Die Seite 3

Editorial

Das Aus für Codein als Substitut

In die Drogenpolitik und Drogentherapie scheint Bewegung zu kommen. Auf dem Tisch liegt eine Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften, die das Kabinett bereits gebilligt hat. Mit der zehnten Änderungsverordnung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften soll neben dem Verbot weiterer Designerdrogen, der Aufnahme neuer Betäubungsmittel in die Liste verschreibungsfähiger Stoffe und dem erleichterten Verschreiben von Betäubungsmitteln für die Schmerztherapie (ich habe dies in meinem Kommentar in unserer letzten Montagsausgabe bereits angesprochen) die Substitutionstherapie qualifizierter ablaufen.

Das ist auch bitter nötig. Da viele Ärzte in Deutschland den Rauschgiftabhängigen nach dem Motto "halb zog sie ihn, halb sank er hin" mit der Verordnung von Codein oder Dihydrocodein helfen wollten, obwohl diese Stoffe für eine Substitution nicht zugelassen sind, war mittlerweile ein wildes Therapieren mit diesem Husten- und Schmerzmittel entstanden. Die Junkies handelten die "Remis" (Szenejargon für Remedacen) in der Drogenszene wie warme Semmeln, die "leckeren" Codein-Himbeersaft-Mixturen schafften sie literweise auf Vorrat an und verkauften sie weiter. Experten stritten und streiten sich darum, ob Codein & Co. überhaupt zur Substitutionstherapie geeignet ist oder den Süchtigen langfristig gesehen hilft. Die Mehrzahl ist wohl eher der Ansicht, mit diesem Alkaloid den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Während offiziell Codein als Substitutionsmittel abgelehnt oder zumindest kritisch gesehen wird, hat sich vor allem im Süden unseres Landes die "graue Substitution" etabliert. München wurde zur Hochburg der Codeinverordnungen als Ersatz für Heroin. Wie das Magazin "Stern" in seiner letzten Ausgabe berichtete, soll sogar bei jedem fünften Münchner Drogentoten Codein im Spiel gewesen sein.

Auch Bundesgesundheitsminister Seehofer scheint das Problem erkannt zu haben. Nachdem er die Schweiz besucht und gesehen hatte, daß diese Stadt den Abhängigen mit Erfolg auch mit der Abgabe von Heroin hilft, bekennt er sich hier zu "einer neuen ideologiefreien Diskussion, die sich an den Betroffenen orientiert".

Soweit ist die 10. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung freilich noch nicht gegangen. Heroin vom Staat wird damit (noch) nicht genehmigt, wenngleich bereits in einer Anhörung des Bundestags-Gesundheitsausschusses kontrovers darüber diskutiert wurde. Immerhin bekennt sich der Bundesrat dazu, Stoffe wie Heroin an Abhängige zu erlauben (siehe auch unseren Bericht in DAZ aktuell).

Die Änderung des Betäubungsmittelrechts allerdings versucht u. a., die Substitution in geordnete Bahnen zu lenken. Erstmals wurde ein eigener ausführlicher Paragraph in die Verordnung mit aufgenommen, der das Verschreiben eines Substitutionsmittels regelt und den Ärzten genau auf die Finger schaut, ob ihre Patienten überhaupt dafür geeignet sind oder ob Gefälligkeitsverordnungen stattfinden. An erster Stelle der Substitute werden hier Levomethadon und Methadon genannt. Nur in anders nicht behandelbaren Ausnahmefällen darf auch Codein oder Dihydrocodein verschrieben werden. Die Verschreibung der Codeinsäfte in großen Mengen wird also bald der Vergangenheit angehören.

Es kommt Bewegung in die Drogenpolitik. Bleibt zu hoffen, daß tatsächlich offen und vorurteilsfrei auch über neue Konzepte diskutiert werden kann. Es wird Zeit, daß wir in der Suchttherapie einen Schritt voran kommen - ob wir als Apothekerinnen und Apotheker hier einen Beitrag leisten können?

Ihr Peter Ditzel

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