Um Cardlink anzubieten

Apps für die Apotheke: Individuell oder von der Stange?

17.10.2024, 17:50 Uhr

E-Rezepte via CardLink geht nur über eine App. (Bild: ivanbaranov / AdobeStock | DAZ)

E-Rezepte via CardLink geht nur über eine App. (Bild: ivanbaranov / AdobeStock | DAZ)


Seit einiger Zeit steht die CardLink-Technologie auch den Apotheken vor Ort zur Verfügung. Um diesen Einlöseweg anzubieten, wird allerdings zwingend eine App benötigt. Dafür gibt es verschiedene Optionen. 

Ob das CardLink-Verfahren tatsächlich zu dem Gamechanger werden wird, als das es insbesondere von den Ver­sendern noch zu Beginn des Jahres hochstilisiert wurde, bleibt abzuwarten. Jedoch hat es die Apotheken vor Ort unter Druck gesetzt. Nichts zu tun und abzuwarten, scheint die schlechteste aller Handlungsempfehlungen zu sein. 

Denn immerhin ist nicht auszuschließen, dass auch die eigenen Kunden bequem von zu Hause per App ihr E-Rezept einlösen wollen. Wenn das in der Stammapotheke nicht geht, freut sich eine andere Apotheke. Im schlimmsten Fall sitzt diese andere Apotheke im EU-Ausland, lockt mit hierzulande verbotenen Rabatten und bietet den Kunden dann auch noch ein Rezept-Abo an. Solche Kunden wären dauerhaft verloren. Was also tun?

Werfen wir einen kurzen Blick zurück: Den meisten Apotheken hätten die ursprünglich vorgesehenen Ein­lösewege fürs E-Rezept vermutlich ausgereicht: Gematik-App, Token-Ausdruck und, seit etwas mehr als einem Jahr, die Versichertenkarte (eGK) zum Stecken in der Apotheke vor Ort. Spätestens seit dem 17. April 2024 gibt es mit CardLink jedoch einen weiteren Einlöseweg, der lange Zeit ausschließlich niederländischen Versandapotheken vorbehalten war, während gleichzeitig durch das Inkrafttreten des Digitalgesetzes (DigiG) am 26. März 2024 die Übermittlung des Tokens durch Drittanbieter-Apps massiv eingeschränkt wurde. Im August war dann mit gesund.de das erste deutsche Apothekenportal in der Lage, E-Rezepte über CardLink zu übermitteln, mittlerweile sind über die als „Branchen­lösung“ bezeichnete Infrastruktur der Gedisa auch viele andere Anbieter dazu in der Lage.

Bei CardLink werden die Versichertenstammdaten über NFC (engl. „near field communication,“ auf Deutsch „Nahfeldkommunikation“) über eine auf dem Smartphone der Patienten installierte App ausgelesen und an eine zuvor ausgewählte Apotheke übertragen. Dort wird das E-Rezept vom Gematik-Server abgerufen und den Patienten in der App angezeigt. Anders als der Token, der ein vom menschlichen Auge nicht zu entziffernder 2D-Barcode ist, haben die Patienten bei CardLink Zugriff auf alle Rezeptin­formationen. Was komfortabel und bequem klingt, hat in der Praxis allerdings häufig noch seine Macken: Je nach Mobiltelefon muss die Versichertenkarte an eine andere Stelle gehalten werden, oft funktioniert das Auslesen erst beim zweiten oder dritten Versuch. Das ist dann keine User-Experience, die Lust auf mehr macht.

Nichtstun ist keine Option

Als Apotheke könnte man daher auf die Idee kommen, abzuwarten, bis auch diese Sau endgültig durchs Dorf getrieben ist. Das ist aber nicht ratsam. Denn technische Unzulänglichkeiten sind meist nicht langlebig. Beim nächsten Release der App könnten sie schon behoben sein. Und dann ist da noch ein Fernsehmoderator, der allabendlich dem Publikum vor der Tagesschau erklärt, wie das funktioniert. Sein Auftraggeber, die Shop-Apotheke, hat erst vergangene Woche erklärt, noch mehr Geld ins Marketing fürs E-Rezept zu stecken. Nicht alle Fernsehzuschauer werden deswegen sofort in Holland bestellen. Denn dazu braucht es ja erst einen Anlass: das Rezept. Aber wenn sie ein E-Rezept haben und dieses in der Apotheke vor Ort auch „wie bei Herrn Jauch“ mit Handy und eGK einlösen möchten, muss sich die Apotheke fragen, was die Konsequenz wäre, wenn sie genau diese Lösung verweigert.

