Kimmtrak®

Tebentafusp

01.05.2022


Bispezifisches Fusionsprotein bei Aderhaut-Melanom
Tebentafusp (Kimmtrak®) ist ein bispezifisches Fusionsprotein, das als Monotherapeutikum bei Erwachsenen mit inoperablem oder metastasiertem uvealem Melanom zum Einsatz kommt. Der Wirkstoff ist für Patienten geeignet, deren Tumor das humane Leukozyten-Antigen-A*02:01 exprimiert, das heißt HLA-A*02:01-positiv ist.

Tebentafusp 

Wirkungsmechanismus

Das aus 661 Aminosäuren bestehende, membrangebundene Glykoprotein 100 (gp100) ist an der Melanosomen-Reifung beteiligt. Es ist bei Melanin-produzierenden Melanozyten und pigmentierten Zellen der Retina, aber auch bei den meisten malignen Melanom-Zellen vorzufinden. Auf der Oberfläche von Tumorzellen des uvealen Melanoms (Aderhaut-Melanom) wird es vom humanen Leukozyten-Antigen-A*02:01 präsentiert und eignet sich damit als Ziel für eine Immuntherapie. Der rekombinant in Escherichia-coli-Zellen hergestellte neue Wirkstoff Tebentafusp besteht aus einer Steuerdomäne mit einem T-Zell-Rezeptor, der mit hoher Affinität an das HLA-A*02:01-assoziierte gp100 bindet.


Zudem enthält Tebentafusp ein Antikörperfragment (Effektordomäne), das gegen den auf polyklonalen T-Lymphozyten vorkommenden CD3-Rezeptor gerichtet ist. Die drei Elemente – uveale Melanom-Zellen, Tebentafusp und polyklonale T-Zellen – verbinden sich und bilden eine immunologische Synapse. Als Folge werden die gebundenen T-Zellen aktiviert und, unabhängig von deren ursprünglicher Spezifität, unmittelbar auf gp100-positive Tumorzellen umgeleitet. Es kommt zur Freisetzung inflammatorischer Zytokine und zytolytischer Proteine und damit zur gezielten Zerstörung von Tumorzellen des uvealen Melanoms.

Pharmakokinetik

Resorption: Tebentafusp wird ausschließlich intravenös appliziert. Daher beträgt die Bioverfügbarkeit definitionsgemäß 100%.


Proteinbindung, Verteilung: Die Substanz verteilt sich nahezu ausschließlich intravaskulär. Eine Proteinbindung im eigentlichen Sinne findet nicht statt.


Metabolismus: Tebentafusp unterliegt dem physiologischen Protein-Katabolismus zu kleineren Peptiden und einzelnen Aminosäuren, die in den Nährstoffpool übergehen.


