Mit Gamma-Hydroxybuttersäure oder Liquid-Ecstasy im Club

Vom Partyspaß zur lebensbedrohlichen Abhängigkeit

05.12.2024, 17:49 Uhr

K.o.-Tropfen oder Partydroge?  Ungefährlich ist Gamma-Hydroxybuttersäure auf gar keinen Fall  (Foto: s-motive/AdobeStock) 

K.o.-Tropfen oder Partydroge?  Ungefährlich ist Gamma-Hydroxybuttersäure auf gar keinen Fall  (Foto: s-motive/AdobeStock) 


Ein feuchtfröhlicher Abend mit Freunden im Club, kurz das Bier unbeobachtet stehen gelassen, bald folgen bleischwere Glieder, Schwindel, Filmriss und Bewusstlosigkeit. Manche Menschen müssen ein solches Szenario durchleben, wenn ihnen ungewollt K.o.-Tropfen untergejubelt werden. Doch es gibt auch diejenigen, die den häufig für solche Zwecke eingesetzten Stoff Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) freiwillig als Partydroge nutzen. Aus dem Rausch kann jedoch eine Sucht mit gefährlichen Entzugserscheinungen werden.

Die kurzkettige Fettsäure Gamma-Hydroxybuttersäure wird aufgrund seiner unrühmlichen Verwendung als K.o.-Tropfen auch als date-rape-drug bezeichnet. Opfer sollen vorübergehend ausgeschaltet werden, um sie ausrauben oder vergewaltigen zu können. Die farb- und geruchslose Substanz mischt sich leicht mit alkoholischen Getränken. Sie wird nach oraler Gabe rasch absorbiert und überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Die Wirkung setzt innerhalb einiger Minuten ein, erreicht einen Peak nach 30 bis 60 Minuten und hält in der Regel nicht länger als drei bis vier Stunden an. GHB hat in den meisten Fällen eine Halbwertszeit von 20 bis 45 Minuten. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung der Substanz ist steil: Schon bei geringer Überdosierung kann eine als angenehm empfundene alkoholähnliche Wirkung mit Euphorie, Enthemmung, Entspannung und leichter Sedierung kippen. Danach können Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Aggressivität, Ataxie, Bradykardie und Somnolenz folgen. Zufällige, unwillkürliche Bewegungen, Halluzinationen und Amnesie können auftreten. Bei Überdosen drohen Bewusstlosigkeit, Koma und Atemdepression. Gamma-Hydroxybuttersäure wird von „Partygängern“ auch als Liquid-Ecstasy oder einfach „G“ bezeichnet. In niedriger Dosierung im Bereich von 7 bis 20 mg/kg Körpergewicht dominieren die stimulierende und aufputschende Wirkung. Oberhalb davon wird es für die meisten Menschen bereits unangenehm, ab etwa 35 mg/kg Körpergewicht sogar gefährlich [1].

Gefahr der Überdosierung

Eine Dosis von 7 bis 20 mg/kg entspricht für eine 70 bis 75 kg schwere Person etwa 0,5 bis 1,5 g. Zusätzlich erschwert wird das Ganze dadurch, dass GHB sowohl flüssig als auch in Salzform (Butyrat oder Oxybat) vorliegen kann. Die richtige Dosis kann unter flackernden Discolichtern nur schwer korrekt abgeschätzt werden. Gamma-Hydroxybuttersäure als Droge erlangte um die Jahrtausendwende erstmals größere Aufmerksamkeit. Seit 2001 ist die bis dahin frei erhältliche Substanz in Tabelle IV des Übereinkommens über psychotrope Stoffe der Vereinten Nationen aufgelistet. Diese umfasst Betäubungs-, Beruhigungs- und Schmerzmittel, die zwar ein gewisses Abhängigkeitspotenzial beinhalten, jedoch auch therapeutisch genutzt werden. Die Unterzeichner des Abkommens setzten daraufhin gesetzliche Maßnahmen zum Verbot der Substanz um. Scheinbar ging der Gebrauch von GHB dadurch zurück. 

