Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.09.2024, 07:30 Uhr

Geht's noch schlimmer? Lauterbach, Lieferengpässe, Retaxmaschinerie – macht Apotheke noch Spaß? (Foto: Alex Schelbert)

Geht's noch schlimmer? Lauterbach, Lieferengpässe, Retaxmaschinerie – macht Apotheke noch Spaß? (Foto: Alex Schelbert)


Freude: Es gibt auch dieses Jahr wieder die jährliche Honoraranpassung! Frust: Natürlich wie immer nur für die Ärzteschaft. Wir Apothekers kämpfen seit über elf Jahren noch immer. Aber seien wir dankbar: Lauterbach spricht mit uns und sagt, er will uns fit machen mit Honorarverhandlungen zwischen Kassen und Apothekerschaft sowie Honorarumschichtung. Aber  wenn wir das nicht wollen, können wir’s auch bleiben lassen. Sarkastischer geht’s nimmer. Und seine Lieferengpässe werden schlimmer. Was tun? Bestellterminals in Supermärkten aufstellen und mehr Versandhandel spielen? Was gibt’s da sonst noch? Neues aus Absurdistan: Die Retaxmaschinerie der Kassen wird immer dreister, es reichen schon Vermutungen und die Kasse schickt ‘ne Vollretax. Wo leben wir eigentlich? Mal ehrlich: Früher war alles besser, oder? 

16. September 2024

Wenn eine Apotheke ein Bestellterminal in einem Supermarkt betreibt – ist das eigentlich rechtens?  Für Stefan Hartmann, Chef des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) stand diese Frage schon länger im Raum, losgelöst von dem Bestellterminal, das vor Kurzem eine brandenburgische Apotheke eingerichtet hat. Über dieses Terminal lassen sich z. B. E-Rezepte einlösen und Arzneimittel bestellen, die dann von der Apotheke ausgeliefert werden. Hartmann hatte ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um auszuloten, was Apotheken vor Ort tun können, um dem Versandhandel aus den Niederlanden die Stirn zu bieten. Rechtsanwalt Morton Douglas legte seine Überlegungen dazu vor. Nach seiner Auffassung ist so ein Terminal keine Rezeptsammelstelle, es muss also nicht von der Behörde genehmigt werden. Allerdings braucht die Apotheke eine Versandhandelserlaubnis. Mortons Fazit: Solche Terminals können ohne Genehmigung betrieben werden, aber nur im Rahmen des Versandhandels, daher die zwingend notwendige Versandhandelserlaubnis. Das bedeutet allerdings auch, dass für die über dieses Terminal eingelösten Rezepte und ausgelösten Arzneimittelkäufe nicht die Botendienstgebühr erhoben werden kann. Mein liebes Tagebuch, bieten sich solche Terminals für abgelegene Gemeinden ohne Apotheken an? Sprießen jetzt die Bestellterminals aus dem Boden? Und wir hätten da noch eine Frage: Ein Abholautomat ist, so die zuständige Behörde, nicht erlaubt. Aber wäre es möglich und zulässig, dass die Apotheke Abholfächer installiert, wo die Kundschaft mit einem von der Apotheke versandten Code ihre vorbestellten Arzneimittel abholt? Und ja, könnte letztlich der Druck so groß werden, dass Behörden in absehbarer Zeit auch die Automatenabgabe mit Video-Chat-Funktion zulassen?

 

Ihm kämen die Pläne von Lauterbach, Apotheken ohne Apotheker zuzulassen, gerade recht: Walter Hess, Unternehmenschef von DocMorris, freut sich in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsportal „capital.de“, dass durch die verbindliche Einführung des E-Rezepts nun „alles viel einfacher“ sei, wobei er auf das Cardlink-Verfahren anspielt. Und er nennt die mit der Apothekenreform geplanten Änderungen „zielführend“. Er hält es für einen guten Weg, dass Apotheken auch ohne anwesenden Apotheker geöffnet und betrieben werden könnten. Mein liebes Tagebuch, dass Lauterbach und sein Ministerium den Versendern in die Hände spielt – es war nicht anders zu erwarten. Die SPD liebt den EU-Versandhandel, das war schon unter Ulla Schmidt so und daran hat sich bis heute nichts geändert. Und die durch das Apothekensterben fehlenden Offizinen auf dem Land können ja ganz smart durch Versandhandel und die PTA-geführten Apothekenfilialen ersetzt werden – das ist die zukünftige Apothekenlandschaft à la Lauterbach.

