Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Neue Perspektiven für Filialen als OHG

Berlin - 02.08.2024, 13:45 Uhr

Wie schafft man es, ein flächendeckendes Apothekennetz zu erhalten? Filialen im OHG-Betrieb könnten möglicherweise ein Ansatzpunkt sein. (Foto: IMAGO / Manngold) 

Wie schafft man es, ein flächendeckendes Apothekennetz zu erhalten? Filialen im OHG-Betrieb könnten möglicherweise ein Ansatzpunkt sein. (Foto: IMAGO / Manngold) 


Zwei Apotheker, die beide als Einzelkaufleute eigene Apotheken betreiben, können daneben eine gemeinsame Filiale in der Rechtsform der OHG betreiben. Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschieden.

Das Apothekengesetz sieht vor, dass ein*e Apotheker*in bis zu vier Apotheken betreiben darf – drei davon als Filialen. Zudem bestimmt es, dass mehrere Personen eine Apotheke auch in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) betreiben dürfen (§ 8 ApoG) – damit wird die Verantwortung und wirtschaftliche Last auf mehrere Schultern verteilt. Doch die Regelungen zu Filialen und OHGs werfen in ihrem Zusammenspiel auch praktische und in der Folge rechtliche Fragen auf.

Das zeigt ein Fall aus Leipzig: Seit über vier Jahren kämpfen hier zwei Apotheker, die bereits jeweils eigene Apotheken besitzen (einer von ihnen zusätzlich eine Filiale), darum, eine gemeinsame OHG-Filiale betreiben zu dürfen. Zusammen wollten sie eine in Insolvenz gegangene Leipziger Apotheke erwerben und fortführen. Dafür hatten sie im März 2019 bei der zuständigen Landesdirektion die entsprechende Erlaubnis bzw. die Änderung ihrer bestehenden Betriebserlaubnisse beantragt. Für die neue Betriebsstätte sollte ein gesonderter Filialleiter eingesetzt werden; die Einzelapotheken sollten weiterhin getrennt von der OHG geführt werden.

§ 8 Apothekengesetz

Mehrere Personen zusammen können eine Apotheke nur in der Rechtsform einer rechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betreiben; in diesen Fällen bedürfen alle Gesellschafter der Erlaubnis. (…)

Die Behörde lehnte den Antrag jedoch ab. Die Begründung: § 8 Apothekengesetz sei in der vorliegenden Konstruktion nicht anwendbar. Das Vorhaben der beiden Apotheker würde dazu führen, dass sie jeweils eine Erlaubnis als eingetragener Kaufmann und eine als OHG-Gesellschafter führen würden – doch das sei rechtlich nicht vorgesehen. Vielmehr dürfe jeder Apotheker nur eine Betriebserlaubnis erhalten. Denn jeder einzelne Apotheker sei zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet (§ 7 ApoG). Diese Verpflichtung habe der Gesetzgeber nicht nur dem selbstständigen Apotheker, sondern auch dem OHG-Gesellschafter auferlegt. Zudem gefährde das Modell das Fremd- und Mehrbesitzverbot – so werde dadurch eine Kettenbildung von Apotheken möglich.

Erste Instanz: „Gemischte“ Erlaubnis rechtlich nicht vorgesehen

Nachdem der Widerspruch gegen den Behördenbescheid nicht gefruchtet hatte, zogen die Apotheker mit anwaltlicher Unterstützung der Treuhand Hannover vor das Verwaltungsgericht Leipzig. Doch auch dort scheiterten sie: Im Sommer 2021 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Wunsch nach einer „gemischten“ Erlaubnis, für den Einzelbetrieb sowie die gemeinsame OHG-Filiale sei vom Apothekengesetz nicht gedeckt. Es würde zu zwei verschiedenen, sich nur teilweise überschneidenden Apothekenverbünden führen, und das sei dem Gesetz fremd.

Ringen um die Berufung

Das Gericht war sich so sicher, dass es nicht einmal die Berufung zuließ. Doch die Kläger blieben hartnäckig – auch wenn dabei viel Zeit ins Land ging. Ihre Rechtsvertreter beantragten letztlich erfolgreich die Zulassung der Berufung – und am gestrigen Donnerstag, also fast drei Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil verhandelte der 6. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts – und fällte auch gleich sein Urteil (Az: 6 A 522/21).

Zweite Instanz hebt Behördenbescheide auf

Die schriftlichen Gründe liegen noch nicht vor. Doch die Entscheidung an sich steht: Das Oberverwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide der Landesdirektion, die den Apothekern jeweils die Erlaubnis für den Betrieb der OHG-Filiale versagten, aufgehoben. Zudem hat es festgestellt, dass der Erteilung der beantragten Erlaubnisse – einschließlich der gemeinsam als OHG geführten Filialapotheke – nicht entgegensteht, dass die Kläger ihre weiteren in Leipzig gelegenen Apotheken als Einzelkaufleute betreiben.

Die genaue Begründung bleibt abzuwarten. Wie Rechtsanwalt Fabian Virkus von der Leipziger Niederlassung der Treuhand Hannover auf Nachfrage der DAZ berichtete, ging es in der rund zweistündigen Verhandlung vor allem darum, wie der Begriff „Apotheke“ in § 8 ApoG auszulegen ist. Muss es die Hauptapotheke sein? Oder ist dieser ein Oberbegriff für jede Vollsortimentsapotheke in eigener Verantwortung, egal ob Haupt- oder Filialapotheke? Das Gericht hat sich offenbar überzeugen lassen, dass hier der Oberbegriff gemeint ist, mit der Folge, dass auch Filialen als OHG betrieben werden dürfen – und diese OHG aus Apothekern besteht, die ansonsten eine (oder mehrere) Apotheken als Einzelkaufleute betreiben.

Für Virkus ist klar, dass von solchen Konstruktionen keine eine größere Gefahr ausgeht als von den bisher üblichen. Es bleibe bei der inhabergeführten Apotheke – nur die Lasten und die Haftung würden geteilt. Für den Anwalt ist es den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums für „Light“-Apotheken klar vorzuziehen, wenn Apotheker eine ansonsten geschlossene Betriebsstätte einer gemeinsamen OHG mit geteilter Haftung übernehmen können.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht zugelassen. Ob die Behörde dieses Rechtsmittel wirklich einlegen will, bleibt abzuwarten.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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