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Tatsächlich aber umgingen pharmakologisch bewanderte Konsumenten das Verbot und nutzten die Fähigkeiten des menschlichen Organismus, bestimmte Industriechemikalien in GHB umzuwandeln. Das körpereigene Enzym 1,4-Lactonase hydrolysiert Gamma-Butyrolacton (GBL) im Blut schnell zu GHB. 1,4-Butandiol (BDO) wird durch Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase zu GHB umgewandelt. Die Substanzen werden als Lösungsmittel oder Weichmacher in industriellen Anwendungen benötigt und sind günstig erhältlich. Aus dem europäischen Drogenbericht geht hervor, dass 2022 in Europa rund 107 kg und 600 l Gamma-Butyrolacton beschlagnahmt wurden, aber nur 166 l und 6,5 kg GHB. In 3,7% der registrierten Drogennotfälle war Gamma-Hydroxybuttersäure involviert [2]. Ein Antidot zur Behandlung einer GHB-Überdosis existiert nicht. Atmung und Blutdruck sollten überwacht werden. Aufgrund der kurzen Wirkdauer kommen die meisten Patienten bald von selbst wieder zu sich.

Das Bundesgesundheitsministerium plant am Ende der laufenden Legislatur ein Verbot von Lachgas, Gammabutyrolacton und 1,4-Butandiol.

Schwieriger Nachweis

Auch der Körper selbst produziert geringe Mengen Gamma-Hydroxybuttersäure. Die endogene Konzentration liegt im µM-Bereich. Im zentralen Nervensystem wirkt GHB aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit dem Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) vor allem an GABA-Rezeptoren. Es gibt aber auch Hinweise auf eigene GHB-Rezeptoren [3]. Die endogene Anwesenheit von GHB stellt eine Herausforderung für die forensische Detektion der Droge dar. Körpereigene Konzentrationen in Blut, Urin und Speichel können bei bis zu 0,05 µg/ml, 0,38 µg/ml bzw. 0,93 µg/ml, oder darüber liegen. In den meisten forensischen Laboren werden Cut-off-Werte im Bereich von 5 µg/ml verwendet, um zwischen endogener und exogener GHB-Exposition zu unterscheiden. Zudem entsteht auch nach der Probennahme noch GHB in den Proben. Sørensen et al. zeigten, dass sich die GHB-Menge in Blutproben selbst bei einer Lagerung bei 4°C um rund 20% am Tag erhöht. Besonders extrem war die Neubildung in Probenröhrchen mit Citrat als Gerinnungshemmer. Erst durch Lagerung bei -20°C wurde die In-vitro-GHB-Bildung unterbunden [4]. Beim forensischen Nachweis muss zudem bedacht werden, dass GHB im Körper schnell abgebaut wird, und die Probennahme für Blut bzw. Urin spätestens sechs bzw. zehn Stunden nach dem Vorfall erfolgt sein muss [5]. GHB wird zu Succinylsäure metabolisiert, die dann in den Citratzyklus einfließt. Lediglich rund 2% werden unverändert über den Urin ausgeschieden.

Bedrohliche Entzugssymptome

Die einfache Verfügbarkeit – auch großer Mengen- , kombiniert mit kurzer Wirkdauer und Halbwertszeit, kann dazu führen, dass Konsumenten schnell eine Toleranz entwickeln und stark abhängig werden. Abhängige müssen oft alle zwei bis drei Stunden nachdosieren, um die Wirkung aufrechtzuerhalten. Ist die GHB-Quelle versiegt, folgen unangenehme, schnell einsetzende Entzugssymptome. Diese können mit Schweißausbrüchen, Schlaflosigkeit, Angst, Reizbarkeit und Tremor beginnen und in ein handfestes Delir ausarten. Dass nicht nur eine Überdosis der Droge, sondern auch der Entzug lebensgefährlich sein kann, zeigt eine Fallserie der Klinik für Suchtmedizin des Jüdischen Krankenhauses Berlin. Hier wurden gut 20% der Patienten auf einem GHB-Entzug intensivpflichtig, 5% mussten künstlich beatmet werden. Mehr als 30% der Süchtigen entwickelten im Verlauf des Entzuges ein Delir und fast die Hälfte brachen den Aufenthalt frühzeitig ab. Vor der stationären Aufnahme konsumierte die Patientenpopulation im Mittel etwa 30 ml GHB täglich. Im Vergleich zu anderen Drogenabhängigen waren GHB-Süchtige jünger und mit höherem Bildungsgrad [1, 6]. Neben dem Delir können im GHB-Entzug auch Krampfanfällen auftreten. 