 

Es flutscht jedes Jahr bei unseren Doctores: Die kontinuierlichen Honorarerhöhungen sind gesetzt. Für 2025 dürfen sich die Ärztinnen und Ärzte über eine Erhöhung des Orientierungswertes um 3,85 Prozent für die Preise ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen freuen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich bei ihren Honorarverhandlungen darauf geeinigt. Fein! Wir Apothekers können von Wörtern wie jährlich und Honoraranpassung nur träumen. Sicher, 3,85 Prozent mag dem einen Arzt und der anderen Ärztin nicht genug erscheinen. Aber hier sollten sie sich zu Gemüte führen, dass sie jedes Jahr mit einer Anpassung rechnen können – im Gegensatz zu uns Apothekers, die seit über zehn Jahren auf eine echte Honorarerhöhung vergeblich warten. Und die KBV konnte noch mehr heraushandeln: Beide Parteien legten fest, dass auch die Tarifverträge der Medizinischen Fachangestellten künftig regelhaft auf Basis der aktuellen Abschlüsse in den Honorarabschlüssen berücksichtigt werden, um Arztpraxen in der angespannten Personalsituation zeitnah zu entlasten. Übersetzt in die Apothekenwelt hieße dies, dass beim Apothekenhonorar in Zukunft auch mögliche Gehaltssteigerungen für die PTA mit berücksichtigt werden, damit Apotheken ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein leistungsgerechtes Gehalt zahlen können. Mein liebes Tagebuch, was machen die Vertreter der Ärzteschaft da so viel besser als unsere Standesvertreter?

 

17. September 2024

Auf die Leistungen der Apotheken kann man nicht oft genug hinweisen, sie sind für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Aber genau deswegen muss man sie der Bevölkerung, aber auch der Politik ins Bewusstsein rufen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat den Tag der Patientensicherheit zum Anlass genommen, dies zu tun. In einem Videostatement beleuchtet sie die Rolle der Apotheken in der wohnortnahen Arzneimittelversorgung, z. B.:
– 160.000 Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter beraten täglich mehr als 3 Millionen Menschen.
– Apotheken stellen jährlich rund 11 Millionen individuelle Medikamente selbst her.
– Um Lieferengpässe auszugleichen, leisten Apothekenteams pro Jahr mehr als 5 Millionen Überstunden.
Mein liebes Tagebuch, da gäbe es natürlich noch viel mehr hervorzuheben, was Apotheken leisten, aber nun ja, der Leistungskatalog wäre für eine Videostatement zu lang. Und dennoch, die Notwendigkeit von Apotheken muss noch viel häufiger kommuniziert werden. In einer Welt von Facebook, Instagram, Tiktok, WhatsApp und all den anderen Kanälen, von den traditionellen Medien wie Zeitungen und Talkshows ganz zu schweigen, werden nur diejenigen wahrgenommen, die laut und immer wieder auf sich aufmerksam machen. Wir Apothekers bieten Spitzen-Leistungen, aber meist im Verborgenen und vor allem: Viele unserer Extra-Leistungen sind halt einfach so selbstverständlich geworden…

 

