Pharmastandort Deutschland soll attraktiver werden

Bundestag verabschiedet Medizinforschungsgesetz

Berlin - 05.07.2024, 12:15 Uhr

Der Deutsche Bundestag steht kurz vor der Sommerpause. Das MFG hat er am Donnerstag noch verabschiedet. (Foto: IMAGO / IPON)

Der Deutsche Bundestag steht kurz vor der Sommerpause. Das MFG hat er am Donnerstag noch verabschiedet. (Foto: IMAGO / IPON)


Die Ampel-Fraktionen im Bundestag haben es geschafft, trotz interner und externer Kritik das Medizinforschungsgesetz zu verabschieden. Doch Bedenken, unter anderem hinsichtlich der vertraulichen Erstattungsbeträge, bleiben bestehen.

Am Donnerstag hat der Deutsche Bundestag das Medizinforschungsgesetz (MFG) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen verabschiedet. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte in der abschließenden Debatte, wie wichtig das Gesetz für die Bekämpfung derzeit unheilbarer oder seltener Erkrankungen sei. Klinische Forschung werde damit „besser, billiger, schneller“. Deutschland solle „zurück auf einen Spitzenplatz in der medizinischen Forschung“, so der Minister. „Davon werden wir alle profitieren.“ Er verteidigte die vertraulichen Erstattungsbeträge: Transparenz wäre zwar wünschenswert, allerdings sei dies nicht möglich, solange andere Staaten nicht ebenso transparent bei der Preisbildung agierten. „Wir haben die höchsten Arzneimittelpreise in ganz Europa, weil wir als einzige Transparenz geboten haben“, erklärte Lauterbach.

Die Vertreter*innen der Ampelparteien verteidigten die beschlossenen Neuregulierungen, die die Fraktionen zuvor noch nachjustiert hatten.

Piechotta: „Eine parlamentarische Liebeserklärung“

Doch die Opposition äußerte fraktionsübergreifend Kritik: Der CDU-Abgeordnete Georg Kippels deutete an, dass auch die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta Bedenken hinsichtlich der vertraulichen Erstattungsbeträge teile oder geteilt habe – ebenso wie die Krankenkassen.

Piechotta kam danach zu Wort. Für sie ist der Gesetzgebungsprozess zum MFG eine „parlamentarische Liebeserklärung“ – das Gesetz sei im parlamentarischen Prozess enorm verbessert worden.

Einige der Gesetzesinhalte:

  • Um die Zulassung von Arzneimitteln und die Genehmigung und Durchführung klinischer Prüfungen einfacher und schneller zu gestalten, wird die Zusammenarbeit der Arzneimittelzulassungsbehörden verbessert, eine Spezialisierung und Harmonisierung der Ethik-Kommissionen ermöglicht, und die Grundlage für verbindliche Standardvertragsklauseln geschaffen. Bei klinischen Prüfungen, die nur in Deutschland durchgeführt werden, wird die Bearbeitungszeit auf 26 Tage verkürzt.
  • Pharmazeutische Unternehmer erhalten befristet bis zum 30. Juni 2028 die Möglichkeit, vertrauliche Erstattungsbeträge bei neuen Arzneimitteln zu vereinbaren – allerdings erst, nachdem der Erstattungsbetrag steht. Dies führt zwingend zu einem Preisnachlass von 9 Prozent. Weitere Voraussetzung: Der pharmazeutische Unternehmer muss eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nachweisen können. Diese Regelung soll Ende 2026 evaluiert werden. Gleichzeitig werden Informationen zur Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln mit vertraulichem Erstattungsbetrag Pflichtbestandteil der von den Vertragsärzten genutzten Software.
  • Die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten „Leitplanken“ für die Erstattungsbetragsverhandlungen werden gelockert – und zwar für Arzneimittel mit einem relevanten Anteil klinischer Prüfungen in Deutschland. Dafür müssen mindestens 5 Prozent der Probanden aus der Zulassungsstudie an der klinischen Studie in Deutschland teilgenommen haben. Das gilt für drei Jahre, es sei denn, der pharmazeutische Unternehmer weist eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nach.
  • Ergänzt wurde der Gesetzentwurf zudem unter anderem um eine Regelung zur Förderung akademischer Studien, eine Spiegelung der Regelungen im Arzneimittelrecht im Medizinprodukterecht sowie die Anerkennung von Drittlandinspektionen insbesondere in China.