Den Entzug begleiten 

In den meisten Kliniken wird eine GHB-Entgiftung durch Gabe von Benzodiazepinen wie Diazepam oder Lorazepam begleitet [7]. Auch Baclofen scheint die Entzugssymptome zu lindern [8]. Ein anderer Ansatz ist, die Droge durch pharmazeutisches GHB zu ersetzen, und langsam unter kontrollierten Bedingungen auszuschleichen [9]. Dies ist vor allem sinnvoll bei Konsumenten von sehr hohen täglichen Dosen, die ein signifikant höheres Delir-Risiko haben. In pharmazeutischer Qualität steht das Natriumsalz der Gamma-Hydroxybuttersäure (Natriumoxybat) zu Verfügung. Allerdings kann durch den hohen Natrium-Anteil eine Hypernatriämie verursacht werden. Tatsächlich wird GHB auch klinisch angewendet. Zum einen ist es zur Behandlung von Narkolepsie mit Kataplexie (Xyrem Lösung zum Einnehmen) indiziert. Zum anderen ist es in Deutschland als Somsanit zur Erzeugung eines Schlafzustandes während und nach Operationen zugelassen, in anderen Ländern steht es als Alcover zur Therapie von Alkoholentzugssymptomen zur Verfügung [10]. 

Die Droge GHB sticht durch eine kurze Wirkdauer, hohes Suchtpotenzial und einen potenziell lebensbedrohlichen Entzug hervor, der bereits wenige Stunden nach der letzten Dosis einsetzen kann. Bei Personen, die innerhalb kurzer Zeit Entzugssymptome wie Schwitzen, Zittern und Bewusstseinsstörungen entwickeln, sollte eine mögliche GHB-Abhängigkeit in Betracht gezogen werden. Ein Entzug sollte aufgrund der möglichen Komplikationen unbedingt in einer Suchtklinik mit angebundener Intensivstation durchgeführt werden.

Literatur

[1]     Neu P. Verlauf und Komplikationen des GHB-Entzuges: eine 1Jahres-Fallserie (Course and complications of GHB detoxification treatment: a 1-year case series). Nervenarzt 2019;90:509–515, https://doi.org/10.1007/s00115-018-0636-8

[2]     European drug report 2024: Trends and developments. European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction 2024, Publications Office, Luxembourg

[3]     Bay T, Eghorn LF, Klein AB et al. GHB receptor targets in the CNS: focus on high-affinity binding sites. Biochem Pharmacol 2014;87:220–228 https://doi.org/10.1016/j.bcp.2013.10.028

[4]           Sørensen LK, Faldborg KB, Andersen CU et al. Determination of endogenous GHB in ante-mortem whole blood, urine, and oral fluid by LC-MS/MS: The effect of different additives and storage conditions on the stability of GHB in blood. Forensic Sci Int 2024;365:112286, https://doi.org/10.1016/j.forsciint.2024.112286

[5]     Dufayet L, Bargel S, Bonnet A et al. Gamma-hydroxybutyrate (GHB), 1,4-butanediol (1,4BD), and gamma-butyrolactone (GBL) intoxication: A state-of-the-art review. Regul Toxicol Pharmacol 2023;142:105435, https://doi.org/10.1016/j.yrtph.2023.105435

[6]     Neu P, Danker-Hopfe H, Fisher R et al. GHB: a life-threatening drug complications and outcome of GHB detoxification treatment-an observational clinical study. Addict Sci Clin Pract 2023;18:62, https://doi.org/10.1186/s13722-023-00414-w

[7]     Siefried KJ, Freeman G, Roberts DM et al. Inpatient GHB withdrawal management in an inner-city hospital in Sydney, Australia: a retrospective medical record review. Psychopharmacology (Berl) 2023;240:127–135, https://doi.org/10.1007/s00213-022-06283-6

[8]     Lingford-Hughes A, Patel Y, Bowden-Jones O et al. Improving GHB withdrawal with baclofen: study protocol for a feasibility study for a randomised controlled trial. Trials 2016;17:472, https://doi.org/10.1186/s13063-016-1593-9

[9]     Jong CAJ de, Kamal R, Dijkstra BAG et al. Gamma-hydroxybutyrate detoxification by titration and tapering. Eur Addict Res 2012;18:40–45, https://doi.org/10.1159/000333022

[10]        Busardò FP, Kyriakou C, Napoletano S et al. Clinical applications of sodium oxybate (GHB): from narcolepsy to alcohol withdrawal syndrome. Eur Rev Med Pharmacol Sci 2015;19:4654–4663


Ulrich Schreiber, MSc Toxikologie, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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