Lieferengpässe – „ein Ende der Lieferprobleme ist nicht absehbar“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, gegenüber der „Rheinischen Post“. Etwa 500 Arzneimittel seien gegenwärtig nicht lieferbar. Besonders bei Antibiotika-Säften sei die Engpass-Lage besorgniserregend, vor allem mit Blick auf die bevorstehende Erkältungssaison. Mein liebes Tagebuch, solche Statements brauchen wir häufiger! Warum nimmt sich das nicht jeder Kammer- oder Verbandsfunktionär unserer 34 ABDA-Mitgliedsorganisationen mal vor: Ich gehe jetzt auf unsere lokalen Medien zu, damit das Wort Lieferengpass und die damit zusammenhängenden Probleme richtig oft und laut in die Öffentlichkeit getragen werden? Die „Bild“-Zeitung hat das Thema auch aufgegriffen und bei Apotheken vor Ort nachgefragt, z. B. bei Apotheker Michael Becker aus Gengenbach (Baden-Württemberg): In seiner Apotheke sind derzeit 226 Arzneimittel nicht verfügbar, vor allem Antibiotika und Antidiabetika. Ähnlich äußerten sich auch weitere von Bild befragten Apotheker.

 

„Bild“ fragt im Bundesgesundheitsministerium nach, wie man zu den Lieferengpässen stehe. Die Antwort: Es gebe „lediglich punktuelle Engpässe in einem komplexen Markt“, tönt es aus Berlin. Und es wurde erneut deutlich, dass das Ministerium, dass Lauterbach die Not der Apothekerschaft und der Patienten nicht sieht oder sie nicht wahrnimmt. Stattdessen lobt Lauterbach sein Lieferengpassgesetz, das die Engpässe im Vergleich zum Vorjahr halbiert haben soll. Mein liebes Tagebuch, in welcher Welt lebt er eigentlich? Trägt er eine rosagetönte Brille? Oder grenzt das tatsächlich schon an Realitätsverlust, wie in den sozialen Medien vermutet wird. Immerhin, es gibt einige Kammern und Verbände, die Alarm schlagen, z. B. der Hessische Apothekerverband, der einen Brandbrief an Lauterbach absetzte. Aktiv ist auch Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke, die Lauterbach in ihre Apotheke einlädt, um einen Tag hautnah zu erleben, „wie wir Apotheker alles unternehmen, um Patienten zu versorgen, schauen Sie sich endlich die Realität an, die wir Ihnen seit Jahren schildern“. Mein liebes Tagebuch, richtig, nicht nachlassen, dem Bundesgesundheitsminister müssen jeden Tag die Ohren klingen.

 

Das „Aktionsbündnis Patientengesundheit“ (ein Bündnis von Hausärzteverband Nordrhein, dem Verband medizinischer Fachberufe, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte sowie dem Apothekerverband Nordrhein) hat auf Lauterbachs Verniedlichung und Kleinreden der Lieferengpässe umgehend reagiert: Das Bündnis attestierte dem Minister einen fortschreitenden Realitätsverlust. Und erklärte, dass aktuell mehr als 500 verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht vorrätig oder nur mit Verzug lieferbar seien. Der Austausch fehlender Arzneimittel sei außerdem mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. „Die Lieferengpässe von Arzneimitteln sind eine bittere Realität in der täglichen Versorgung unserer Patienten“, die Äußerungen von Lauterbach seien „unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Patienten und der Heilberufe“, so das Aktionsbündnis. Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. 

 

