Apotheker treffen SPD-Abgeordnete

Verpassen die Apotheken eine „historische Gelegenheit“?

Berlin - 19.09.2024, 18:00 Uhr

Herbert Wollmann, Wiebke Papenbrock, Karl Lauterbach und Johannes Arlt (v. l.) haben sich mit zehn Apothekerinnen und Apothekern getroffen. 

Herbert Wollmann, Wiebke Papenbrock, Karl Lauterbach und Johannes Arlt (v. l.) haben sich mit zehn Apothekerinnen und Apothekern getroffen. 


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt sich gesprächsbereit: Gestern traf er Apotheker:innen aus dem ländlichen Raum. Doch was hat es gebracht? Von seinen Reformvorstellungen will der Minister nicht abrücken. Wenn diese den Apotheken nicht gefallen, bleibe eben alles, wie es ist – und sie müssten selbst sehen, wie sie gegen den Versandhandel bestehen können.

Die drei SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern, Wiebke Papenbrock aus Brandenburg und Herbert Wollmann aus Sachsen-Anhalt hatten für den gestrigen Mittwoch Apotheker:innen aus ihren jeweiligen Wahlkreisen zu einem Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Berlin geladen. Im Dezember 2022 gab es schon einmal ein ähnliches Zusammentreffen, das Arlt mit Kollegen aus seiner Fraktion angestoßen hatte – nur Lauterbach war damals nicht dabei.

Doreen Wegner, Apothekeninhaberin aus Feldberg, war schon 2022 mit von der Partie – und auch diesmal war sie eine der vier Apotheker:innen, die aus Arlts Wahlkreis (Mecklenburgische Seenplatte/Rostock) an dem Treffen teilnahmen. Sie schätzt es, dass Arlt sich immer wieder um ein Gespräch bemüht und zuhört.

Doch wie lief es nun mit Lauterbach? Auch sein zuständiger Abteilungsleiter Thomas Müller war mit beim Treffen. Kamen die Apothekerinnen und Apotheker, die in keiner Verbindung zur ABDA stehen, zu ihnen durch? Wie Wegner gegenüber der DAZ berichtet, hatten sie und ihre Kolleginnen und Kollegen zehn Punkte mitgebracht, die sie mit den SPD-Politiker:innen besprechen wollten. Das dringlichste Anliegen: mehr Geld – und sei es erst einmal, dass der Kassenabschlag auf null Euro reduziert wird. Auch die Wiederzulassung von Großhandelsskonti und eine auskömmliche Finanzierung von pharmazeutischen Dienstleistungen wären ein Anfang, um der finanziellen Schieflage der Apotheken etwas entgegenzusetzen.

Die zehn Punkte der Apotheker:innen  

  • Absenkung des Kassenabschlags auf 0 Euro
  • Sofortige Prüfung und Anpassung des Apothekenhonorars
  • Wiederzulassung von Großhandelsskonti
  • Kostenfreie PTA-Ausbildung
  • Effizienzen bei Krankenkassen heben, z. B. durch Fusionen
  • Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel
  • Kontrolle versicherungsfremder Leistungen
  • „Light“-Filialen nur unter strengsten Vorschriften (keine Umwandlung bestehender Zweigapotheken, Zulassung nur mit festzulegendem Mindestabstand zu Bestandsapotheken)
  • Auskömmliche Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen (z. B. 300 Euro für Medikationsberatung bei Polypharmazie)
  • Evaluierung dieser Maßnahmen

Immerhin: Während die Apotheker:innen sprachen, machten sich Lauterbach und Müller Notizen. Dann holte der Minister aus. Einmal wieder betonte er, dass er viele Apothekerinnen und Apotheker in seinem Umfeld habe und bestens in die Materie eingearbeitet sei. Zudem habe er schon vor zwanzig Jahren mit der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt für die Umstellung der Honorierung und die Einführung des Versandhandels gesorgt. Lauterbach sieht sich also bestens im Bilde und ist sicher: So wie das System jetzt ist, ist es nicht gut – seine Vorschläge hingegen könnten den Apotheken helfen zu überleben, um in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitssystems auch neben dem Versandhandel bestehen zu können.

Lauterbach setzt offenbar auf die von ihm ab 2027 geplanten Honorarverhandlungen zwischen Apothekern und Krankenkassen, die Schluss machen sollen mit dem derzeitigen starren Honorarsystem. Auf den Einwand, dass die Apotheken jetzt das Geld bräuchten, ließ er sich nicht ein. Es brauche eben einen Vorlauf. Wenn die Apotheken seine Ideen, zunächst die Umschichtung zwischen Fixum und prozentualem Zuschlag, dann die Verhandlungen, ablehnten, könne man dies auch sein lassen. Dann bleibe eben alles gleich. Lauterbach pries seinen Ansatz aber als Möglichkeit für die Apotheker, „aus der Budgetierung“ herauszukommen.

Lauterbach: Niemand muss Apotheken ohne Apotheker betreiben

Was die Apotheken ohne Apotheker:in betrifft – der Aspekt der Reform, auf den sich die ABDA voll und ganz konzentriert – zeigten die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten aus den Landapotheken insofern ein gewisses Entgegenkommen, als dass sie strenge Bedingungen für solche „Light-Apotheken“ fordern. Doreen Wegner ist persönlich der Überzeugung, dass „Apotheke ohne Apotheker“ kein gangbarer Weg ist. Allerdings sei er ohnehin nicht umsetzbar, weil die PTA dafür fehlten. Und wenn es sie gäbe, glaubt von den Landapotheker:innen niemand, dass ihr Einsatz zu einer wirtschaftlichen Entlastung führen würde. Sollte Lauterbach hier nicht nachgeben, so müsse man zumindest darüber sprechen, dass die neuen Light-Filialen einen Mindestabstand zu bestehenden Apotheken haben müssen. Der Minister selbst hat laut Wegner auch in diesem Gespräch wieder erklärt, dass es Apotheken freistehe, die von ihm geplante Neuerung zu nutzen: Wer die Apotheke ohne Apotheker ablehne oder für den es sich einfach nicht lohne, müsse diesen Weg nicht gehen.

