Video-Schalte zum DAT

Lauterbach: Keine Honorar- ohne Strukurreform

München - 09.10.2024, 17:00 Uhr

Per Videoschaltung auf dem Apothekertag: Karl Lauterbach. (Foto: Schelbert)

Per Videoschaltung auf dem Apothekertag: Karl Lauterbach. (Foto: Schelbert)


Gesundheitsminister Lauterbach will nochmals mit leicht veränderten Reformvorschlägen auf die Apotheken zukommen. Noch gebe es Beratungsbedarf, räumte er beim DAT ein. Zugleich machte er deutlich, dass er seine Ansätze nach wie vor für richtig hält – und die angedachte Honorarreform sei doch genau das, was sich die Apotheker:innen immer gewünscht hätten.

Rund 50 Minuten nahm sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Zeit für die Apothekerinnen und Apotheker, die zum Deutschen Apothekertag (DAT) in München gekommen waren. Gleich zu Beginn wurde er digital aus Berlin zugeschaltet. „Ich wäre gerne bei Ihnen“, versicherte er. Doch die heutige Kabinettssitzung und die spätere erste Lesung des Gesetzes für eine Notfallreform hätten es ihm nicht ermöglicht, vor Ort anwesend zu sein.

In weißen Kitteln und Protest-Claim auf dem Rücken lauschten die DAT-Teilnehmer:innen nun gespannt, welche Botschaften der Minister diesmal mitbringen würde. Die ersten knapp zehn Minuten verwendete dieser allerdings darauf, seine bisherigen Erfolge zu preisen: Vieles, das über Jahre liegengeblieben sei, habe er endlich umgesetzt. Die Gesetze, die die Digitalisierung voranbringen, sowie die just gestern geeinigte Krankenhausreform waren auch diesmal seine oft zitierten Beispiele.

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Doch dann kam Lauterbach auf die verzögerte Apothekenreform zu sprechen. Es komme im Gesundheitsbereich nicht oft vor, aber hier gebe es „tatsächlich noch etwas Beratungsbedarf“. Und dieser gehe teilweise auch auf die Proteste der Apothekerschaft zurück – ein Eingeständnis, das bei den Zuhörer*innen gut ankam.

Ein eingefrorenes System

Der Minister legte nochmals in Kürze seine kurzfristigen und langfristigen Pläne dar. Zunächst solle es beim Honorar eine Übergangsregelung geben: die Anhebung des Fixums im Gegenzug zur Senkung des prozentualen Zuschlags, die bessere Notdienstvergütung und die Zulassung von Großhandelsskonti. Ab 2027 soll das Honorar dann zwischen Apothekerschaft und Krankenkassen direkt verhandelt werden – nachdem sie sich 2026 bereits hierauf vorbereiten konnten. „Das wäre eigentlich die Reform, die Sie sich immer gewünscht haben“, so der Minister. Man wäre dann weg von seit Jahren unveränderten Abgabepauschalen, es könnten beispielsweise die Inflation und Tariferhöhungen berücksichtigt werden. Derartige Umstellungen – zuletzt bei den Heilmittelerbringern – hätten den Leistungserbringern am Ende immer viel Geld gebracht, erklärte Lauterbach. Der Apothekenbereich sei quasi der letzte, der sich angesichts der starren Pauschale „selbst eingefroren“ habe. Er habe sich selbst gewundert, dass die Apotheken immer an diesem System hätten festhalten wollen.

Was die langfristigen Maßnahmen betrifft, setzt Lauterbach weiterhin auf Digitalisierung. Diese werde auch „in den Apotheken ankommen“, erklärte er – die Delegierten ließen ihn allerdings gleich spüren, dass sie schon längst dort zu finden ist. Doch der Minister hat dabei sein Bild der „Telepharmazie“ vor Augen. So wie in der Reform des Rettungsdienstes und auch sonst bei Ärzten telemedizinische Leistungen eine größere Rolle spielen, werde es auch bei Apotheken sein. Das ganze System werde flexibler. „Es ist ein vergebener Kampf, wenn man versucht, Digitalisierung aus der Apotheke fernzuhalten“, so Lauterbach. 

„Wir sind nicht interessiert, den Versandhandel auszubauen“

Lauterbach hatte auch einige wohlwollende Worte für die Apotheker:innen übrig: Er achte sie sehr, erklärte er. Sie seien hochqualifiziert, zudem zentrale Erbringer „medizinischer Leistungen“ – und so sei es auch angemessen, dass sie hier in weißen Kitteln sitzen. Immer habe er sich für Impfungen in Apotheken eingesetzt – nun sollen sie ausgeweitet werden. Auch im Gesundes-Herz-Gesetz werde Apotheker:innen wichtige Beratungsrolle zugewiesen, was von den Hausärzten kritisiert werde, er aber für richtig halte. Ausdrücklich sprach der Minister an, dass er sich vom Apotheken-Ident-Verfahren viel erhoffe – um auch ältere Patienten bei der Einführung der elektronischen Patientenakte zu unterstützen. All dies, so betonte Lauterbach, seien Dinge, die Versandhandel nicht könne. Und er unterstrich: „Wir sind nicht interessiert, den Versandhandel auszubauen“.

