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„European Shortages Monitoring Platform” (ESMP)
EU startet neue Plattform zur Überwachung von Lieferengpässen
Mit der „European Shortages Monitoring Platform“ (ESMP) sollen in der EU Lieferengpässe schneller erkannt und besser handhabbar werden. Aber was bedeutet das für die Apotheken in Deutschland, und welche Rolle wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nun spielen?
Wenn Arzneimittel knapp werden, betrifft das meist nicht nur Deutschland, sondern mehrere Länder Europas gleichzeitig. Eine neue Datenbank soll nun dabei helfen, Engpässe und Lieferschwierigkeiten europaweit zu erfassen und besser zu koordinieren: die „European Shortages Monitoring Platform” (ESMP).
Ziel der Plattform ist es, Informationen über Angebot und Nachfrage bei Arzneimitteln zu sammeln, um Engpässe bei Humanarzneimitteln in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum „zu verhindern, zu erkennen und zu bewältigen”, heißt es auf der Seite der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Aber was genau soll dort erfasst werden? Und wie können Apotheken das neue Tool nutzen?
Testversion am Start
Zulassungsinhaber können seit einem „Prelaunch” am 28. November Meldungen auf der ESMP erstellen. Zugänglich ist zunächst nur eine Testversion des Tools und die Meldungen sind vorerst freiwillig. Ab Februar 2025 geht dann die Vollversion online. Ab diesem Moment sind alle EU-Zulassungsinhaber unter anderem verpflichtet, Lieferengpässe über die Plattform so früh wie möglich zu melden. Allerdings sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn Unternehmen dieser Pflicht gar nicht oder unzureichend nachkommen.
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Die EMA schildert insgesamt drei Szenarien, in denen Daten zur Nachfrage und Verfügbarkeit von Arzneimitteln an die ESMP übermittelt werden müssen. Routinemäßig müssen Daten zu jedem Arzneimittel mit zentraler Zulassung erstellt werden, wenn es zu Lieferengpässen kommt.
Darüber hinaus kann die EMA vorsorglich Daten zur Verfügbarkeit und Nachfrage nach speziellen Arzneimitteln anfordern, wenn aus bestimmten Gründen ein drohender Engpass befürchtet wird. Und zwar nicht nur zu solchen mit einer zentralen Zulassung, sondern auch zu solchen mit einer nationalen. Zu Angaben verpflichtet sind in diesem Fall neben den Zulassungsinhabern auch die nationalen Behörden.
ESMP öffentlich nicht einsehbar – auch nicht für Apotheken
Zudem wird im Fall einer Krise der öffentlichen Gesundheit von der EMA eine Liste mit Arzneimitteln veröffentlicht, die sie als wichtig erachtet. Auch in diesem Fall müssen Hersteller und nationale Behörden in der ESMP Angaben zur Verfügbarkeit machen und es werden Arzneimittel mit nationaler und zentraler Zulassung gleichermaßen erfasst.
Die ESMP wird nicht öffentlich einsehbar sein. Nur die EU-Kommission und die nationalen Behörden sollen auf die Analyse und Aufbereitung der gesammelten Daten zugreifen können, um sie für Entscheidungen auf EU-Ebene heranzuziehen. Auch Apotheken werden laut EMA keinen Zugriff haben und selbst auch keine Meldungen erstellen können.
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Wird dank der Plattform ein EU-weiter Mangel an einem wichtigen Arzneimittel festgestellt, sollen Informationen dazu und Empfehlungen für medizinische Berufe und Patienten aber im „EMA Shortages Catalogue” veröffentlicht werden. „Langfristig ist es das Ziel der EMA, einen kompletten EU-weiten Katalog von Engpässen zur Verfügung zu stellen“, teilte die Behörde auf Anfrage der DAZ mit.
Die ESMP soll nationale Meldesysteme zu Lieferengpässen vorerst nicht ersetzen, da Arzneimittel mit nationaler Zulassung dort nicht routinemäßig erfasst werden. Laut EMA wird an einer Synchronisierung der Datensammlungen noch gearbeitet. In Deutschland bleibt daher die Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) relevant.
ESMP und BfArM
So führt das BfArM eine Liste mit versorgungskritischen Wirkstoffen und Arzneimitteln, die diese enthalten. Hersteller auf dem deutschen Markt haben sich selbst verpflichtet, regelmäßig Daten zu deren Verfügbarkeit zu übermitteln, sowie zur Verfügbarkeit verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit einem Marktanteil ab 25 Prozent aufwärts. Informationen zu Lieferengpässen werden dann öffentlich zugänglich gemacht.
Das BfArM wies auf Nachfrage der DAZ darauf hin, dass es aktuell selbst mit KI- und Big-Data-Ansätzen ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe entwickelt. Die europäische Plattform ESMP begrüße das BfArM als wichtige Ergänzung. Es sei in die europäischen Maßnahmen im Bereich des Lieferengpassmanagements aktiv eingebunden, sagte ein BfArM-Sprecher.
Wie aber soll die erweiterte Datenerhebung auf EU-Ebene Lieferengpässe künftig verhindern? Die EMA betont, dass diese nur Teil eines Maßnahmenpakets ist. Über eine neue EU-Gesetzgebung, die Lieferengpässen vorbeugen soll, werde derzeit noch verhandelt. Laut einem Bericht des „Tagesspiegels“ von Anfang Dezember müssen Pharmaunternehmen künftig womöglich Vorbeugepläne erstellen und könnten verpflichtet werden, für bestimmte Arzneimittel einen Vorrat sicherzustellen. Außerdem soll dafür gesorgt werden, dass Generika schneller auf den Markt kommen, indem die Zulassungsfrist herabgesetzt wird.
Lage in diesem Jahr entspannter
Was den deutschen Arzneimittelmarkt betrifft, gibt es aktuell noch eine gute Nachricht. Laut dem BfArM-Sprecher hat sich die Verfügbarkeit wichtiger Arzneimittel verbessert. „Mit Blick auf die bevorstehende Herbst- und Wintersaison und den damit einhergehenden Antibiotika-Bedarf insbesondere bei Kindern, stellt sich die Lage in diesem Jahr wesentlich entspannter dar“, so der Sprecher. „Bei einer Vielzahl von Antibiotika ist mit einer Versorgung zu rechnen, die den prognostizierten Bedarf mindestens deckt oder sogar übersteigt. Nach unseren Daten hat sich die Verfügbarkeit bei Kinderarzneimitteln beim Großhandel im Vergleich zum Vorjahr spürbar verbessert.“ Auch bei den Fiebersäften sei der Großhandel gut bevorratet. Darüber hinaus hätten auch die pharmazeutischen Unternehmen ausreichende Lagerbestände.
„Periodisch auftretende Nichtverfügbarkeiten“ einzelner Wirkstoffe, Stärken oder Darreichungsformen von Antibiotika könnten „generell auftreten“, wobei aber nach aktueller Datenlage entweder wirkstoffgleiche Alternativen oder therapeutische Alternativen zur Verfügung stehen würden. Es sei also „nicht mit Versorgungsengpässen zu rechnen.“
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