Digitale Rezept-Erinnerung

Automatisch zum Folgerezept – auch in der Apotheke vor Ort

31.07.2024, 07:00 Uhr

Damit die Tabletten nicht plötzlich ausgehen: Rezeptmanagement durch die Apotheke vor Ort. (Foto: Gina Sanders /AdobeSTock)

Damit die Tabletten nicht plötzlich ausgehen: Rezeptmanagement durch die Apotheke vor Ort. (Foto: Gina Sanders /AdobeSTock)


Eine niederländischer Arzneimittelversender bietet chronisch Kranken ein Rezept-Abo an. Das heißt, dass sich der Dienstleister um das rechtzeitige Anfordern des Folgerezeptes kümmert. So wird der Patient entlastet, da er nicht selbstständig daran denken muss. Mit welchen Systemen könnten Vor-Ort-Apotheken ein Rezept-Abo anbieten?

Mit dem Slogan „Einmal bestellt – immer versorgt“ wirbt eine Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden für einen Service, der sehr treffend als Rezept-Abo bezeichnet wird. Dabei geht es um nichts Geringeres als die Anforderung von Folgerezepten im Rahmen einer laufenden Therapie im Auftrag der Patienten. Beauftragt also ein Patient besagte Versandapotheke mit diesem Rezeptmanagement, so fordert diese beim Arzt das Folgerezept an und beliefert dann den Patienten, sobald das Rezept vom Arzt bestätigt wurde [1].

„Dürfen die das denn überhaupt?“ mögen sich die Leserinnen und Leser nun fragen. Ja, das dürfen sie. Sofern die Patienten Dritte damit beauftragen, Rezepte abzuholen, und sie diese Dritten auch mit den dafür notwendigen Informationen – wie dem Namen des Arztes, Angaben zur Krankenversicherung sowie der Versichertennummer – ausstatten, steht einem Delegieren dieses Prozesses nichts im Wege. Auch beim E-Rezept, das per Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke vor Ort abgerufen wird, dürfen „Vertreter“ zum Einlösen der Rezepte eingesetzt werden, wie das Bundesgesundheits­ministerium auf seinen FAQ zum E-Rezept erklärt [2].

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„Warum machen die das?“ könnte die nächste Frage sein. Die eigentliche Frage sollte jedoch lauten: „Warum machen die Apotheken vor Ort das nicht?“ Denn was die niederländische Versandapotheke anbietet, ist keineswegs Raketentechnik. Vielmehr wird mit den auf dem Rezept vorhandenen Informationen ein zusätzlicher Nutzen für Patienten geboten. Das Nachbestellen von Folgerezepten für Chroniker ist auch in Zeiten des E-Rezeptes und der Dauerverordnung für maximal zwölf Monate immer noch oft mit dem Gang zum Arzt verbunden. In vielen Praxen kann man Verordnungen zwar telefonisch vorbestellen, doch das Stecken der eGK erfordert meist einen Besuch. Dafür müssen die Öffnungszeiten der Praxis mit der eigenen zeitlichen Verfügbarkeit in Einklang gebracht werden. Und natürlich funktioniert das alles nur, wenn der Patient die Rezeptbestellung nicht schlicht und einfach vergisst. Damit erschließt sich auch die gesundheitsökonomische Dimension eines solchen Rezept-Abos. Vergessene oder nicht bestellte Folgerezepte bedeuten Non-Adhärenz und Therapieabbrüche, die im schlimmsten Fall hohe Folgekosten für das gesamte Gesundheitssystem nach sich ziehen. Über die Sinnhaftigkeit eines Rezept­managements durch die Apotheke besteht somit keinerlei Zweifel. Apotheken, die Heime nach § 12a Apothekengesetz beliefern, werden dies bestätigen.

