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Arzneimittel und Therapie
Ost-West-Vergleich: Wie hoch ist das Allergierisiko für Schulkinder?
Die Ergebnisse lassen dabei nicht nur Aussagen über die Prävalenz von Allergien zu, sondern bieten auch Diskussionsansätze zur Pathogenese verschiedener atopischer Erkrankungen. Bereits in den Jahren 1991/1992, also kurz nach der Wiedervereinigung, wurde in Leipzig die Allergiehäufigkeit bei Schulkindern zwischen dem neunten und elften Lebensjahr untersucht. Vier Jahre später, nämlich 1995/96, wurde die Studie mit exakt den gleichen Bedingungen neu aufgelegt. Die eingeschlossenen neun- bis elfjährigen Kinder hatten also ihre ersten drei Lebensjahre in Ostdeutschland, die übrigen fünf bis sieben Jahre im vereinigten Deutschland verbracht. Nun sollte geprüft werden, ob die inzwischen veränderten Lebensgewohnheiten sich maßgeblich auf die Prävalenz allergischer Erkrankungen ausgewirkt haben.
Anstieg von Heuschnupfen und Ekzemen Die Häufigkeit von Allergien wurde anhand von Prick-Tests, Lungenfunktionstests und Fragebögen, die von den Eltern ausgefüllt werden mußten, ermittelt. In der ersten Studie wurden 1492 Fragebögen, 1303 Prick-Tests und 1272 Lungenfunktionstests ausgewertet. 1996 war die Anzahl noch größer: Die Ergebnisse von 2311 Fragebögen, 1624 Prick-Tests und 1875 Lungenfunktionstests konnten zur Interpretation herangezogen werden. Ein Vergleich der beiden Studienergebnisse erlaubte eindeutige Aussagen: Mehr als doppelt so viele Kinder litten 1995/96 unter Heuschnupfen als Anfang der neunziger Jahre (2,3% versus 5,1 %); die Zahl atopischer Hauterkrankungen war von 19,2 Prozent auf 26,7 Prozent angestiegen. Keine Unterschiede ergaben dagegen die Lungenfunktionstests: Allergisches Asthma und bronchiale Hyperreagibilität waren Mitte der neunziger Jahre genauso häufig wie 1991/92.
Gretchenfrage ungeklärt Weshalb das Heuschnupfen- und Ekzemrisiko seit der Wiedervereinigung angestiegen ist, kann die Studie allerdings nicht beantworten. Obwohl die Wohnungsverhältnisse durch gezielte Fragen z.B. nach Kohle- oder Zentralheizung, Teppichböden oder der Haltung von Haustieren genau abgeklärt wurden, konnten trotz bestehender Unterschiede keine direkten Zusammenhänge abgeleitet werden. Auch der Blick auf die Luftverschmutzung erlaubt keine eindeutigen Aussagen. Als nicht gesicherter, aber möglicher Risikofaktor kann Stickstoffdioxid diskutiert werden, das in den letzten Jahren von 33 mg/m3 auf 48 mg/m3 angestiegen war. Der Anteil an Schwefeldioxid in der Atemluft war dagegen deutlich zurückgegangen (103 mg/m3 versus 23 mg/m3).
Margarine als Übeltäter? Einzig die veränderten Ernährungsgewohnheiten bieten einen vagen Ansatzpunkt, das gestiegene Allergierisiko zu erklären. Dabei fokussiert sich die Diskussion auf den Unterschied zwischen Margarine und Butter. Während im Westen Deutschlands schon immer mehr Margarine gegessen wurde als im Osten, stieg in den ostdeutschen Bundesländern der Margarineverbrauch seit der Wiedervereinigung an. Margarine enthält jedoch deutlich mehr, nämlich 20mal soviel, Linolensäure wie Butter. Diese mehrfach ungesättigte Fettsäure besitzt, so hat zumindest eine Studie gezeigt, allergenes Potential. Ob allerdings mehr Margarine auf dem Schulbrot tatsächlich für den Heuschnupfen verantwortlich gemacht werden kann, sei dahingestellt.
Heuschnupfen und allergisches Asthma: unterschiedliche Pathogenese? Die Studie wirft allerdings noch einen zusätzlichen interessanten Aspekt auf. Zwangsläufig muß nämlich die Frage gestellt werden, weshalb in den letzten Jahren zwar die Häufigkeit von Heuschnupfen und allergischen Hautreaktionen angestiegen ist, bei allergischem Asthma und bronchialer Hyperreagibilität jedoch alles beim alten geblieben ist. Diskutiert wird ein Unterschied in der Pathogenese der beiden allergischen Erkrankungen. Da die 1995/96 untersuchten Kinder ihre ersten drei Lebensjahre noch in Ostdeutschland vor der Wiedervereinigung gelebt hatten, liegt der Schluß nahe, daß die Weichen für die Entstehung von allergischem Asthma bereits sehr früh gestellt werden, während das Risiko für Heuschnupfen und allergische Hautreaktionen noch in späteren Lebensjahren maßgeblich beeinflußt werden kann. Hier sind allerdings Spekulationen Tür und Tor geöffnet.
Literatur Mutius, E., et al.: Increasing prevalence of hay fever and atopy among children in Leipzig, east Germany. Lancet 351, 862-866 (1998). Dr. Beate Fessler, München
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