Umstrittene Prävention mit Arzneimitteln

Gesundes-Herz-Gesetz: Hecken kritisiert Aktionismus

Berlin - 08.07.2024, 10:00 Uhr

Pillen statt gesunder Ernährung und mehr körperliche Bewegung? Das ist für G-BA-Chef Josef Hecken keine gesunde Lebenseinstellung. (Foto: Rosa Reibke/G-BA)

Pillen statt gesunder Ernährung und mehr körperliche Bewegung? Das ist für G-BA-Chef Josef Hecken keine gesunde Lebenseinstellung. (Foto: Rosa Reibke/G-BA)


Auch G-BA-Chef Josef Hecken kritisiert die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mehr Statine verschreiben zu lassen. Die Cholesterinsenker seien keine „Pfefferminzbonbons aus dem Supermarkt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, kritisiert die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Mehr Medikamente und Check-ups schon für Kinder sind Aktionismus, aber keine Strategie, die Zivilisationserkrankung in den Griff zu bekommen“, sagte Hecken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Lauterbachs Entwurf für ein „Gesundes-Herz-Gesetz“ sieht vor, dass sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene künftig regelmäßig Herzuntersuchungen unterziehen sollen, um etwa Fettstoffwechsel-Störungen zu erkennen und vorzubeugen. Die Untersuchungen bereits im Kindes- und Jugendalter sollen frühzeitig Hinweise darauf geben, ob erbliche Gründe für Fettstoffwechsel-Störungen vorliegen. Auch Medikamente zur Rauchentwöhnung und zum Senken des Cholesterinspiegels sollen öfter verschrieben werden können.


Cholesterinsenker „keine Pfefferminzbonbons“

Aus Sicht von Hecken zielen die Pläne in die falsche Richtung: „Statt sich dafür einzusetzen, dass sich Kinder gesund und ausgewogen ernähren und es Aufklärungskampagnen zu einer gesunden Lebensweise gibt, sollen Arzneimittel verordnet werden“, beklagt er. Die von Lauterbach präferierten Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels seien keine „Pfefferminzbonbons aus dem Supermarkt“, sondern Medikamente mit vielen Wechsel- und Nebenwirkungen. Sie verursachten beispielsweise Muskelschmerzen, Leberschäden oder Diabetes.
 

Hecken sagte, bei einem solchen Vorgehen beginne die lebenslange Medikation künftig schon im Teenageralter. „Die Herangehensweise, schon bei Kindern dauerhaft auf die Gabe von Arzneimitteln zu setzen, muss doch die absolute Ausnahme bleiben, wenn aus medizinischen Gründen nichts anderes geht.“ Frühe Arzneimittelgaben müssten „auf unabdingbar notwendige Einzelfälle wie Kinder mit genetischer Vorbelastung beschränkt werden, bei denen eine Änderung des Lebensstils allein nicht ausreicht.“

Vergangene Woche hatte sich bereits der Vorstandsvize des Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, ähnlich geäußert. Er betonte, dass es keine Evidenz für einen solchen Einsatz von Statinen gebe; Prävention durch Medikamente sei „sicher der falsche Ansatz“.

Rund 350.000 Todesfälle pro Jahr

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die führende Todesursache in Deutschland und verursachen nach Angaben des Robert Koch-Instituts etwa 40 Prozent aller Sterbefälle, rund 350.000 pro Jahr. Das Gesundheitsministerium begründet die Notwendigkeit des Gesetzes unter anderem mit der im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern geringeren Lebenserwartung und zugleich einem Defizit bei Prävention und Früherkennung.


dpa-AFX / ks
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Hecken - bekannter Apparatschik

von ratatosk am 09.07.2024 um 8:24 Uhr

Der berüchtigte Hecken hat wieder mal wie ein typischer Apparatschik gesprochen. Bekannt ist er ja für seine Arbeitsweise für Konzerne Dinge hinzubiegen ( Metro als Station läßt grüßen) und Gesetze so auszulegen, daß es passt, auf Biegen und Brechen. Warum sich jemand als Jurist zu einem zugegebenermaßen schwierigen medizinischen Problem äußert, als hätte er irgendeine tiefere medizinische oder naturwissenschaftliche Ausbildung, läßt sich wohl nur mit dem Irrglauben vieler Juristen erklären, daß sie alles wissen und mit Gesetzen und Verordnungen regeln können.
Schon die Aussage daß die Pillen Bewegung gesunde Ernährung ersetzen sollen, ist ja offensichtlicher Schwachsinn, da diese Dinge immer berücksichtigt werden müssen, es geht um die Frage ob man es ergänzen sollte.
Ob Studien eine Ergänzung jemals rechtfertigen werden ist natürlich ebenfalls völlig offen, aber das ist eben keine juristische oder verwaltungstechnische Frage.
Solcher Problem hätte er sich bei einer zunehmend dysfunktionalen Verwaltung anzunehmen und zu lösen, dazu reicht es wohl nicht.
Leider ist das Niveau dieser Ministerialen eben das was es ist, das Ergebnis sehen wir in D.

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