Inhaltlich werden beim Rezept-Abo nur die Daten verwendet, die sich auf jedem Rezept befinden. Anhand der Packungsgröße und der Dosierung lässt sich die Reichweite berechnen – also die Dauer, für die der Vorrat der verordneten Arzneimittel ausreicht. Kalkuliert man noch die Dauer für die Anforderung des Folgerezeptes, die Zeitspanne zwischen Versand des Arzneimittels und dessen Eintreffen beim Patienten sowie einen Puffer für Urlaubszeiten und sonstige Abwesenheiten, kann man einen optimalen Zeitpunkt für den nächsten Bestellzeitpunkt definieren. Den Patienten werden dadurch datenbasierte Mehrwertdienstleistungen angeboten, die sich vermutlich auch bei der Politik gut darstellen lassen. Denn es ist höchst wahrscheinlich, dass die Adhärenz von Teilnehmenden am Rezept-Abo messbar über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Rezeptmanagement für Vor-Ort-Apotheken

Die Daten, mit denen die niederländische Versandapotheke arbeitet, sind natürlich kein geschütztes Hoheitswissen. Sie ergeben sich vielmehr unmittelbar aus der Verordnung, egal, ob diese elektronisch oder auf einem Muster-16 Rezept erfolgt. Grundsätzlich liegen also jeder Apotheke die Informationen vor, mit denen sie ein solches Geschäftsmodell anbieten kann. Bevor wir einen tieferen Blick auf das Rezept-Abo werfen, bei dem die Apotheke direkt beim Arzt für den Patienten das Rezept nachbestellt, schauen wir uns zunächst an, was die Apotheke vor Ort benötigen würde, um überhaupt ein Rezeptmanagement anbieten zu können – also die Erinnerung über die Fälligkeit eines Folgerezeptes an den Patienten. Die erste Voraussetzung, um ein Rezeptmanagement anbieten zu können, ist die Möglichkeit, Abverkäufe auf eindeutige Kundenkonten zu tätigen. In nahezu allen Warenwirtschaftssystemen können Apothekenkunden samt ihren Stammdaten angelegt werden. Einige Apotheken haben schon in den frühen 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts damit angefangen, Kundenkarten zu verteilen. Schon damals hielten Berater, u. a. von der Treuhand Hannover, Apotheken dazu an, mit Kundenkarten zu arbeiten. Der Hintergedanke war stets, dass man einmal im System erfasste Kunden besser beraten kann. Schließlich erhält man ein viel umfassenderes Bild vom Patienten, wenn man nicht nur singulär auf die im einzelnen Abverkaufsvorgang enthaltenen Arzneimittel schaut, sondern auch über eine gewisse Historie verfügt, mit der man tiefgründigere pharmazeutische Analysen durchführen kann.

Kundenkarte muss sein

Die zweite Voraussetzung ist das Arbeiten mit der Kundenkarte. Selbst wenn im Jahr 2024 kaum noch jemand auf die Idee kommen dürfte, echte Kundenkarten aus Plastik auszugeben, so gehört die Frage nach der Kundenkarte zum kleinen Einmaleins im Handverkauf. Man kann auch fragen, ob „Sie bei uns im System angelegt sind?“ Der Nutzen für den Patienten war früher häufig ein Nachlass auf freiverkäufliche Artikel. Heute kann man sicher auch noch zusätzlich mit pharmazeutischen Dienstleistungen werben. „Nur so, lieber Patient, können wir auch nachsehen, dass es keine Wechselwirkungen bei Ihren Arzneimitteln gibt.“

Was sollten die Vor-Ort-Apotheken tun?

Das Ziel der Apotheken sollte sein, insbesondere ihre chronisch kranken Patienten auch digital in einen Loop zu bekommen, der nicht nur die Versorgung durch die eigene Apotheke sicherstellt, sondern auch gleichzeitig die Patienten entlastet. Dabei sollte der Apotheke kein zusätzlicher Aufwand entstehen, sondern die vorhandenen Prozesse noch einmal optimiert werden.