Lauterbachs Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung macht nicht nur Apothekerinnen und Apothekern zu schaffen. Auch dem Bundesrat gefallen die Pläne für „notdienstpraxisversorgende Apotheken“ mit speziellen Verträgen ganz und gar nicht. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat sich mit diesem Gesetzentwurf befasst, in dem es um eine bessere Vernetzung der drei Versorgungsbereiche vertragsärztlicher Notdienst, Notaufnahmen der Krankenhäuser und Rettungsdienste geht. Es sollen integrierte Notfallzentren (INZ) geschaffen werden, die Steuerung der Notfallpatienten soll besser laufen. Zur Versorgung der INZ mit Arzneimitteln sollen die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen mit den beteiligten Krankenhäusern und Apotheken Versorgungsverträge schließen. So ist u. a. vorgesehen, dass die notdienstpraxisversorgenden Apotheken in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegen sollen – ist das nicht möglich, ist eine zweite Offizin mit Lagerräumen am Standort der Notdienstpraxis zu betreiben. Und, mein liebes Tagebuch, wenn sich keine Apotheke findet, die solche Sperenzien mitmachen will, dann sollen die Notarztpraxen ein begrenztes Dispensierrecht erhalten. Das stößt nicht auf Gefallen, zumindest nicht bei Apotheken und nicht bei den Ländern. Denn die Arzneimittelversorgung in Notfällen funktioniert schon heute gut, da braucht man keine neuen Strukturen. Bayern beispielsweise will alle geplanten Neuregelungen, die die Apotheken betreffen, streichen. Allerdings haben sich nur sechs weitere Ländern dieser Forderung angeschlossen. Manche Länder wollen nur Präzisierungen der geplanten Regelungen. Man kann gespannt sein, was da letztlich herauskommt. Hoffentlich nicht wieder mehr Bürokratie und hoffentlich kein Dispensierrecht für Ärzte, es wäre überflüssig wie ein Kropf.

 

18. September 2024

Privatpersonen spielen Apotheke: Sie kaufen und verkaufen Arzneimittel auf der Social-Media-Plattform Facebook. „Medikamentenflohmarkt – Medikamente & Hilfe“ nennt sich die öffentliche Facebook-Gruppe. Dürfen die das? Natürlich nicht. Privater Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken ist verboten. Punkt. Und trotzdem geht hier die Post ab.  Erschreckend, was gehandelt wird: apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel, beliebt sind z. B. Trulicity, Zoplicon, Ozempic oder Tilidin. Ganz abgesehen davon, dass dieser Privathandel rechtswidrig ist: Die gesundheitlichen Gefahren, die hiervon ausgehen, sind äußerst groß. Und was wird dagegen von Seiten der Politik, der Behörden, aber auch der ABDA  unternommen? Nichts. Zumindest nichts, was bisher irgendeine Wirkung zeigt. Aber die Freie Apothekerschaft (FA) und ihre Kieler Anwaltskanzlei ist (wieder einmal) aktiv geworden. Die FA will nicht weiter zusehen, wie hier hochwirksame Arzneimittel in privaten Kreisen vertickt werden. Sie hat die Anwaltskanzlei beauftragt, Beschwerdeverfahren gegen Facebook bzw. den Meta-Konzern bei der Bundesnetzagentur einzuleiten. Außerdem haben die Anwälte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Aktivitäten der Facebook-Gruppe informiert. Das BfArM wiederum hat die Sache an die Bezirksregierung Detmold als zuständige Aufsichtsbehörde verwiesen. Aber auch diese Behörde sieht sich nicht dafür zuständig. Mein liebes Tagebuch, man reibt sich immer wieder die Augen, wozu Föderalismus und Bürokratie fähig sind. Und was alles in Deutschland trotz Gesetz illegal ablaufen kann, ohne dass irgendeine Behörde, ein Ministerium einschreitet. Die FA hofft nun darauf, dass sich Ministerien dieses rechtswidrigen Arzneimittelhandels annehmen.

 

Wir erinnern uns: Die Freie Apothekerschaft (FA) will nicht hinnehmen, dass die sogenannte Länderliste nicht angepasst wird. Diese Länderliste ist quasi die Grundlage dafür, welche EU-und EWR-Mitgliedstaaten am Versandhandel mit Arzneimitteln teilnehmen dürfen, weil dort dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen. Diese Liste soll, so das Arzneimittelgesetz, „in regelmäßigen Abständen“ überprüft und angepasst werden. Pustekuchen. Seit 2011 ist diese Liste unverändert. Die FA beantragte, das Ministerium zu verpflichten, die Liste anzupassen und die Niederlande von ihr zu streichen und zog damit vor das Verwaltungsgericht Berlin; dieses Gericht wies den Antrag ans Verwaltungsgericht nach Köln. Und dieses Gericht hat dann den Antrag abgelehnt. Außerdem sieht das Gericht hier keine Eile. Die FA will dies nicht hinnehmen, zumal das Gericht auch kein Wort zum Inhalt des Antrags verloren hat. Die FA kämpft weiter: sie hat sich entschieden, gegen den Kölner Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster einzulegen. Eine Entscheidung wird noch dieses Jahr erwartet.