Bundesethikkommission im Fokus

Andrew Ullmann (FDP) stellte sich zwar hinter das Gesetz, machte jedoch klar, dass er weiterhin kritisch auf die Schaffung einer Bundesethikkommission blicke. Behördliche Doppelstrukturen gelte es zu vermeiden. Daran knüpfte die CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner inhaltlich an. Auch sie lehnt die Schaffung einer Bundesethikkommission ab. Diese sei mittelbar über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Weisungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) unterworfen, befürchtet Zeulner. Sie forderte im Namen ihrer Fraktion überdies eine komplette Abschaffung der „Leitplanken“. Diese waren Ende 2022 mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführt worden und geben für die Verhandlung von Erstattungsbeträgen Preisobergrenzen in Abhängigkeit der Vergleichstherapie und des Ergebnisses der Nutzenbewertung vor – die Ampelfraktionen haben hier nun neue Spielräume eröffnet. Ebenso lehnt Zeulner auch die nachjustierten Regelungen zu vertraulichen Erstattungsbeträgen ab: „Statt Verlässlichkeit haben Sie ein Bürokratiemonster auf den Weg gebracht“, hielt sie der Ampel vor.

Janosch Dahmen von der Grünen-Fraktion versuchte die Vorwürfe einer möglichen Lenkung der zu schaffenden Bundesethikkommission durch das BMG zu entkräften. Deren Mitglieder würden schließlich „von den Ländern benannt“. Damit sei die Kommission „genauso unabhängig wie die STIKO“.

Lex Eli Lilly?

Einer Frage aus der parlamentarischen Gruppe der Linken zur möglichen Einflussnahme des US-Pharmaproduzenten Eli Lilly entgegnete Lauterbach in seiner Einleitung, dass es keine Einflussnahme von Unternehmen auf den Gesetzgebungsprozess gegeben habe. „Das Ganze ist im Rahmen der Diskussion über die Pharmastrategie entwickelt worden, und da waren keine ausländischen Unternehmen beteiligt, auch nicht Eli Lilly. Somit ist Ihre Mutmaßung falsch“, sagte der Minister. Dem widersprach die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler: Sie verwies auf Kontakte zwischen der Bundesregierung und Eli Lilly, die im Rahmen einer kleinen Anfrage ihrer Fraktion offengelegt worden seien. Das MFG mache das Geschäft mit Arzneimitteln noch lukrativer, kritisierte sie – und das zulasten der Krankenkassen.

Zweifel an praktischer Relevanz der vertraulichen Erstattungsbeträge

Ob die vertraulichen Erstattungsbeträge tatsächlich eine wesentliche Rolle spielen werden, scheint zweifelhaft. Zwar machte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, ihrem Unmut über die Regelungen zu den Arzneimittelpreisen schon im Vorfeld der Bundestagsdebatte Luft: „Wir haben nichts gegen eine staatliche Wirtschaftsförderung. Aber wir lehnen es ab, dass sich die Bundesregierung diese Förderung aus den Beitragsmitteln der GKV finanzieren lässt“. Etwas nüchterne Worte kamen jedoch von Franz Knieps, dem Vorstandsvorsitzenden des BKK Dachverbandes: Er sieht die im Gesetzgebungsverfahren vorgenommenen Änderung als wichtigen Teilerfolg. „Dass die Arzneimittelhersteller noch immer die Geheimhaltungskarte ziehen können, ist vor allem eine Frage der Gesichtswahrung für die Bundesregierung. Letztlich sind die Hürden für die Vertraulichkeit nun so hoch, dass sie in der Praxis wohl keine große Rolle spielen wird. Es würde mich nicht wundern, wenn diese Regelung nach Ablauf der Geltungsdauer von vier Jahren sang- und klanglos wieder verschwindet“.

Bundesrat erst nach der Sommerpause

Auch wenn der Bundestag das Gesetz noch kurz vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet hat: Da es auch noch den Bundesrat passieren muss, wird es noch etwas dauern, ehe es in Kraft treten kann. Auf die prall gefüllte Tagesordnung der Länderkammer hat es das Vorhaben an diesem Freitag nicht mehr geschafft. Die nächste Plenumssitzung des Bundesrats nach der Sommerpause findet erst am 27. September statt.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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