  • Reichweitenberechnung Die eigene Warenwirtschaft daraufhin überprüfen, ob und wie sich Folgerezepte ermitteln lassen. Sofern kein passendes Modul verfügbar ist, das ggf. in der Heimversorgung steckt, beim Softwareanbieter anfragen, ob es eine solche Funktion gibt und wie man diese nutzen kann.
  • E-Mail-Adressen Alle Patienten, deren Rezepte zur Neige gehen, sollten darüber informiert werden. Mail-Adressen sind die niedrigschwelligste Kommunikationsform hierfür. Die Frage nach der Mail-Adresse sollte also ganz oben in der Kommunikationspriorität am HV stehen. Es gibt Apotheken, welche die Umschau (oder mylife) nur noch an Kunden abgeben, deren Mail-Adresse im System hinterlegt ist.
  • Rezepte nachfordern Der Prozess sollte einfach sein und idealerweise direkt aus der Warenwirtschaft heraus erfolgen. Mit wenigen Klicks sollte eine Liste der Patienten, deren Rezepte zur Neige gehen, erstellt und die Patienten kontaktiert werden können. Sofern das nicht direkt aus der Warenwirtschaft heraus geht, ist der Einsatz eines CRM-Tools zu prüfen.
  • CRM Sofern das eigene Warenwirtschaftssystem keine CRM-Funktionalität wie das Versenden von Mails an zuvor ermittelte Zielgruppen anbietet, sollte man sich mit den kommerziellen Tools auseinandersetzen. Von Hubspot beispielsweise gibt es eine Gratis-Version, mit der man schon einmal testen kann, wie die automatisierten Mails funktionieren.
  • Nutzen kommunizieren Die Kunden sollten klar den Vorteil von Erinnerungsmails und sonstigen Informationen erkennen.

Module zur Altenheimversorgung als Schlüssel

Die dritte Voraussetzung für ein Rezeptmanagement ist eine Reichweitenberechnung. Hier trennt sich bereits die Spreu vom Weizen. Es gibt Warenwirtschaften, die genau das anbieten. Meist versteckt sich die Funktionalität in Software-Modulen, die für die Altenheimversorgung entwickelt wurden. Dort war es üblich, dass Apotheken die Rezepte beim Arzt nachbestellt haben, deswegen wurde die Funktion auch an genau dieser Stelle integriert. Je nach Prozess in der Apotheke kann man dann pro Heim oder pro Station für einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise die kommende Woche, ermitteln, welche Rezepte nachbestellt werden müssen. Diese lassen sich dann pro Arzt darstellen, und das Rezeptmanagement kann erfolgen. Dabei ist es unerheblich, ob Patienten tatsächlich in einem Altenheim wohnen. Die Funktionalität lässt sich für alle Kunden anwenden.

Und wenn die Programmlogik die Zusammenfassung der Kunden in einem Heim oder einer Station erfordert, so kann man ein Altenheim „HV-Kunden“ mit der Station „Rezeptmanagement“ anlegen. Dann sind die systemseitigen Er­fordernisse formaltechnisch erfüllt, und man kann das Rezeptmanagement auch allen Laufkunden anbieten, deren Stammdaten im System hinterlegt sind. Sind diese drei Voraussetzungen gegeben, hat auch die Apotheke vor Ort die Möglichkeit, Patienten, deren Arzneimittel zur Neige gehen, über die Notwendigkeit eines Folgerezepts zu informieren. Hier kommt es nun auf die optimale Unterstützung durch die Software an, um die Rezeptnachforderungen möglichst einfach in den Arbeitsablauf integrieren zu können.

Kundenbeziehungen verwalten, aber wie?

