Folgen der Reformpläne

ABDA gibt Argumentationshilfe heraus

26.06.2024, 07:00 Uhr

Die ABDA befürchtet die Zerstörung des Systems. (Foto: IMAGO / Hanno Bode)

Die ABDA befürchtet die Zerstörung des Systems. (Foto: IMAGO / Hanno Bode)


Welchen Folgen hat die Apothekenreform für die Versorgung? Statt lautstark zu protestieren, setzt man bei der ABDA und den meisten ihrer Mitgliedsorganisationen alles daran, in den kommenden Wochen die Bundestagsabgeordneten aufzuklären. Damit die Kammern und Verbände ausreichend Argumente haben, stellt die ABDA ihnen als Teil der Kommunikationsstrategie eine Argumentationshilfe zur Verfügung.

Sechs Seiten umfasst das Papier mit dem Titel „Konsequenzen des Entwurfes für ein Apothekenreformgesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium“. Die ABDA erläutert darin ausführlich die befürchteten Folgen der geplanten Neuregelungen. Dienen soll das Ganze als Argumentationshilfe für die Kammern und Verbände. Denn die haben in den nächsten Wochen die Aufgabe, ihre Bundestagsabgeordneten vor Ort zu beackern und ihnen deutlich zu machen, welche Gefahren Lauterbachs Reformpläne mit sich bringen, in der Hoffnung, dass sich im parlamentarischen Verfahren noch etwas zu Gunsten der Apothekerschaft tut. Denn nur an dieser Stelle im Gesetzgebungsprozess wird überhaupt die Chance gesehen, Einfluss zu nehmen.

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Stellungnahme zum Apotheken-Reformgesetz

ABDA: Referentenentwurf zurückziehen!

ABDA-Kommunikationschef Benjamin Rohrer erklärte dazu auf Nachfrage der DAZ: „In den kommenden Wochen wird es unabdingbar wichtig sein, die Bundestagsabgeordneten über die wahren Hintergründe und Konsequenzen der geplanten Apothekenreform zu informieren. Die Reformpläne würden die Versorgung der Menschen nicht verbessern, sondern Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen nach sich ziehen. Damit die Kammern und Verbände in ihren Gesprächen mit den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern ausreichend Argumente haben, haben wir ihnen heute eine erste Argumentationshilfe an die Hand gegeben. Das Papier beschreibt unter anderem, wie sich der Versorgungsalltag der Patientinnen und Patienten ändern würde, wenn es neben wenigen vollversorgenden Apotheken nur noch Abgabestellen und Scheinapotheken gibt, in denen keine approbierten pharmazeutischen Fachkräfte mehr arbeiten. Die ABDA und ihre Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, die Gesellschaft und die Politik über diese Gefahren aufzuklären. Genau das gleiche Ziel verfolgt übrigens eine groß angelegte PR-Kampagne, die die ABDA bereits am heutigen Mittwoch in den Social-Media-Netzwerken startet.“

Es droht der Systemwechsel

Was steht aber denn nun genau drin? Die im Apothekenreformgesetz enthaltenen Maßnahmen bedrohten die Arzneimittelversorgung in Deutschland, weil sie für die Bevölkerung diverse Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen nach sich ziehen, heißt es in der Einleitung. Es werde ein Systemwechsel in der Versorgung eingeleitet, der unter anderem die Qualität der Abgabe von Arzneimittel senke. Das bestehende System der Arzneimittelversorgung durch die heilberuflich geführten Apotheken sei bis heute ein Garant für patientennahe hohe Versorgungssicherheit. Mit diesem Gesetz werde eine Kommerzialisierung der Versorgung betrieben, die das Bundesgesundheitsministerium in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung nach negativen Erfahrungen ausdrücklich bekämpfen wolle. Es bleibe festzustellen, dass durch das geplante Apothekenreformgesetz tatsächliche Gefahren für die Patientensicherheit entstehen, so die ABDA. 

Dann werden Entwicklungen beschrieben, die in den Augen der ABDA unvermeidbare Konsequenzen aus dem Reformentwurf sind (siehe Kasten).

Das Fazit lautet dann: „Festzustellen bleibt, dass mit diesem Referentenentwurf ein grundlegender und radikaler Systemwechsel in der Arzneimittelversorgung verfolgt wird. Eine einmal zerstörte Struktur kann nicht wiederbelebt werden.“

„Konsequenzen des Entwurfes für ein Apothekenreformgesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium“

1.      Pseudo-Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker schaden den Patientinnen und Patienten

Bei diesem Punkt geht es um die Vertretungsbefugnis für PTA. Die ABDA sieht dadurch eine Gefährdung der Patientensicherheit. Außerdem führe der Verzicht auf die dauerhafte Präsenz der Apothekerin/des Apothekers zu massiven Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten, weil beispielsweise keine BtM abgebeben werden dürfen und auch Rezepturen und Impfungen wegfallen würden.

2.      Die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung vor Ort wird eingeschränkt.

Hier verweist die ABDA auf die Leistungen der Apotheken vor Ort und deren wichtige Rolle für die Gesellschaft. Durch die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium werde der Zugang der Bevölkerung zu diesen Leistungen erheblich erschwert, heißt es. So werde zum Beispiel mit dem Entwurf die dauerhafte Dienstbereitschaft der Apotheken grundsätzlich abgeschafft. Das Bereitschaftsniveau solle dadurch dem des gemeinen Handels gleichgesetzt werden. Das führe zu Versorgungslücken, so die ABDA.

