Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

08.09.2024, 07:14 Uhr

Die Aporeform: Drama oder Komödie? Der Widerstand wächst. Wer drückt den Reset-Knopf? 

Die Aporeform: Drama oder Komödie? Der Widerstand wächst. Wer drückt den Reset-Knopf? 


Der Widerstand gegen die Apothekenreform von Lauterbach ist unübersehbar: Gesundheitsminister aller Länder, auch von SPD-geführten, wollen keine Apotheken ohne Apotheker. Proteste, Medienberichte, eine große Online-Petition machen Druck. Und die ABDA startet ihre emotionale Kampagne. Ob der Gesetzentwurf im September ins Kabinett kommt – alles offen. Auch NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) lehnt Lauterbachs Machwerk ab. Er bietet der Apothekerschaft an, gemeinsam die Apotheke der Zukunft zu entwickeln. Machen! Und was wird mit den pharmazeutischen Dienstleistungen? Die Ersatzkassen wollen die Millionen des  Honorartopfs auflösen und fordern die pDL-Direktabrechnung mit den Kassen. Da droht Ungemach. Und ja, das E-Rezept gibt’s endlich auch in Vor-Ort-Apos per Cardlink. Und über Kassen-Apps. 

2. September 2024

Sicher, wir können noch nicht wirklich aufatmen: Lauterbachs Apothekenreform steht noch drohend im Raum, seine Apotheke ohne Apotheker ist noch nicht vom Tisch. Aber der Widerstand dagegen ist deutlich zu spüren: Die zahlreichen Gespräche der Apothekerschaft mit Gesundheitspolitikerinnen und -politiker zeigen Wirkung, Presseberichte in vielen Medien haben den Frust, den Widerstand der Apothekerinnen und Apotheker in die Öffentlichkeit transportiert. Und die Gesundheitspolitiker der Länder haben sich auf die Seite der Apotheken geschlagen, sogar diejenigen aus der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Will heißen: Lauterbach wird seine Reform zumindest in der jetzigen Form nicht auf den parlamentarischen Weg bringen können – die zweimaligen und gescheiterten Anläufe ins Kabinett haben das gezeigt. Umso wichtiger wird es sein, den Protest gegen die Reform aufrechtzuerhalten. Die Demos in Erfurt und Dresden haben gezeigt, wie wichtig es ist, nicht nachzulassen. Die ABDA will auch am Ball bleiben. Nach Postkärtchen und Unterschriftenlisten legt sie nun eine emotionale Kampagne auf: Es sind „Nahaufnahmen von echten Apothekerinnen und Apothekern“, die mit prägnanten Botschaften zu ihren täglichen Leistungen kombiniert werden“. Plakate werden Leistungen der Apotheken zeigen, denen allerdings ein „dramatisierendes ‚Noch!‘“ vorangestellt wird. Mein liebes Tagebuch, die Kampagne kann man nur unterstützen, zumal Emotionalität ein extrem wichtiger Faktor ist, was die Beziehung von Menschen zur Apotheke angeht. Sie zeigt, welche lieb gewonnenen und als selbstverständlich empfundenen Leistungen der Apotheke durch Lauterbachs Reformideen gefährdet sind. Also, mitmachen! die Plakate werden ab 9. September zur Verfügung gestellt.

 

3. September 2024

Wie geht’s nun eigentlich mit der Apothekenreform weiter? Wie sieht der Zeitplan aus? Der Gesetzentwurf hat es bisher noch nicht einmal ins Kabinett geschafft. Die SPD-Bundesfraktion hat zusammengestellt, was für das zweite Halbjahr noch geplant ist. Ja, die Apothekenreform steht  noch auf der Liste, obwohl sie regierungsintern nach wie vor nicht abgestimmt ist. Und ja, es gibt bekanntlich von vielen Seiten deutlichen Widerstand gegen das Vorhaben von Lauterbach, Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker zu erlauben – was sich hier noch tun wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Laut SPD-Bundesfraktion wird ein Kabinettsbeschluss noch im September angepeilt, aber wer weiß, was da noch dazwischen kommt. Und damit steht in den Sternen, wann ein Apotheken-Reformgesetz in Kraft treten kann und vor allem in welcher Form. Ursprünglich sah der erste Referentenentwurf vor, dass die neuen Honorarregelungen für Apotheken zum 1. Januar 2025 in Kraft treten, in der ersten Überarbeitung war bereits vom 1. April 2025 die Rede. Und in der nächsten Fassung hieß es dann nur noch, dass eine leichte Erhöhung des Fixums und eine Absenkung des prozentualen Apothekenzuschlags am „Montag der dritten auf die Verkündung folgenden Kalenderwoche“ in Kraft treten. Mein liebes Tagebuch, welcher Montag das sein wird, ist also vollkommen offen. Und außerdem gäbe es da noch einiges zu ändern und zu regeln. Also: Alles ist offen – wir brauchen endlich eine neue angepasste Version der Apothekenreform, so kommen wir nicht weiter.