Lauterbach gibt den Apotheker:innen nach einer Stunde letztlich mit: Er ist offen für Vorschläge und auch gesprächsbereit. Aber den Apotheken entgehe eine „historische Gelegenheit“, die so schnell nicht wieder kommen werde, wenn sie seine Ideen ablehnen. Es sei seine Absicht, die Apotheken vor Ort fit zu machen, um mit den Versandapotheken mitzuhalten. Denn wenn erst einmal die elektronische Patientenakte komme, dann werde dieser nochmal zulegen können. Doch wenn die Apotheken nicht wollten – sein Haus sei auch mit anderen Gesetzgebungsverfahren ausgelastet. Auf die Abstimmungsschwierigkeiten mit der dem FDP-geführten Forschungsministerium ging der Minister übrigens nicht ein.

Wegner: Mit Sozialdemokratie hat das nichts zu tun

Wegner sagt nach dem Termin mit dem Minister: „Das hat mit Sozialdemokratie nichts mehr zu tun“. Die Abgeordneten, mit denen das Gespräch noch eine Stunde fortgesetzt wurde, hätten weitaus mehr verstanden. Gerade beim Thema Geld funktioniere der Ansatz „von der linken Tasche in die rechte Tasche“ nicht. 

Ein Instagram-Post von Johannes Arlt zum Treffen lässt zumindest Hoffnung zu. Er räumt zwar ein, dass es nicht auf alle Fragen Antworten gab. Dennoch habe sich gezeigt, dass der Minister bereit sei, auf Anliegen der Apotheker einzugehen. Im Anschluss habe man pragmatische Forderungen erarbeitet, wie Apotheken auf dem Land finanziell stabilisiert werden könnten, ohne erheblich mehr Haushaltsmittel aufzuwenden.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Planspiele für eine Liberalisierung

von Philipp Jüttner am 20.09.2024 um 10:07 Uhr

Es wäre aus meiner Sicht dennoch sinnvoll, sich einmal mit den politischen Optionen zu beschäftigen, denn zweifellos haben wir einen Rückgang an Apotheken und somit auf Ebene der Gemeinden auch einen gewissen politischen Druck der Bevölkerung, die Versorgung mit Arzneimitteln sicher zu stellen:

- der Versandhandel kann das Volumen nicht bewältigen, dafür werden absehbar die Kapazitäten fehlen. Auch ob das Geschäftsmodell als Ganzes trägt scheint fraglich.

- die Drogerien haben mit ca. 5000 Filialen bereits größere Kapazitäten. Allerdings müssten hier zusätzliche Räumlichkeiten angemietet bzw. bestehende Räumlichkeiten umgewidmet werden. Ob das Personal wirklich ohne Apotheker Rx-Medikamente abgeben wird und vor allem was die rechtlichen Folgen sind, ist wohl schwer vorhersagbar. Die Beratungsqualität wird nicht mehr die gleiche sein und ob solche "Drugstores" am Ende akzeptiert werden, bleibt abzuwarten. Betrachtet man die reine Logistik sowie EK- Konditionen, sind dm und Rossmann sicherlich gut aufgestellt. Man wird allerdings schnell zu dem Punkt kommen, dass separate Apothekenketten mit Fachpersonal betrieben werden bzw. ausländische Ketten werden zu neuer Konkurrenz (auch) mit Qualitätsangeboten in den Markt kommen. Dies stellt auch für die bisherigen Drogerien eine Gefahr dar.

- ob die Krankenkassen die Liberalisierung wollen ist fraglich. Es ist mühsamer mit vielen kleinen Akteuren zu verhandeln, allerdings sind diese schlechter organisiert. Mit Ketten oder Drogerien würden die Verhandlungen anfangs evtl. einfacher aber durch Größe und Organisation würde sich hier auch die Marktmacht verschieben.

- zuletzt wären die aktuellen, strengen Regeln der ApBetrO vermutlich nicht mehr zu halten. Zusatzaufgaben wären nicht mehr durchsetzbar bzw. würden von den Gerichten nach und nach kassiert.

- bisherige Liberalisierungen hatten nicht immer den gewünschten Erfolg. Sieht man sich den aktuellen Aktienkurs von Walgreens an, dann setzt der Markt aktuell nicht auf diese Form der Versorgung.

So oder so sollte eine zukünftige Liberalisierung sowie die dann vorhandenen Optionen in den Planspielen der Apotheker berücksichtigt werden. In jedem Fall muss der Politik verdeutlich werden, dass dann sofort unnötiger "Ballast" über Bord geworfen wird und gleiche Spielregeln gelten.

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von Anita Peter am 20.09.2024 um 6:22 Uhr

"Selbst gegen der Versandhandel bestehen"

Vielen Dank Herr Lauterbach.

Der Versand:

-> hat keinen Kontrahierungszwang
-> unterliegt nicht dem FBV
-> muss sich nicht an das Skonto Urteil halten
-> berät schlecht bzw. nicht ( Siehe EUGH Urteil )
-> muss keine 19% UST abführen
-> muss keinen NN leisten
-> usw usw usw...

Und das finden sie also in Ordnung Herr Lauterbach? Das ist also der sozialdemokratische Gedanke? Die Vor Ort Apotheken dem Großkapital opfern? Schämen sich sich!

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