Weniger Herzinfarkte durch Kalzifizierung?

Statine stabilisieren koronare Plaques

06.09.2024, 14:00 Uhr

Die Einnahme von Statinen kann Herzinfarkten vorbeugen. (Foto: RFBSIP/AdobeStock)

Die Einnahme von Statinen kann Herzinfarkten vorbeugen. (Foto: RFBSIP/AdobeStock)


HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine) senken erhöhte LDL-Cholesterol-Spiegel im Blut und damit das kardiovaskuläre Risiko. Darüber hinaus auftretende pleiotrope Effekte verlangsamen die Progression atherosklerotischer Plaques. Laut einer aktuellen Studie werden sie dadurch stabiler und dichter. Dieser Prozess könnte das Herzinfarktrisiko senken.

Eine Hyperlipidämie, bei der Chole­sterol- bzw. Triglycerid-Werte im Blut erhöht sind, steigert das Risiko für Atherosklerose und kardiovaskuläre Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit und Herzinfarkte erheblich. Das Endothel wird vor allem durch Low-density-Lipoproteine (LDL) geschädigt. Cholesterol und Cholesterol­ester sind lipophil und werden deshalb im Blut als Lipoproteine (u. a. LDL-Cholesterol) transportiert. Das als „schlechtes Cholesterol“ bekannte LDL-Cholesterol wird in der Gefäßwand teilweise oxidiert und von Makrophagen aufgenommen. Die Folge: Schaumzellen entstehen, die zusammen mit Lymphozyten das Innere einer atherosklerotischen Ablagerung in der Gefäßwand (Plaque) bilden. Eine fibröse Kappe grenzt diese nach außen ab. Mit steigender Größe und schwindender stabilisierender Hülle steigt das Risiko einer Plaque-Ruptur und damit die Gefahr für einen Herzinfarkt [1]. Nicht nur die Größe der Plaques, sondern auch deren Zusammensetzungen sind für die Stabilität (Dichte, Calciumanteil) entscheidend.

Einsatz von Statinen

Bei der Therapie von Hyperchole­sterolämie sind, neben Lebensstilinterventionen, Statine Mittel der Wahl. Sie hemmen kompetitiv die 3-Hydroxy-Methylglutaryl-Co­enzym-A(HMG-CoA)-Reduktase, welche HMG-CoA in Mevalonat überführt, ein wichtiger Schritt in der Cholesterol-Biosynthese. In der Folge erhöht sich die Zahl der LDL-Rezeptoren, durch die LDL-Cholesterol verstärkt in die Zellen aufgenommen wird. Die Konzen­tration an LDL-Cholesterol im Blut sinkt [1]. Bei Nicht-Erreichen der Risiko-basierten LDL-Zielwerte durch die alleinige und hoch­dosierte Gabe eines hochpotenten Statins (z. B. Rosuvastatin) findet stufenweise eine Eskalation statt. Zusätzlich können Ezetimib, Bempedoinsäure sowie Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9(PCSK9)-Hemmer (z. B. Evolocumab) eingesetzt und als Kombinationstherapie indiziert sein.

Stärkere Kalzifizierung durch Statine

Wie greifen nun Statine in dieses Geschehen ein? Im Rahmen einer Online-Fortbildung der Sportkardiologie der Technischen Universität München machte Professor Dr. Martin Halle darauf aufmerksam, dass Statine nicht die Progression von atherosklerotischen Plaques hemmen, sondern ihre positive Wirkung vielmehr durch eine vermehrte Verkalkung erzielen. In der Folge werden Plaques stabilisiert und das Rupturrisiko gesenkt – also das, was das Ziel ist. Er gilt international als einer der führenden Experten im Bereich Prävention.

Statine verändern Plaque-Zusammensetzung

2021 veröffentlichte ein Team um Dr. Alexander von Rosendael die Ergebnisse der PARADIGM-Observations-Studie, in der die Effekte einer Statin-Einnahme auf koronare Plaques bei 857 Patienten untersucht wurden [2]. Rosendael und seine Kollegen dokumentierten über mindestens zwei Jahre 2458 Koronarläsionen mittels wiederholter Koronar-CT-Angiografie, einem bildgebenden Verfahren, bei dem die Dichte und Kalzifizierung der Plaques in den Koronargefäßen dargestellt wird. 64% der Patienten nahmen Statine ein. Die Forscher unterschieden je nach Dichtegrad sechs verschiedene Plaque-Typen (s. Kasten „Plaque ist nicht gleich Plaque“). Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Plaques in ihrer Zusammensetzung änderten: Ohne die Einnahme von Statinen nahm das Volumen aller sechs Plaque-Typen zu. Im Vergleich dazu reduzierte sich unter Statinen das Volumen der lipidreichen Plaques, mit sehr geringer Dichte (Low-Attenuation-Plaques) sowie der fibrös-lipidreichen Plaques. Interessanterweise nahm der Anteil kompakter, kalzifizierter Plaques mit hoher Dichte (high-density calcium) sowie der mit höchster Dichte (1K-Plaques) zu.