Exkretion: Aufgrund seiner Größe erscheint das vollständige Wirkstoffmolekül nur in geringen Mengen im Urin. Die Eliminationshalbwertszeit liegt im Bereich zwischen sechs und acht Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Tebentafusp wird nach Verdünnung mit 0,9%iger, Humanalbumin-haltiger Kochsalzlösung über einen Zeitraum von 15 bis 20 Minuten intravenös infundiert. Wegen der Gefahr eines mitunter lebensbedrohlichen Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) sollten zumindest die ersten drei Applikationen stationär erfolgen, um erforderlichenfalls eine umgehende Reanimation zu ermöglichen. Eine anschließende Überwachungszeit von mindestens 16 Stunden ist angeraten. Zur Vermeidung einer CRS-assoziierten Hypotonie empfiehlt sich vor Beginn der Tebentafusp-Infusion eine intravenöse Flüssigkeits-Applikation. Auch eine Prämedikation mit Corticosteroiden kann erwogen werden. An Tag 1 und 8 werden 20 bzw. 30 µg Tebentafusp gegeben. Ab Tag 15 erfolgt eine wöchentliche Applikation von jeweils 68 µg. Wenn diese Dosis vertragen wird, können Folgedosen in geeigneten ambulanten Versorgungseinrichtungen verabreicht werden. Eine adäquate Nachüberwachung ist dennoch angeraten. Beim Auftreten von schweren Nebenwirkungen wie Hypotonie, Arrhythmien, Hautreaktionen oder Fieber sollte eine symptomatische Behandlung erfolgen. Die Tebentafusp-Therapie kann in diesen Fällen zeitweise ausgesetzt oder in sehr schweren Fällen dauerhaft beendet werden. Zu einer Dosisreduktion wird normalerweise nicht geraten. Die Behandlung sollte fortgesetzt werden, solange ein klinischer Nutzen besteht. Für die Anwendung von Tebentafusp bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz sowie mit signifikanten Herzerkrankungen liegen keine Erfahrungen vor, ebenso für die Therapie von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Tebentafusp besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Anwendung des Fusionsproteins kommt es sehr häufig zu Zytokin-Freisetzungssyndromen, vermindertem Appetit, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hypocalciämie, Hypokaliämie, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Parästhesien, Tachykardie, Hypotonie, Flush, Hypertonie, Husten, Dyspnoe, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Abdominalschmerzen, Obstipation, Dyspepsie, Hautausschlägen, Pruritus, trockener Haut, Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen, Erythemen, Arthralgien, Rückenschmerzen, Myalgien, Schmerzen in einer Extremität, Fieber, Ermüdung, Schüttelfrost, Ödemen, grippeähnlichen Erkrankungen, Anämien sowie zu erhöhten Aspartat-Aminotransferase-, Alanin-Aminotransferase-, Bilirubin-, Lipase- und Kreatinin-Werten, ebenso zu reduzierten Lymphozyten-Zahlen und Phosphat-Spiegeln. Häufig treten Nasopharyngitis, Angst, Geschmacksstörungen, Arrhythmien, Vorhofflimmern, Schmerzen im Oropharynx, Hypoxie, Alopezie, nächtliche Schweißausbrüche, Muskelspasmen sowie erhöhte Amylase-, Gamma-Glutamyltransferase-, Leukozyten-, alkalische-Phosphatase- und Blutzucker-Werte auf. Gelegentlich wird über Tumorlyse-Syndrome, Angina-pectoris-Anfälle, Herzinsuffizienz und QT-Zeit-Verlängerungen berichtet.

Wechselwirkungen

Tebentafusp führt zu einer reduzierten Freisetzung von CYP450-Enzymen. Erfahrungsgemäß besteht daher insbesondere in den ersten 24 Stunden nach Applikation der ersten drei Dosen bei kombiniert eingesetzten CYP450-Substraten die Gefahr einer reduzierten Biotransformation. Als Folge können Wirkung und Toxizität von Substanzen mit geringer therapeutischer Breite wie Ciclosporin oder Vitamin-K-Antagonisten klinisch relevant verstärkt werden. Arzneimittel, die wie bestimmte Antiarrhythmika, Antipsychotika oder Makrolid-Antibiotika zu Verlängerungen des QT-Intervalls führen, dürfen nur mit Vorsicht in Kombination mit dem möglicherweise ebenfalls proarrhythmisch wirkenden Tebentafusp eingesetzt werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Vor Therapiebeginn muss bei den zu behandelnden Patienten das Vorliegen eines HLA-A*02:01-Genotyps mittels eines validierten Typisierungs-Assays nachgewiesen werden. Wie erwähnt, führen Tebentafusp-Infusionen aufgrund der T-Zell-Aktivierung sehr häufig zu Zytokin-Freisetzungssyndromen, die in der Regel am Tag der Infusion einsetzen und innerhalb von etwa zwei Tagen wieder abklingen. Mögliche Anzeichen sind Übelkeit, Erbrechen, Ermüdung, Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Hypotonie und Hypoxie. Die Behandlung erfolgt zunächst durch unterstützende Maßnahmen wie die Gabe von Antipyretika und Flüssigkeit. In schweren Fällen sollte neben Corticosteroiden auch der Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab zum Einsatz kommen. Tebentafusp löst mitunter kardiale Symptome wie Sinustachykardien und andere Arrhythmien aus. Patienten mit entsprechender Prädisposition wie beispielsweise mit QT-Zeit-Verlängerungen in der Anamnese müssen daher engmaschig überwacht werden. Insbesondere EKG und Elektrolytspiegel sind regelmäßig zu kontrollieren. Tebentafusp ist vor allem bei den ersten Applikationen mit dem Auftreten akuter Hautreaktionen mit Ausschlägen, Pruritus, Erythemen und Ödemen assoziiert. Als Ursache wird die Beeinflussung von gp100 auf normalen Melanozyten der Haut vermutet. Als Gegenmaßnahme empfiehlt sich die topische und gegebenenfalls systemische Applikation von Antihistaminika und Corticosteroiden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Aufgrund bislang fehlender präklinischer und klinischer Daten wird die Anwendung von Tebentafusp während der Schwangerschaft nicht empfohlen. Vor Behandlungsbeginn ist der Schwangerschaftsstatus zu bestimmen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis zu mindestens einer Woche nach Ende der Therapie eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Derzeit ist nicht auszuschließen, dass Tebentafusp und/oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Zur Sicherheit sollte daher das Stillen während der Antitumorbehandlung unterbleiben.