 

19. September 2024

Lauterbach spricht mit der Apothekerschaft! Nein, nicht mit der ABDA, sondern mit Apothekerinnen und Apotheker von der Basis. Kolleginnen und Kollegen aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern konnten auf Einladung von drei SPD-Bundestagsabgeordneten aus ihren Wahlkreisen an einem Gespräch mit Karl Lauterbach teilnehmen. Die Apothekers hatten sich für das Gespräch gerüstet und ein Zehn-Punkte-Papier mitgebracht: Ganz oben steht die Forderung nach mehr Geld. Eine Honorarerhöhung war allerdings nicht der einzige Wunsch, zu den Forderungen gehören u. a. die Abschaffung des Kassenabschlags, die Wiedereinführung von Großhandelsskonti und eine auskömmliche Finanzierung von pharmazeutischen Dienstleistungen. Und, mein liebes Tagebuch, hörte der Minister und sein anwesender Abteilungsleiter Thomas Müller zu? Was von diesen Forderungen bei den beiden ankam – wir wissen es nicht. Lauterbach lobte erstmal sich selbst und meinte, er sei aufgrund seiner Kontakte zu vielen Apothekerinnen und Apotheker in seinem Umfeld bestens in die Materie eingearbeitet. Und außerdem habe er vor zwanzig Jahren mit Ulla Schmidt für die Umstellung der Honorierung und die Einführung des Versandhandels gesorgt. Er setze auf die mit seiner Reform geplanten Honorarverhandlungen zwischen Apothekerschaft und Krankenkassen. Und auf die Umschichtung zwischen Fixum und prozentualem Zuschlag. Wenn die Apotheken aber seine Ideen dazu ablehnten, könne man dies auch sein lassen, so Lauterbach, dann bleibe eben alles wie es ist, sein Ministerium habe mit anderen Gesetzgebungsverfahren genug zu tun. Mein liebes Tagebuch, was sind denn das für kindische Reaktionen, so funktioniert doch eine Demokratie nicht. Ähnliches Gedankengut gab Lauterbach bei seinem Apotheken-ohne-Apotheker-Vorschlag von sich: Die Apotheken müssten diese Neuerung ja nicht nutzen, wer Apotheken ohne Apotheker ablehne oder glaube, es lohne sich nicht, müsse dies nicht machen. Oh Gott, mein liebes Tagebuch, und dieser Minister glaubt, er kenne sich in dieser Materie aus! Es ist immer wieder das Gleiche: Man stößt bei ihm auf eine Wand, man kommt nicht wirklich an ihn ran, er schottet sich ab. Und als Gesprächsabschluss kamen die Floskeln: Er sei offen für Vorschläge und auch gesprächsbereit. Aber den Apotheken entgehe eine „historische Gelegenheit“, die so schnell nicht wieder kommen werde, wenn sie seine Ideen ablehnten. Er wolle die Apotheken fit machen, um mit Versendern mitzuhalten. Wie viel Sarkasmus steckt in solchen Äußerungen? Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollte man tatsächlich „nein, danke“ zu Lauterbachs Reform sagen und auf die nächste Regierung warten? Lauterbach wird ihr nicht mehr an gehören, 100 pro.