3.      Der freie Heilberuf des Apothekers / der Apothekerin wird zum bloßen Gewerbetreibenden degradiert und den Patientinnen und Patienten kompetente und unabhängige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner entzogen.

Es komme zu dem vorhandenen, erheblichen Kostendruck ein zusätzlicher Wettbewerbsdruck, der den Abbau des qualifizierten Fachpersonals zur Folge habe. Die Apotheken würden vom kompetenten Gesundheitsdienstleister zur reinen Abgabestelle für Arzneimittel degradiert werden. Die hochwertige Arzneimittelversorgung werde zugunsten der Ökonomisierung geopfert.

4.      Die Reform schafft keine neuen Filialapotheken, sondern vernichtet bestehende Arbeitsplätze

In den Augen der ABDA ignoriert der Entwurf die Marktmechanismen, die greifen werden, wenn Filialapotheken (die diesen Namen dann nicht mehr verdienen) weitgehend ohne Apothekerinnen und Apotheker betrieben werden können – oder nehme dies billigend in Kauf. Weil die Inhaberinnen und Inhaber sich dem Wettbewerbsdruck stellen und Apothekerinnen und Apotheker durch anderes Personal ersetzen müssen, werde der Wegfall von Arbeitsplätzen provoziert.

5.      Die geplante Reform ist keine schrittweise Fortentwicklung des Systems der Arzneimittelversorgung, sondern ein radikaler Systemwechsel mit unumkehrbaren negativen Folgen.

Hier macht die ABDA ihre Befürchtungen deutlich, dass die Reform nur eine vorbereitenden Maßnahme „für weitere systembrechende und die Versorgung bagatellisierende Regelungen“ sei, die in den kommenden Jahren folgen. Bis zur Aufhebung des Fremdbesitzverbotes sei es dann nur noch ein kleiner Schritt. Große Konzerne, die allein auf Gewinnoptimierung und den Stakeholder Value abzielten und nicht auf das Patientenwohl, steuerten dann die Versorgung.

6.      Das bestehende gute Apothekensystem muss wirtschaftlich stabilisiert werden. Weder die vorgesehene teilweise Umverteilung des prozentualen Zuschlags noch vereinzelte kostensenkende Maßnahmen tragen dazu etwas bei.

Hier erläutert die ABDA die wirtschaftliche Lage der Apotheken und dass der Ansatz des Ministeriums, das Honorar umzuverteilen, fehlgeleitet ist. So seien nämlich nicht nur die angesprochenen Landapotheken gefährdet. Auch Kiezapotheken seien zuletzt massiv von der Schließungswelle betroffen gewesen.

7.      Zu den schlechten Reformplänen gibt es gute Alternativen

Unter diesem Punkt zeigt die ABDA Ansätze auf, Apotheken „innerlich zu stärken“. Sie verweist dabei auf Kosten in Milliardenhöhe durch Medikationsfehler, die Apotheker verhindern könnten. Zudem nennt sie Themen, die auf dem derzeit bestehenden Versorgungssystem der heilberuflich geführten Apotheken aufbauen, dieses aber auch als Grundlage zwingend benötigen, zum Beispiel mehr Entscheidungskompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker, insbesondere bei Lieferproblemen, Anspruch der Patienten auf interprofessionelles Medikationsmanagement nach ARMIN, mehr Telepharmazie aus der Apotheke zum Patienten.

Ob die Argumente der ABDA fruchten, bleib abzuwarten. Am Freitag endet die Frist zur Stellungnahme zum Referentenentwurf. Nach derzeitigen Plänen wird sich das Kabinett am 17. Juli dann mit der Angelegenheit befassen – so sieht es die Kabinettzeitplanung, datiert auf den 14. Juni, vor. Die 1. Lesung könnte aber bereits im September stattfinden. Dieser folgt dann die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Im Anschluss können die erhofften Änderungsanträge eingebracht werden, die dann in der 2./3. Lesung im Bundestag mit dem Gesetz beschlossen werden. Auch die abschließende Beratung im Bundesrat steht im Herbst noch aus. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Fehlerheinzelmännchen

von T Kerlag am 26.06.2024 um 19:54 Uhr

Die Zeiten als Politiker auf höchster Ebene bedingt Argumenten zugänglich waren ist lange vorbei. Die Gewerkschaften rufen schon rigoros zu echten Streiks auf, wenn es um sehr viel weniger als um die Existenz geht. Die ABP und sonstigen Probleme treten ja nicht öffentlich zu Tage, da wir sie massenhaft diskret lösen bevor sie an Politik geraten könnten.
Eine Verhinderungsleistung wird erstmal nicht gesehen

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Traktoren sind besser als Argumente

von Martin Straulino am 26.06.2024 um 11:44 Uhr

Über 1 Jahrzehnt "gute Argumente" hat den Eindruck der Politiker verfestigt, mit den Duckmäusern (=Apotheker) kann man alles machen. Mir ist es ein absolutes Rätsel, warum die ABDA diese Rollenverteilung nicht endlich erkennt und entsprechend danach handelt.
Was fällt uns zu den Landwirten als erstes ein: die Proteste mit Traktoren, nicht deren Argumente ...

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Gut und schön

von KFM am 26.06.2024 um 10:09 Uhr

Aber: es wurde schon zu viel argumentiert. Argumente stoßen nur auf Desinteresse. Auf Ausflüchte und Geschwafel. Man nimmt uns nicht ernst. Daher ist Streik unumgänglich.

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