Die Antwort: Im schlimmsten Fall droht Kundenverlust. Um diesen zu verhindern, sollten auch die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland ihren Kunden das Einlösen von E-Rezepten via CardLink auf dem Smartphone anbieten. Nur dann können sie überhaupt aktive Wettbewerbsabwehr gegen den EU-Versand betreiben und für ihre Patienten auch digital präsent sein. Wie so ein Angebot der Apotheke für ihre Kunden aussehen kann, dafür gibt es mehrere Wege.
 

Drei Wege zur App

  • Plattformen sind der niedrigschwelligste Weg, um am CardLink-Verfahren teilnehmen zu können. Während gesund.de bereits Ende Juli gemeinsam mit dem IT-Dienstleister Akquinet aus Hamburg eine eigene CardLink-Lösung auf den Markt gebracht hat, haben sich andere Plattformanbieter, wie ia.de (Zukunftspakt Apotheke), apotheken.de oder Amamed dazu entschieden, CardLink ausschließlich über die Lösung der Gedisa anzubinden. Der Rollout ist nun im September erfolgt. Manche Plattformen umweht allerdings stets ein Hauch von Ambivalenz, da nicht immer klar ist, wem die überaus wertvollen Kundendaten gehören – der Apotheke oder der Plattform? Außerdem konkurriert bei vielen die meist national starke Marke der Plattform mit der regional starken Marke der Apotheke vor Ort. Die Abwägung von Nutzen und Risiko bleibt bei Plattformen letztlich jeder Apotheke selbst überlassen.
  • Auf Plattform-Technologie basierende apothekenindividuelle Apps sind daher ein aktuell stark zunehmender Trend. Unter anderem apotheken.de, Apozin, aber auch ia.de, bieten derartige Lösungen an, ebenso die meisten Warenwirtschaftshersteller. Diese apothekenindividuellen Apps bieten mehrere Vorteile. Denn die Technologie ist vorhanden und erprobt. Die Marke der Plattform spielt keine Rolle und ist allenfalls im Impressum sichtbar. Im Vordergrund steht die Apotheke, die dadurch einen Platz auf dem Handy des Kunden bekommt. Einziger möglicher Nachteil: So richtig individuell sind diese Lösungen alle nicht. Kunden, die mehrere Stammapotheken haben, werden im Zweifel schnell feststellen, dass sich die Apps vom Aufbau her ähneln. Ob das Konsequenzen auf deren Kaufverhalten hat, ist jedoch fraglich.
  • Komplett individuell entwickelte Apps lösen schließlich auch dieses Problem. Sie schaffen dafür aber jede Menge andere Herausforderungen, die zu lösen vermutlich nur große Apotheken oder Apothekenverbünde imstande sein dürften. Denn einerseits ist die Entwicklung einer eigenen App sehr teuer. Von der Idee bis zur ersten Beta-Version darf man hier mit sechsstelligen Investitionen rechnen. Ist die eigene App dann einmal gelauncht und in den Stores, dann hört die Arbeit nicht auf: Wartung und Support müssen geleistet werden. Auch das kostet den Betreiber finanzielle oder personelle Ressourcen.

Fazit

Wenn es schnell gehen soll mit CardLink, so dürften Plattformen die Technologie der Wahl sein. Wer seine Kunden(daten) hingegen ungern mit Dritten teilt, sollte sich schnell mit den apothekenindividuellen Apps auseinandersetzen und den nächstmöglichen Installations­termin vereinbaren. Die App aus der eigenen Entwicklungsschmiede schließlich dürfte nur für eine Handvoll Apotheken in Deutschland überhaupt infrage kommen – und sind von diesen Apotheken mit Sicherheit bereits spezifiziert und in Auftrag gegeben.