 

4. September 2024

Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass das E-Rezept damals, als es noch in der Mache war, eigentlich nur über einen Papierausdruck oder die Gematik-App eingelöst werden sollte, da hat sich doch einiges getan: Die praxisnahe Einlösung über die elektronische Versichertenkarte ist hinzugekommen, dann läuft bereits das Cardlink-Verfahren an. Und seit geraumer Zeit wird das E-Rezept in immer mehr Kassen-Apps integriert. Aktuell haben die DAK und die IKK classic bekanntgegeben, dass deren Versicherte eine integrierte E-Rezept-Funktion in den kasseneigenen Apps für die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen können. Mein liebes Tagebuch, die Zahl der Kassen-Apps mit E-Rezept wird rasant wachsen – ab Januar 2025 sollen die Gesetzlichen Krankenversicherungen bekanntlich die elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Und so sind die Kassen wohl alle gerade dabei, digital aufzurüsten: Die ePA müssen sie eh anbieten – die E-Rezept-Funktion wird dann einfach in das Angebotspaket gepackt. Die Versicherten können sich entscheiden, auf welchen Wegen sie ihr E-Rezept einlösen…

 

5. September 2024

Mit den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) ist das so eine Sache. Eigentlich wollen es viele Apotheken anbieten, aber die Mehrzahl der Apotheken hat sich noch nicht die Mühe gemacht, sich für die pDL zu rüsten, das Personal zu schulen und die pDL in den Apothekenalltag zu integrieren. Zeit und fehlendes Personal werden als Hauptgründe genannt, dass bisher noch keine pDL abgerechnet werden. Und der pDL-Honorartopf quillt über: Mittlerweile sind dort mehr als 340 Millionen Euro gebunkert, die nicht abgerufen werden (und anfangs dachten manche, das Geld würde nicht reichen…). Die Millionen im Honorartopf wecken Begehrlichkeiten. DocMorris wollte schon ran. Der Bundesgesundheitsminister hat bereits reagiert  und will mit der Apothekenreform die Einzahlungen in den Topf kürzen (statt 20 Cent pro Rx-Arzneimittel nur noch 13 Cent). Jetzt fordern die Ersatzkassen grundlegende Änderungen bei der Finanzierung der pDL: Angesichts der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen wollen sie nicht mehr Geld parken, das augenscheinlich nicht benötigt werde. Sie plädieren dafür, dass die Abrechnung der Dienstleistungen direkt zwischen den Apotheken und Krankenkassen erfolgen soll. Mein liebes Tagebuch, zu Ende gedacht hieße dies wohl, dass der Honorartopf aufgelöst und die pDL-Abrechnung nicht mehr über den NNF erfolgt, sondern bei den Kassen selbst – ehrlich gesagt klingt das nicht gut, da sind Abrechnungsstreit, Abrechnungskürzungen und noch mehr Ungemach vorprogrammiert. Wer hat dann noch Lust auf pDL?

 

Sollte die Apothekenreform von Lauterbach in der derzeitigen Fassung in Kraft treten, „dann wird das eines der kurzlebigsten Gesetze der Bundesrepublik“ – sagt Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Mein liebes Tagebuch, das zeigt, wie groß die Ablehnung des Lauterbachschen Machwerks auf Seiten der Opposition ist. Für Laumann ist es klar: Statt Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker wäre eine Honorarerhöhung dringend notwendig, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Da können wir nur zustimmen. Allerdings ist für Laumann auch klar, dass es nicht nur eine pauschale Honorarerhöhung geben wird und gut ist. Er will vielmehr gemeinsam mit der Apothekerschaft „die Apotheke der Zukunft entwickeln“. Mein liebes Tagebuch, wenn das kein gutes Angebot ist! Das Problem: Wo sind unsere Ideen und Vorschläge für eine Apotheke der Zukunft? Kennt die jemand?