Ideal wäre es, alle Kunden, die ein Folgerezept benötigen, per E-Mail darüber zu informieren. Geschieht das rechtzeitig, bestenfalls gute zwei Wochen bevor das Medikament zur Neige geht, ist die Chance groß, dass die Kunden ihr Rezept auch bestellen und in der Arztpraxis abholen. Nur: Von wie vielen ihrer Kunden hat die durchschnittliche Vor-Ort-Apotheke überhaupt Mail-Adressen? Und wie aktuell sind diese? Versandapotheken sind hier klar im Vorteil: Wo online bestellt wird, wird stets auch eine aktuelle Mail-Adresse verwendet. Dort landen Bestell- und Versandbestätigungen, weswegen klar ist, dass die Kunden diese Mail-Adressen auch verwenden und dort regelmäßig nach neuen Nachrichten schauen.

Daneben haben die wenigsten Warenwirtschaftssysteme sogenannte „CRM-Funktionen.“ CRM steht für Customer Relationship Management, also Software zur Verwaltung von Kundenbeziehungen. Bekanntere kommerzielle CRM-Tools sind beispielsweise Hubspot oder Salesforce. Diese haben stets auch eine starke vertriebliche Komponente und lassen sich per Schnittstellen an viele andere Programme anbinden. Im Versandhandel wird ebenfalls mit CRM-Tools gearbeitet. Diese können vorformulierte, personalisierte E-Mails an individuell zu definierende Zielgruppen versenden. Antworten die Empfänger der Mail nicht binnen einer bestimmten Frist, so gibt es automatisierte Nachfass-Mails. Könnte man also die Warenwirtschaft, in der die Folgerezepte für den nächsten Zeitraum ermittelt werden, mit dem CRM-Tool verbinden, so würden alle weiteren Schritte vollautomatisch erfolgen: Die Patienten bekommen eine Mail und senden entweder ihr Folgerezept elektronisch oder per Post – oder sie bekommen eine Erinnerung. Selbst wenn damit nur die Hälfte der Kunden erreicht wird, so ist der Aufwand doch nahezu Null. Und die Kunden, die bis kurz vor Erreichen der Fälligkeit nicht reagiert haben? Nun, die werden vom Versandhandel selbstverständlich angerufen und an das Folgerezept noch mal telefonisch, persönlich und ganz gewiss auch freundlich erinnert [3]. 

Rezept-Erinnerung der Vor-Ort-Apotheke: Fazit

Dem Rezeptmanagement durch die Apotheke vor Ort steht rein technisch nichts im Weg. Da mit Warenwirtschaft und CRM vermutlich zwei Systeme genutzt werden müssen, empfiehlt sich professionelle Unterstützung bei der Implementierung und eine klare Aufgabenzuordnung für den laufenden Betrieb. Was zunächst nach Mehraufwand klingt, könnte den Job in der Apotheke andererseits auch interessant machen für Menschen, die gerne am Computer arbeiten oder sogar die Möglichkeit von Homeoffice-Tätigkeiten bieten.

Und was das Rezept-Abo der niederländischen Versandapotheke betrifft: Dieses ist jederzeit kündbar laut Homepage. Um sich also ein Bild über die Versorgungsqualität zu machen und vielleicht sogar einen Blick auf die Vertragsgestaltung durch den Versender zu werfen, kann man es einfach ausprobieren. Und dann nach der ersten Bestellung kündigen – um es in optimierter Form für die eigene Apotheke zu adaptieren.

Literatur

[1] Einfach und schnell zum Rezept-Abo. DocMorris N.V., www.docmorris.de/rezepte/rezept-abo

[2] Fragen und Antworten zum Elektronischen Rezept (E-Rezept). Bundesministerium für Gesundheit, www.bundesgesundheitsministerium.de/e-rezept/faq-e-rezept-egk

[3] Kostenlose CRM-Software. HubSpot Inc, www.hubspot.de/products/crm


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Mehraufwand

von Thomas Kerlag am 08.08.2024 um 7:04 Uhr

Falsch, der Praktizierende weiß, dass es zu Mehraufwand kommen wird

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