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- DAZ 39/1997
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Kommentar: Angeklagt
Ein großer Schritt nach vorn im Bemühen, den umtriebigen Mindener Apotheker Günter Stange und dessen mutmaßliche Ketten zu stoppen. Nun wissen wir genauer, was die Staatsanwaltschaft in Bielefeld nach zweijährigen Ermittlungen dem Pharmazeuten mit Sitz im nördlichen Zipfel Nordrhein-Westfalens vorwirft. Sie beschuldigt ihn, seit 1988 eine Kette aufgebaut zu haben, er soll zudem 32 Apotheker auf die falsche Fährte und in "Filialen" gelockt haben, bisher war lediglich verschwommen von "mehr als 30" die Rede. Die Staatsanwaltschaft wirft Stange darüber hinaus vor, andere zu falschen eidesstattlichen Versicherungen sowie zum Subventionsbetrug angestiftet zu haben. 371 Seiten dick ist die Anklageschrift, 1200 Aktenordner haben die Juristen gewälzt - hier muß man mal kurz inne halten um sich die erstaunlichen Dimensionen des Falles vor Augen zu halten, die an den dürren Zahlen deutlich werden. Als Besonderheit hebt der Leitende Oberstaatsanwalt selbst hervor, daß es bisher keine strafgerichtlichen Entscheidungen über illegale Ketten gibt. Der Stein ist ins Rollen gebracht, das zu ändern. Pikant ist allerdings schon, daß Günter Stange seine Apotheke in Minden nach wie vor geöffnet hält. Zwar hatte der Kreis Minden-Lübbecke 1996 die Betriebserlaubnis widerrufen, und hatte zwei Gerichte hinter sich (Verwaltungsgericht Minden und Oberverwaltungsgericht Münster), als er die sofortige Schließung anordnete. Dann aber setzte das Bundesverfassungsgericht Anfang März dieses Jahres den Sofortvollzug der Schließung für sechs Monate aus, wobei in der Sache wohlgemerkt noch nichts entschieden ist! Nachdem das halbe Jahr nun abgelaufen ist, haben sich die Verfassungsrichter selbst eine weitere sechsmonatige Frist für eine Entscheidung genehmigt, in der die Apotheke weiter geöffnet sein darf. Es bleibt zu wünschen, daß hier bald etwas geschieht. Aber unabhängig vom Handeln des Bundesverfassungsgerichts ist jetzt das weitere Vorgehen beim Landgericht Bielefeld zu beobachten. Es gibt wie gesagt bisher keine strafrechtlichen Entscheidungen über illegale Ketten in Deutschland. Um den Staatsanwalt noch einmal zu zitieren: "Letztlich wird es darum gehen, ob ein Apotheker, der sich dem gesetzlichen Auftrag entsprechend als Organ des Gesundheitswesens und als Ratgeber der Patienten versteht, strafrechtlichen Schutz vor Konkurrenten erhält, die Umsatz- und Gewinnoptimierung den Vorrang einräumen." Oder, um es nicht so vornehm zurückhaltend zu sagen: Damit es nicht länger heißt: Nur der Ehrliche ist der Dumme.
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