was von dem ablenkt was nun geschehen wird: Die Apothekerschaft wird sich ohne jedes weitere politische Zutun sowohl zwischen den Generationen und zwischen Inhabern und angestellten Approbierten spalten. Der Streit hat bereits begonnen, wie etliche Kommentare zeigen - auf Bitterste gehen sich in den sozialen Medien gegenseitig Kollegen an, die eigentlich alle, so wie ich es einschätze, ihren Beruf gut verstanden und ihre Patienten stehts im Mittelpunkt haben. Wir sind da in eine fürchterliche Falle getappt und Lauterbach ist aus der Schusslinie. Er hat sein Ziel erreicht.

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