Plaque ist nicht gleich Plaque

Plaques bestehen aus Lipiden, Calciumsalzen, fibrösem Gewebe (Binde­gewebe und Kollagen), Entzündungszellen und Schaumzellen. Sie können je nach Zusammensetzung stabil oder instabil sein. Instabile Plaques haben einen weichen Kern aus Fett und Cholesterol und sind anfälliger für Rupturen. Das kann in der Folge zu Herz­infarkten führen. Im Gegensatz dazu sind kalzifizierte Plaques stabiler. in der PARADIGM-Observations-Studie untersuchten die Wissenschaftler deshalb die Wirkung von Statinen auf unterschiedliche Plaque-Typen:

  • lipidreiche, weiche Low-Attenuation-­Plaques (LAP) mit sehr geringen Dichtewerten
  • fibrös-lipidreiche Plaques
  • fibröse (faserreiche) Plaques
  • kalzifizierte Plaques mit niedrigen Dichtewerten
  • kalzifizierte Plaques mit hohen Dichtewerten
  • sogenannte 1K-Plaques (calciumreich) mit sehr hohen Dichtewerten

Die Forscher untersuchten auch den Einfluss von Statinen auf kalzifizierte Plaques. Im Gegensatz zu unbehan­delten Patienten erhöhte sich unter Statinen das Gesamtvolumen der verkalkten Plaques nicht. Stattdessen wurden sie kompakter. Statine scheinen damit verdichtend auf koronare Plaques zu wirken.

Durch eine Interaktionsanalyse zwischen der Kompaktheit und dem Plaque-Volumen stellten die Autoren der Studie fest, dass Plaques mit zunehmender Kalzifizierung langsamer wachsen.

Mitmachen am Welt-Herz-Tag

Der diesjährige Welt-Herz-Tag findet am 29. September 2024 unter dem Motto „Warnsignale erkennen und handeln“ statt. Apotheken können den Tag nutzen, um gezielt auf die Pharmazeutische Dienst­leistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ aufmerksam zu machen. Da in Deutschland sechs Millionen Menschen mit einer koronaren Herzkrankheit und mindestens 20 Millionen mit erhöhtem Blutdruck leben, ist die Früherkennung besonders wichtig. Apothekerinnen und Apotheker können diese fördern und dazu beitragen den Nutzen medikamentöser Therapien aufzuklären. Dazu ruft eine Kooperation aus der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA), Bundesverband der Niedergelassenen Kardiologen und die Deutsche Herzstiftung e. V. aktuell auf. Bei Interesse können Apotheken bis zum 13. September 2024 Materialien und Poster der deutschen Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/warnsignale bestellen.

Weitere Informationen zum Aktionstag sind auf der Website der deutschen Herzstiftung zu finden: www.herzstiftung.de/service-und-aktuelles/publikationen-und-medien/weltherztag

Schutz durch kalzifizierte Plaques?

Kompakte, kalzifizierte Plaques sind mit einem geringeren Herzinfarktrisiko verbunden. Im Gegensatz dazu gilt ein hoher Anteil an Low-Attenuation-Plaques als starker, unabhängiger Prädiktor für ein erhöhtes Risiko eines Myokardinfarkts. Dies schlussfolgerte eine Nachauswertung der SCOT-Heart-Studie [3]. Laut der Hypothese von Rosendael und Kollegen könnte eine zunehmende Kalzifizierung mit einem geringeren Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse in Ver­bindung gebracht werden.

Literatur

[1] Geisslinger G, Guderman T, Menzel S et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart S. 272 – 278

[2] Van Rosendael A, van den Hoogen IJ, Gianni U et al. Association of Statin Treatment With Progression of Coronary Atherosclerotic Plaque Composition. JAMA Cardiol. 2021 doi:10.1001/jamacardio.2021.3055

[3] Williams MC et al. Low-attenuation noncalcified plaque on coronary computed to-mography predicts myocardial infarction: results from the multicenter SCOT-HEART Trial (Scottish Computed Tomography of the HEART). Circulation 16. März 2020


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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