Nun gebe es allerdings noch diesen „kleinen Dissens“ zur apothekerlichen Beratung per Telepharmazie. Lauterbach ist und bleibt überzeugt, dass dieser Punkt seiner Reform nötig ist, um Apothekenstandorte zu erhalten oder neue aufzubauen. Er würde sich sehr freuen, wenn die Unstimmigkeiten hier noch ausgeräumt werden könnten – er sei auch zuversichtlich, dass dies gelinge. Wenn nicht: Ihm werde auch ohne die Apothekenreform die Arbeit nicht ausgehen. Abschließend richtete Lauterbach noch Grüße seines Kabinettskollegen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), aus.

Er blieb noch eine weitere halbe Stunde für Fragen und Statements aus dem Publikum. Auf die Nachfrage, wie es denn um die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner FDP stehe, verwies Lauterbach allerdings auf die vertrauliche Zusammenarbeit – man werde nicht öffentlich über mögliche Lösungen spekulieren.

Keine „deutsche Reform“

Eine andere Frage lautete, warum er es nicht einfach bei der Honorarreform belasse, wenn er diese selbst für nötig halte. Dazu erklärte der Minister, eine solche „deutsche Reform“, bei der alles beim Alten bleibe und nur das Honorar angehoben werde, gebe es mit ihm nicht. Wenn, dann müssten auch die Strukturen angegangen werden – so habe er es auch in allen anderen Bereichen des Gesundheitswesens gehalten.

Selbstverständlich wurde er auch zur „Apotheke ohne Apotheker“ gelöchert – dem Kernkritikpunkt der Apothekerschaft. Der Minister betonte, dass es doch gar nicht um eine Apotheke ohne Apotheker gehe – Approbierte müssten eben nur nicht immer in Präsenz da sein. Er verwies auf Ärzte, die sich telemedizinisch in Pflegeeinrichtungen schalten ließen, um zu beraten – dies sei doch noch immer eine ärztliche Leistung. Lauterbach erklärte aber auch, dass er nichts mit der Brechstange durchsetzen werde; er diskutiere im Kabinett und später auch im Parlament. Letztlich müsse er sich „an der Kraft der Argumente abarbeiten“ – gleich ob sie der Bundespräsident, der Kanzler oder ein einzelner Apotheker vorbringe.

„Besser eine Telepharmazie-Apotheke als gar keine“

Otto Quintus Russe vom Vorstand der Landesapothekerkammer Hessen, hatte dann noch einige Argumente zur Stelle. Er appellierte, die Telepharmazie nicht dafür zu nutzen, eine neue Versorgungsform auf einem abgesenkten Niveau zu schaffen. Sie müsse im Sinne der Patientinnen und Patienten gestaltet sein – es gehe um eine verbesserte Versorgung durch Steigerung von Compliance, Interaktion und Gesundheitskompetenz. Zudem müssten die Rahmenbedingungen für Apothekeninhaber stimmen, sodass sie auch Personal finden. Er selbst habe kürzlich eine Stelle an der Uni Frankfurt ausgeschrieben – die Bewerbungen kamen zahlreich, schlicht, weil die Stelle weit besser dotiert ist als eine in der öffentlichen Apotheke. Mit diesen Anliegen traf Russe ganz offensichtlich den Nerv bei den Delegierten, die sein Statement mit Applaus begleiteten. Lauterbach hingegen verwies darauf, dass die genannten telepharmazeutischen Leistungen in seinen Vorstellungen mitgedacht seien. Er gehe davon aus, dass Telepharmazie dazu beitragen könne, Apotheken in dünn besiedelten Gegenden überhaupt noch zu erhalten. „Besser eine Telepharmazie-Apotheke als gar keine“, so sein Ansatz. Der Minister bleibt dabei: Komme seine Reform nicht, werde das Apothekensterben einfach weitergehen. „Dann haben Sie eine wichtige Gelegenheit verpasst“.

Letztlich betonte Lauterbach erneut: Niemand werde gezwungen, die von ihm geplanten neuen Möglichkeiten zu nutzen. Jeder und jede habe den Freiraum, selbst zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er von ihnen Gebrauch mache – und wie die Qualität hochgehalten werden kann. Wer Angst vor einer Entwertung seines Berufsstandes habe, müsse keine Apotheke mit PTA und Telepharmazie betreiben. Auch wer sage, hierdurch ließen sich keine Kosten sparen, müsse sich ebenfalls nicht darauf einlassen. Hier würden in der Koalition jetzt noch die Details beraten. Er hoffe, dass er dann in den nächsten Wochen mit einem Vorschlag auf die Apothekerschaft zukommen könne.

Abschließend dankte er für die sachliche Diskussion, es sei sehr interessant für ihn gewesen. Und im kommenden Jahr werde er hoffentlich in Präsenz beim DAT sein.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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