 

20. September 2024

Ein Patient löst sein E-Rezept in einer Apotheke ein und erhält seine Arzneimittel, so weit so gut. Am darauffolgenden Tag legt dieser Patient ein Papier-Rezept in der Apotheke vor mit derselben Medikation und erhält die gleichen Arzneimittel nochmal, so weit so schlecht: Die Kasse schickt der Apotheke ein gutes halbes Jahr eine Nullretax, es gibt kein Geld. Grund: „Vermutete Doppelabrechnung Papier-Rezept, E-Rezept“. Mein liebes Tagebuch, wenn man diesen Fall liest, dann drängen sich Gedanken auf wie: Bin ich denn im Irrenhaus? Die Retaxmaschinerie der Kassen ist eine der größten Geiseln der Apotheken. Muss die Apotheke in Zukunft einen festen Vertrag mit einer Anwaltskanzlei schließen, um sich gegen diese Schikanen zu wehren? Zurück zum obigen Fall: Der Patient hatte von seiner Arztpraxis, möglicherweise versehentlich oder warum auch immer, ein E-und ein Papier-Rezept erhalten und löst beide an zwei aufeinander folgenden Tagen in der Apotheke ein. Der Apotheke ist dies nicht aufgefallen, der Patient wurde wohl von unterschiedlichen Personen in der Apotheke bedient und hatte kein Kundenkonto bei der Apotheke (ist auch kein Muss). Außerdem besteht bekanntlich Kontrahierungszwang bei Rezepten, bei denen keine Bedenken oder ein Fälschungsverdacht gegen eine Belieferung sprechen. Eine Vorschrift, dass die Apotheke prüfen muss, ob ein Patient im Vorfeld eine ähnlich oder gar gleich lautende Verordnung erhalten hat, gibt es nicht. Wäre auch in vielen Fällen nicht möglich. Der Patient könnte außerdem in eine andere Apotheke gehen. Und letztlich könnte der Arzt Gründe haben, den Patienten mit einer weiteren Verordnung z. B. für eine Reise auszustatten. Also, halten wir fest: Die Krankenkasse hatte keinen Grund für eine Retaxierung, nur eine Vermutung, und retaxierte. Es ist das arrogante Verhalten einer Kasse: Wir retaxieren einfach, die Apotheke wird sich schon wehren und den Fall aufklären. Oder sie wehrt sich nicht – fein, dann wurde der Patient auf Kosten der Apotheke beliefert. Mein liebes Tagebuch, wie auch immer: Die Apotheke hat den Ärger, muss sich gegen die Retax wehren usw. Auch wenn die Kasse am Ende vermutlich zahlen muss: Es kostet Zeit, Ärger und Geld. Fazit: Die Kasse sollte sich umgehend bei der Apotheke entschuldigen und noch einen Strauß Blumen schicken!

 

Ein bayerisches Possenspiel im Markt der Sterilzubereitungen sind die Rabattverträge bei Rezepturen mit onkologischen Wirkstoffen. Kassen führen im Geheimen vertrauliche Gespräche mit den Anbietern onkologischer Wirkstoffe. Es werden Verträge geschlossen, der Zeitpunkt des Inkrafttretens ständig verändert, für die Apotheke kaum noch zu überblicken, wann welche Rabattvertragspreise gelten. Hinzukommen sich ständig ändernde Lieferfähigkeiten und Zubereitungsvorgaben. Man hat das Gefühl, es ist alles Absicht und die Kassen zielen darauf ab, die Apotheken mit einer Vollretax zu überziehen – eine billigere Versorgung der Versicherten gibt es für die Kassen nicht. Liebe Tagebuch-Freundinnen und -Freunde, wenn ihr euch mal wieder richtig wundern wollt, was zwischen Krankenkassen, Verband und Apotheke alles möglich ist, empfehle ich den Gast-Kommentar zur aktuellen Rabattvertragslage für Zytostatika in Bayern: ein Possenspiel aus Absurdistan.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Nichtverfügbarkeit