Für welche Option die Apotheke sich auch entscheidet – erst die Zukunft wird zeigen, wie gerechtfertigt dieser Aufwand gewesen sein wird. Denn CardLink ist zwar nur als bis zum 31. März 2026 befristete Übergangslösung bis zur Einführung der GesundheitsID, einer digitalen Identität im Gesundheits­wesen, vorgesehen. Doch blickt man zurück auf die Einführung des E-Rezeptes, wäre es nicht im geringsten verwunderlich, wenn auch das vermeintliche Provisorium CardLink uns noch lange begleiten würde. Und aus genau diesem Grund sind Apotheken gut beraten, den vierten Übertragungsweg ebenfalls anzubieten. Herr Jauch erklärt ihnen jeden Abend schon, wie es geht – zumindest fällt dieser Beratungsaufwand dann weg. |


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Undifferenzierte Betrachtungsweise

von Hauke Timmen am 17.10.2024 um 18:54 Uhr

In meinen Augen sitzt die Apotheke Vor Ort genau der Falle auf, die uns die Versender und das BMG durch das schnelle Genehmigen und in den Markt bringen von CardLink gestellt haben. Es zeigt sich das ruinöse Verhalten einer Zunft, die zutiefst verunsichert ist und jedem kleinen Stöckchen hinterherläuft, das Externe einem hinhalten. Die breite Masse der Lemminge zwingt dann auch die Widerstandsfähigen unserer Zunft in Systeme, die für die Apotheke vor Ort zum Scheitern verurteilt sind. Der Artikel bestärkt diesen Irrweg durch das untergründige Erzeugen von zeitlichem Druck für alle Vor-Ort-Apotheken!

Ich bin der Meinung, hier muss eine viel differenziertere Analyse stehen:
angefangen bei den Kosten wird sich CardLink in Zeiten jeglicher fehlender Effizienzreserven in den Apotheke für die wenigsten Kollegen lohnen, wahrscheinlich sogar für niemanden. Es gilt unter anderem zu beachten, dass jede eRezept (1! Medikament) Anfrage unmittelbar Kosten erzeugt, egal ob am Ende beliefert oder nicht. Hier wird also von dritten wieder abkassiert und der eh schon nicht kostendeckende Rohertrag weiter geschmälert (um Schätzungsweise 0,5-0,8€ mind., eher mehr).
Zusätzlich sei angemerkt, dass man nicht im Ansatz in der Lage ist mit dem Werbebudget der Versender zu konkurrieren. Die Lösung schlummert also entweder in der Apotheke vor sich hin, oder dient in meinen Augen als Sprungbrett für die Kunden hin zum Versender und seinen ausgelobten Boni, mache ich mir Mühe, diese Lösung vor Ort salonfähig zu machen und für den Kunden als attraktiven Einlöseweg anzubieten und darauf zu kondidionieren nur damit er nach 2-3 erfolgreichen Bestellungen vor Ort doch Günther Jauch und den versprochenen Einsparungen folgt.

Weiter sei zumindest zu erwägen, welches Patientenklientel mit welcher Erwartungshaltung wir uns damit nachhaltig heranzüchten: wer bestellt via CardLink von zuhause und hat dann die Muße, die Medikamente selbst in der Apotheke abzuholen? Ich gehe fest von 80-90% Botenlieferungen in Folge von CardLink aus! Die Kostenstrukturen des Botendienstes sind in einem Leitartikel in der DAZ schon einmal aufgeschlüsselt worden. Dies allerdings vor einigen Jahren (2013) und damit inzwischen sicherlich 2-3€ zu gering im Vergleich zu den aktuellen Kosten. Wie mit dem verbliebenen Rohertrag und 2,5€ Botendienstgebühr noch eine Kostendeckung, geschweige denn ein Gewinn erzielt werden soll ist mir schleierhaft.

Hier jetzt also zu fabulieren, alle Apotheken vor Ort brauchen CardLink halte ich für falsch und richtiggehend gefährlich.
Ich hoffe inständig, dass genug Kollegen weitsichtig genug sind, die Folgen dieses Desasters für die Apotheke einzuordnen, dieser falschen Versender-Fährte nicht aufzusitzen und statt dessen jegliche Reserven zu bündeln für eine gute pharmazeutische und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung vor Ort, die am Ende die Kunden gegen jede Verlockungen des Versandes an die Apotheke bindet.

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