Kleine Anfrage der Unionsfraktion

Bedrohen chinesische Anti-Spionage-Gesetze die Arzneimittelversorgung?

Berlin - 06.09.2024, 13:00 Uhr

Arzneimittelversandstandort im chinesischen Zhangjiakou. (Foto: IMAGO / NurPhoto)

Arzneimittelversandstandort im chinesischen Zhangjiakou. (Foto: IMAGO / NurPhoto)


Mit einer Novellierung der Anti-Spionage-Gesetze droht China ausländischen Staatsbürgern mit schärferen Sanktionen, falls sie Informationen weitergeben, die als relevant für die nationale Sicherheit betrachtet werden. Ob dadurch der Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen aus China gefährdet sein könnte, wollte die Unionsfraktion von der Bundesregierung wissen. Diese versucht zu entwarnen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat nach einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung Auskunft zu den Konsequenzen verschärfter Anti-Spionage-Bestimmungen in China für die Arzneimittelversorgung erhalten. Bei den zuständigen Behörden der Länder gab es wachsende Befürchtungen, Inspekteure an chinesische Produktionsstätten zu entsenden. Ohne regelmäßige Kontrolle und Zertifizierung der Produktionsstandorte ist ein Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen nicht möglich. Eine Verschärfung der Lieferengpässe könnte die Folge sein.

Bundesregierung sieht keinen Grund zur Beunruhigung

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage versucht die Bundesregierung die Befürchtungen zu entkräften: „Eine Bedrohung der Arzneimittelversorgung ist durch das chinesische Gesetz derzeit nicht zu befürchten“, heißt es.

Darüber hinaus gebe es neben den jüngsten Änderungen der Anti-Spionage-Bestimmungen bereits eine „Vielzahl von chinesischen Gesetzen“, die Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte ausländischer Staatsbürger ermöglichten. Die Novellierung der Anti-Spionage-Gesetzgebung sei nur eine Ergänzung zu „bereits bestehenden Praktiken“. Bisher scheint die Gesetzesänderung jedoch keine Konsequenzen zu haben, folgt man der Darstellung der Bundesregierung:

„Aktuell liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, dass deutsche Behörden, Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Staatsbürger von Maßnahmen nach diesem Gesetz betroffen waren.“

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In ihrer Anfrage verwies die Union auch auf das Medizinforschungsgesetz. Darin ist nun eine Änderung des Arzneimittelgesetzes vorgesehen, die es ermöglichen soll, dass auch Inspekteure von Partnerstaaten die Zertifizierungen durchführen. Laut Unionsfraktion, bezieht sich dieser Ansatz nur auf Arzneimittel, jedoch nicht auf Wirkstoffe. Auf die Frage, wie die Regierung über diese beschlossene Anpassung hinaus auf eine Gefährdung durch die verschärften Anti-Spionage-Gesetze reagiere, erklärt diese, sie stehe im engen Austausch mit den Ländern, „um mögliche Bedenken und Risiken bei zukünftigen Inspektionsreisen zu minimieren.“ Darüber hinaus rede sie auch mit der chinesischen Regierung über die „Auswirkungen des Gesetzes auf den von den Fragestellenden genannten potenziellen Kreis Betroffener.“

Im Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis Ende Juli 2024 wurden laut Bundesregierung 18 solcher Inspektionsreisen nach China durchgeführt. Weitere Inspektionen seien als „Distant Assessments“ durchgeführt worden, heißt es. In den Jahren vor der Pandemie seien durchschnittlich 25 Inspektionen pro Jahr durchgeführt worden.

Über Absagen von geplanten Inspektionsreisen, lägen der Regierung keine Erkenntnisse vor. Auch auf die Frage, welche Wirkstoffe wegen fehlender Zertifikate derzeit nicht aus China geliefert werden könnten, könne man nichts sagen.

Länder, Pharmaproduzenten und Großhändler sind alarmiert

Im Juli 2023 war eine Änderung des „Anti-Spionage-Gesetzes“ in China in Kraft getreten, dieses Jahr kam im Mai eine Neufassung des „Staatsgeheimnisgesetzes“ hinzu. Damit droht Ausländern ein Ausreiseverbot, falls durch sie „Arbeitsgeheimnisse“ bekannt würden, die als sicherheitsrelevant für den chinesischen Staat angesehen werden.

Da für den Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen nach Deutschland ein Nachweis der „good manufacturing practice“ (GMP) erforderlich ist, müssen regelmäßig Inspektionsreisen in ausländische Produktionsstätten durchgeführt werden – in der Regel alle drei Jahre. Für die Überwachung sind in Deutschland die Behörden der Länder zuständig.

Seit der Verschärfung der Anti-Spionage-Gesetze in China gibt es wachsende Bedenken von Landesbehörden, Inspekteure dorthin zu entsenden. Bei einer Umfrage der „Welt am Sonntag“ im Mai gaben die Bundesländer Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein an, geplante Inspektionsreisen ausgesetzt zu haben. Grund dafür seien „erhebliche Sicherheitsbedenken“. Andere Länder sprachen von „erschwerten Bedingungen“ bei durchgeführten Inspektionen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und Pharma Deutschland (früher BAH) zeigten sich alarmiert. Da viele Zertifikate in diesem Jahr auslaufen, drohe eine Verschärfung der Lieferengpässe. Pharma-Deutschland-Präsidentin Dorothee Brakmann hatte gefordert, dass ein Bundesministerium die Federführung übernehmen müsse, um die Gefahr abzuwenden.

Auch der Arzneimittelgroßhändler Noweda hatte im Juli vor wachsenden Versorgungsproblemen gewarnt, da weitere Zertifikate bei chinesischen Produktionsstandorten ablaufen.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Richtig

von Michael Weigand am 06.09.2024 um 13:44 Uhr

Ich gebe der Bundesregierung und Herrn Lauterbach dieses eine Mal Recht....die Bedrohung der Arzneimittelversorgung kommt nicht durch China, sondern durch diesen Gesundheitsminister.

Nebenbei....was soll denn da noch bedroht werden....gibts etwa weniger Salbutamolsprays oder Diabetes-Präparate wie Ozempic/Trulicity....sprich weniger als Null

in diesem Sinne einen schönen Restwahnsinn

Michaael Weigand

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