von Gregor Huesmann am 22.09.2024 um 19:36 Uhr

Habe jetzt als Rentner mal wieder eine Woche in einer Apotheke vertreten. Die "Nichtverfügbarkeiten" sind unerträglich geworden. Noch unerträglicher für mich, dass die Pharmaindustrie uns nicht erklärt, warum was in der Stärke 2 nicht ieferbar ist, aber in der Stärke 1, warum überhaupt was nicht lieferbar ist. Die Arroganz der Industrie ist für mich nicht hinnehmbar. Aber wir sind Apothekerinnen und Apotheker und damit leidensfähig! Ebenso bei den Retaxationen. Ist wegen Nullretaxation schon ein Verband duch alle Instanzen gegangen, einschließlich dem europäischen Gerichtshof? Habe ich noch nicht gelesen. Aber wir sind ja obrigkeitshörig und damit akzeptieren wir das Vorgehen der Kassen. Morgen ist Montag, da lachen sie sich in den Direktionsetagen der Krankenkassen wieder (fast) tod darüber, wieviel Millionen sie den Apotheken in der letzten Woche wieder abgeluchst haben.

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Was macht die Ärzteschaft besser?

von Thomas Beck am 22.09.2024 um 16:20 Uhr

"Mein liebes Tagebuch, was machen die Vertreter der Ärzteschaft da so viel besser als unsere Standesvertreter?"

Diese Frage läßt sich leicht beantworten:
ein Kassenarzt ist Pflichtmitglied in der jeweiligen KV eines Bundeslandes. Die KBV hat einen Sicherstellungsauftrag und gegenüber ihren Mitgliedern Sanktions-und direkte Zugriffsmöglichkeiten.
Demgegenüber: eine Pflichtmitgliedschaft für Apotheken in einem LAV gibt es nicht, ein Sicherstellungsauftrag des DAV gibt es auch nicht und damit gibt es auch keine kohärente Verbandsstruktur für Verhandlungen mit der GKV.

Die Überlegungen einer kassenapothekerlichen Vereinigung glaubte man nicht verfolgen zu müssen (s.a. Hüsgen U, DAZ 29-2016).

Immerhin sorgt die erratische Struktur der Apothekerschaft auf diese Weise für humorige Kurzweil bei der GKV.

Die Retaxierungen sind nur logische Folge dieser Verhältnisse.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Was macht die Ärzteschaft besser

von Hermann Eiken am 22.09.2024 um 19:45 Uhr

Es lohnt sich,einmal wieder die Analyse von Herrn Hüsgen in der DAZ 29-2016 zu lesen und intensiv in eine Diskussion über eine kassenapothekerliche Vereinigung einzusteigen. Wie sie auszugestalten ist, muss man diskutieren. Aber es zeigt sich immer mehr, wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir weiter ein Spielball der Politik und der GKV sein und am Ende als freier Beruf Apotheker untergehen. Wir sehen doch, dass die Ärzte mit ihrem Konstrukt der KV viel mehr Macht haben. Ich habe schon in einigen Kommentaren dazu aufgerufen, darüber in ernsthafte Gespräche einzusteigen. Vielleicht ist der Apothekertag in München in ein paar Wochen eine Gelegenheit! —Ich würde es mir wünschen, —denn wenn nicht jetzt, wann dann?

Blockaden bringen keine Vorteile…

von Ulrich Ströh am 22.09.2024 um 8:46 Uhr

Auf die nächste Regierung warten?

Die wird uns Apotheken auch nicht weiterhelfen ..100 pro…

Dafür müsste die ABDA zuvor aus ihrer aktuellen sturen Blockadehaltung herauskommen .
Einfach mal den Blickwinkel ändern….

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nun ja….

von Dr. Radman am 22.09.2024 um 8:21 Uhr

“Und es wurde erneut deutlich, dass das Ministerium, dass Lauterbach die Not der Apothekerschaft und der Patienten nicht sieht oder sie nicht wahrnimmt.”

Doch! Er sieht sie. Aber er spielt sie herunter! Absichtlich und mutwillig. Wie könnte er sonst vor der Kameras glänzen, wie toll seine Reformen wirken.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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