Handelspräparat Kimmtrak® 

Hersteller

Immunocore Ireland Limited, Irland

Einführungsdatum

01. Mai 2022

Zusammensetzung

100 µg Tebentafusp pro 0,5-ml-Durchstechflasche

Sonstige Bestandteile

Citronensäure-Monohydrat (E 330), Dinatriumhydrogenphosphat (E 339), Mannitol (E 421), Trehalose, Polysorbat 20 (E 432), Wasser für Injektionszwecke

Packungsgrößen, Preise, PZN

eine Durchstechflasche, 16315,30 Euro, PZN 17928781

Indikation

erwachsene Patienten mit HLA(humanes Leukozyten-Antigen)-A*02:01-positivem, inoperablem oder metastasiertem uvealem Melanom

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 20 µg Tebentafusp an Tag 1, 30 µg an Tag 8, 68 µg an Tag 15 und danach 68 µg einmal wöchentlich.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Tebentafusp

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten in klinischen Studien berichteten Nebenwirkungen waren Zytokin-Freisetzungssyndrome (88%), Hautausschläge (85%), Fieber (79%), Pruritus (72%), Ermüdung (66%), Übelkeit (56%), Schüttelfrost (55%), Abdominalschmerzen (49%), Ödeme (49%), Hypo- bzw. Hyperpigmentierung (48%), Hypotonie (43%), trockene Haut (35%), Kopfschmerzen (32%) und Erbrechen (34%).

Wechselwirkungen

Mit Tebentafusp wurden keine formellen Studien zur Erfassung von Arzneimittelinteraktionen durchgeführt.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Nach den ersten drei Tebentafusp-Infusionen muss für mindestens 16 Stunden eine stationäre Überwachung der Patienten auf Symptome eines Zytokin-Freisetzungssyndroms, mit sofortigem Zugang zu Arzneimitteln und Ausrüstung zur Reanimation erfolgen. Danach ist bei guter Verträglichkeit eine ambulante Applikation möglich. Während der Therapie sollte regelmäßig das EKG kontrolliert werden.

Literatur

[1] Fachinformation zu Kimmtrak®, Stand: April 2022


[2] Nathan P, Hassel JC, Rutkowski P, Baurain JF et al. Overall survival benefit with tebentafusp in metastatic uveal melanoma. N Engl J Med 2021;385(13):1196-1206


[3] EPAR summary for the public. Kimmtrak® Tebentafusp. EMA/128686/2022; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

07/2022

Apothekerin Dr. Monika Neubeck