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Bei der Fußball-EM sieht man derzeit einige schöne Beispiele: Kopfbälle. Der „Köpper“ gehört zum Fußball wie die Mayonnaise auf die Bratwurst. Dabei gibt es eine heiße Diskussion darum. Einige Fußball-Ligen verbieten Kopfball-Training bei Kindern, da es Hinweise auf ein erhöhtes Demenzrisiko gibt. Haben Kopfball-affine Spieler ein erhöhtes Risiko, im Alter an kognitiven Einschränkungen zu leiden?
Wenn ein Profifußballer mit Anlauf einen Ball voll trifft, kann dieser auf eine Geschwindigkeit von ungefähr 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt werden. Trifft der Ball dann auf einen Kopf, kann der Schuss nach hinten losgehen: Ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, umgangssprachlich auch Gehirnerschütterung genannt, kann die Folge eines Schädel-Ball-Zusammenstoßes sein. Auch wenn zwei Mitspieler aufeinanderprallen, kann es zur Gehirnerschütterung kommen. Neben akuten Symptomen wie Schwindel oder Übelkeit wird immer wieder diskutiert, ob häufige Kopfbälle und Gehirnerschütterungen nach Jahrzehnten bei Spielern im Alter zu Konzentrationsschwierigkeiten, verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit oder sogar Demenz führen.
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Kritik am Kopfball
Letztes Jahr wurde eine Studie in Jama Network Open veröffentlicht, in der die kognitive Leistungsfähigkeit älterer Fußballprofis untersucht wurde. In der Querschnittsstudie wurden ehemalige professionelle Fußballspieler, die durchschnittlich knapp 64 Jahren alt waren, befragt, wie häufig sie in ihrer aktiven Karriere Kopfbälle gespielt hatten und, ob und wie oft sie eine Gehirnerschütterung erlitten hatten. Im Durchschnitt spielten die Teilnehmenden 15 Jahre Profifußball, trainierten in dieser Zeit ungefähr 15 Stunden wöchentlich und spielten in über 400 Partien.
Die teilnehmenden Ex-Profis wurden in drei Gruppen eingeteilt: 120 Männer gaben an, null bis 5-mal pro Spiel oder Trainingseinheit einen Kopfball vollbracht zu haben; 180 taten dies 6 bis 15-mal und 160 ehemalige Spieler verübten laut Befragung mehr als 15 Kopfbälle pro Spiel oder Training. In Telefoninterviews und schriftlichen Befragungen wurde die kognitive Leistungsfähigkeit in verschiedenen Tests abgefragt. Sowohl die mathematisch-analytischen, als auch sprachliche Fähigkeiten wurden unter anderem getestet. Außerdem wurde abgefragt, ob eine Demenz diagnostiziert wurde. Intervenierende Variablen wie der Tabak- und Alkoholstatus, der Body-Mass-Index oder Erkrankungen wurden statistisch herausgerechnet.
Erhöhtes Risiko nach vielen Kopfbällen über Jahre
Spieler, die sechs bis 15 Kopfbälle pro Spiel und Trainingseinheit in der Umfrage angegeben hatten, haben laut der Studie ein 4,3-fach erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigung gegenüber den Spielern, die auf höchstens fünf Kopfbälle kamen. Für diejenigen, die mehr als 15 Kopfbälle angaben, war das Risiko um das 4,7-Fache erhöht. Fünf Spieler aus der Gruppe mit 6 bis 15 Kopfbällen gaben an, an Demenz vom Alzheimer-Typ erkrankt zu sein. Bei denjenigen, die mehr als 15 Kopfbälle angaben, waren es acht Fälle. Bei den ehemaligen Fußballprofis, die bis zu fünf Kopfbälle angegeben hatten, gab keiner eine Demenzerkrankung an.
Kopfball und beeinträchtigte Kognition: Dunkelziffer möglicherweise höher
Allerdings gibt es Kritik am Design der Studie, da von 4775 ehemaligen Profis nur 459 den Fragebogen zurücksendeten. Mit 326 Personen konnten die kognitiven Tests schließlich beendet werden. Von diesen zeigten 44 messbare kognitive Beeinträchtigungen. Daher ist die statistische Aussagekraft der Studie begrenzt. Auch, da nur 12 Demenz-Fälle bei den Teilnehmern auftraten, lässt sich eine Tendenz, aber keine sichere Aussage treffen. Möglicherweise ist die Dunkelziffer also höher.
Kopfball-Training für Kinder verbannen?
Manche Fußball-Ligen haben bereits auf diese und andere, vorangegangene Studien reagiert und verbieten das Kopfball-Training für ihre Kinder- und Jugendligen: in den USA ist Kopfball-Training für unter Zehnjährige untersagt, in Schottland und England für unter 12-jährige Kinder. Schottland geht noch weiter: Am Tag vor und nach einem Spiel trainieren auch Erwachsene keine Kopfbälle. Der Deutsche Fußballbund gibt Empfehlungen zur Reduzierung von Kopfbällen in Spiel und Training von Kindern und Jugendlichen, schließt ein Verbot allerdings aus.
Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Lehrstuhlinhaber für Sportmedizin an der Universität Paderborn und Facharzt für Neurologie, der in der Medizinischen Kommission des DFB das Fachthema „Kopfverletzungen beim Fußball“ betreut, erklärt auf der Internetseite des DFB: „Wir wollen im Nachwuchsbereich achtsamer mit den Auswirkungen des Kopfballspiels umgehen. Neuere Befunde geben uns hierzu Anlass. Wir setzen dabei gezielt auf nachhaltige Wirkung statt auf kurzfristige Verbote. Dass die Kleinfeld-Spielformen die Zahl der Kopfbälle im Kinder- und Jugendfußball ab der Saison 2024/2025 deutlich reduzieren werden, begrüßen wir aus medizinischer Sicht ausdrücklich. Es geht um ein Zusammenwirken von wissenschaftlicher Evidenz und trainingswissenschaftlichen Überzeugungen. Oder anders gedrückt: Die Trainerinnen und Trainer im Land sitzen mit der Medizin in einem Boot."
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