 

6. September 2024

Der Hessische Apothekerverband (HAV) startete noch vor dem ersten Termin für den Kabinettsbeschluss zur Apothekenreform eine Online-Petition auf der Plattform openpetition, in der er den Erhalt der wohnortnahen vollwertigen Arzneimittelversorgung fordert. Die Petition stieß an der Apothekenbasis auf große Zustimmung, nicht so aber in einigen Kreisen der Standesvertretung. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie, die Funktionäre, die von solchen Petitionen nicht viel halten. Aber auch sie müssen anerkennen: Diese Petition haben bislang bereits 150.000 Menschen unterschrieben! Es gibt fast 33.000 Kommentare und mehr als 300 Pro- und Contra-Einträge. Diese Petition der Plattform openpetition ist in diesem Jahr bislang die größte, erklärte ein Sprecher von openpetition.de gegenüber der DAZ. Der HAV freut sich darüber, ist aber über den Erfolg nicht überrascht, denn die Apothekenteams seien „hoch motiviert in ihrem Engagement gegen die unsäglichen Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums“. Außerdem haben auch zahlreiche Verbände und Kammern die Petition unterstützt. Angepeilt werden 200.000 Unterschriften. Oder mehr. Vielleicht werden es auch 500.000? Die Frage ist nun: Was soll damit passieren? Man wartet noch ab, wie sich alles entwickelt. Wie vom HAV zu hören war, kann man sich vorstellen, die Unterschriften „einem Bundeskanzler in die Hände zu legen“. Wie auch immer, mein liebes Tagebuch, es ist ein weiterer Baustein, der Druck macht und Widerstand gegen ein unsägliches Reformvorhaben aufbaut.

 

Als Info für alle, die ihren Kundinnen und Kunden das Cardlink-Verfahren zur Einlösung des E-Rezepts anbieten wollen: Die standeseigene Digitalgesellschaft „Gedisa“ meldet, dass die Gematik grünes Licht gegeben hat und somit das Verfahren aktivieren kann. In etwa zwei Wochen wird es wohl soweit sein, dass Cardlink freigeschaltet ist. Mein liebes Tagebuch, dann werden es nach und nach immer mehr Vor-Ort-Apotheken ihrer interessierten Kundschaft anbieten können. Die EU-Versandhäuser wie DocMorris oder Shop-Apotheke, die Cardlink bisher bewerben, sind dann nicht mehr die einzigen.

 

7. September 2024

Wenn eine Gewerkschaft auf ihr 70-jähriges Bestehen zurückblicken kann, dann hat sie mit Sicherheit gute Arbeit geleistet. Und wurde und wird von ihren Mitgliedern gebraucht. Die Apothekengewerkschaft Adexa begeht am 7. September ihr 70-Jähriges mit einem „Adexa-Erlebnis- und Gewerkschaftstag“ in Hamburg. Dabei sind die Zeiten für eine Apotheken-Gewerkschaft nicht einfacher geworden: Auch Adexa sieht, wie sehr die Apothekeninhaberinnen und -inhaber unter der fehlenden Anpassung des Apothekenhonorars leiden. Und jährlich sind fast 600 Apotheken gezwungen zu schließen. Damit fallen Arbeitsplätze weg, nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich auf die verbleibenden Apotheken verteilen. Die aktuelle Adexa-Forderung an Lauterbach, sich der Apothekenmitarbeitenden anzunehmen und das Apothekenhonorar um 80 Cent zu erhöhen, damit Apotheken ihre Angestellten besser bezahlen können, wäre ein Anfang gewesen – Lauterbach hat sich dazu nicht geäußert. Wenn Apotheken ein wettbewerbsfähiges Gehalt zahlen könnten, könnte dies auch dem Personalmangel entgegenwirken. Adexa wird auch in Zukunft gebraucht: Ohne Apotheken keine Arbeitsplätze, aber ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Apotheken.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Unsinn

von Beldowitz am 08.09.2024 um 7:43 Uhr

"Aber die Mehrzahl der Apotheken hat sich noch nicht die Mühe gemacht, sich für die pDL zu rüsten, das Personal zu schulen und die pDL in den Apothekenalltag zu integrieren"

Sowas kann man nur schreiben, wenn man gemütlich im Büro sitzt und nur ein wenig in die Tastatur klopfen muss.

1) Welche Apotheke hat keine Personalnot? Wer hat also die Kapazitäten um pdl anzubieten?

2) pdl ist defizitär, bestensfalls kostendeckend. Der Junior, frisch fertig studiert, kann das natürlich im Hinterzimmer machen, während die Eltern für den Ertrag sorgen und dem Junior die schuldenfreie Apotheke irgendwann übertragen.



» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: 350 Millionen Euro aufm Konto!

von Ulrich Ströh am 08.09.2024 um 9:47 Uhr

Beldowitz, dem ist nichts hinzuzufügen…

Es keimt Verständnis für die GKV auf:

Die 350 Millionen Euro auf dem pDl-Sparkonto können aktuell besser für unsere Gesundheit verwendet werden !

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