Feuilleton

Zur Erinnerung: 225. Geburtstag von Caspar Reinwardt

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es auf dem Gebiet der niederländischen Botanik kaum noch Aktivitäten, die zu deren Weiterentwicklung von wirklicher Bedeutung gewesen wären. Man war auf einem Tiefpunkt angekommen, nachdem man im 17. Jahrhundert bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein unter bedeutenden holländischen Botanikern (J. Burmann, J. u. C. Commelijn, H. Boerhaave u.a.) glanzvolle Zeiten erlebt hatte. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte die Botanik in den Niederlanden wieder einen neuen Aufschwung, was nicht zuletzt zahlreichen deutschen Botanikern zu verdanken war. Zu ihnen gehörte neben C. L. Blume (1796-1862) aus Braunschweig, F. A. W. Miquel (1811-1871) aus Neuenhaus, H. Kuhl (1796-1821) aus Hanau und anderen auch Caspar G. C. Reinwardt. Caspar Georg Carl Reinwardt wurde am 5. Juni 1773 in (Remscheid-)Lüttringhausen geboren. Seine Eltern waren begütert und zogen bald nach seiner Geburt nach Lennep um. Dort besuchte er das Gymnasium. Später ging er nach Amsterdam, wo sein älterer Bruder Johann Christoph Matheus Reinwardt 1787 eine Apotheke übernommen hatte. Auch Caspar Reinwardt wollte Apotheker werden und fand in Amsterdam bei einem Apotheker in der Lauriergracht eine Anstellung. Nebenher begann er an dem Athenaeum illustre, aus dem die heutige Universität hervorging, Medizin zu studieren. Da er nachts lange über seinen Büchern saß, entließ ihn sein Chef. Nach dem Abschluß seines Studiums berief ihn die Universität Harderwijk im Jahre 1800 als Professor für Naturgeschichte und ernannte ihn gleichzeitig zum Dr. med. h.c. In Harderwijk verfaßte er eine "Geographische Betrachtung der Flora von Holland", die W. H. de Vriese nach seinem Tode veröffentlichte. In den Niederlanden regierte seit 1806 König Louis Bonaparte (1778-1846), ein an den Wissenschaften sehr interessierter Monarch. Er ernannte Reinwardt 1808 zum Direktor eines zu errichtenden kgl. botanischen und zoologischen Gartens, dem ein naturhistorisches Museum angeschlossen wurde. Dieses war zunächst in Soestdijk, kam dann nach Haarlem und wurde später nach Amsterdam verlegt. 1810 ernannte ihn der König zum a.o. Professor der Chemie und Pharmazie sowie zum o. Professor für Naturgeschichte am Athenäum in Amsterdam. Nach dem Sturz Napoleons entstand 1815 das Königreich der Vereinigten Niederlande, das die zwischenzeitlich von den Briten besetzten Gebiete des Malaiischen Archipels (heute Indonesien) zurückbekam. Die niederländische Regierung ernannte Reinwardt sogleich zum "Directeur over de zaken van den Landbow, Kunsten en Wetenschapen op het eiland Java en Onderhoorigeden". Damit begann für ihn die Glanzperiode seiner Laufbahn. Zusammen mit einem Zeichner und einem Präparator reiste Reinwardt im Frühjahr 1816 für sechs Jahre nach Ostindien. Er schuf 1817 eine Medizinalkommission, die die Aufgabe hatte, Richtlinien für Stadtärzte, -chirurgen, -geburtshelfer und -hebammen zu erarbeiten, Examensvorschriften für Mediziner, Geburtshelfer, Hebammen und Apotheker, die sich in Niederländisch-Indien niederlassen wollen, aufzustellen und ein Reglement für das Gesundheitswesen sowie Bestimmungen für die Ausübung des Arzt-, Geburtshelfer- und Apothekerberufs zu erlassen. 1820 wurde ein Reglement für das gesamte Gesundheitswesen in Niederländisch-Indien erlassen, und Reinwardt wurde der erste Kommissar für den zivilen Gesundheitsdienst. Reinwardt verbesserte auch den Anbau einheimischer Pflanzen und unternahm Versuche mit der Kultivierung ausländischer Pflanzen auf Java. Diese Insel, die man auch den "Garten des Ostens" nannte, war mit einer üppigen Vegetation ausgestattet. Kein Wunder, daß Reinwardt am 15. August 1817 in Buitenzorg (heute Bogor) den ersten botanischen Garten der Tropen gründete. In ihm versuchte er alle Pflanzen des Archipels zu vereinigen. Von 1817 bis 1822 durchforschte Reinwardt auf größeren und kleineren Reisen das Inselreich, sammelte Pflanzen, Naturalien und ethnologische Gegenstände, die er nach Holland schickte, doch ging vieles durch mehrere Schiffbrüche verloren. Nach seinem Tod erschien 1858 seine "Reis naar het oostlijk gedeelte van den Indischen Archipel", welche mit Abbildungen und den Zeichnungen seiner Reisebegleiter versehen ist. Reinwardt war auch Ornithologe und entdeckte auf den Inseln des Malaiischen Archipels zahlreiche Vogelarten. Nach ihm benannte man eine Taubenart. Obwohl Reinwardt 1820 einen Ruf an die Universität Leiden erhielt, blieb er noch bis 1822 in Indonesien. Am 3. Mai 1823 hielt er in Leiden seine Antrittsvorlesung ("Über die Bereicherung, welche die Naturgeschichte durch die Erforschung Indiens erfahren hat") und lehrte dort 22 Jahre lang Botanik, Chemie und Mineralogie. Reinwardt war Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften (u.a. seit 1821 der Leopoldina) und Präsident der "Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Batavia". Für seine Verdienste um die Wissenschaften wurde er zum Ritter des niederländischen Löwenordens ernannt. Der belgische Botaniker C. J. Dumortier benannte 1822 nach ihm die Reinwardtia indica, einen vom Himalaya bis Indonesien verbreiteten Strauch aus der Familie der Leingewächse. Im Alter von 81 Jahren starb Caspar Georg Carl Reinwardt am 6. März 1854 in Leiden. Seinen Spuren folgend fanden viele ausländische Wissenschaftler ihren Weg in den Indischen Archipel und setzten dort sein Werk fort.

Literatur Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 28, S. 111- 113. München 1889. Caspar G. C. Reinwardt. In: Flora Malesiana I, 1, S. 429-431. 1950. L. Gebhardt: Die Ornithologen Mitteleuropas, S. 289, Gießen 1964. P. Smit: Über den Einfluß einiger deutscher Botaniker auf die Entwicklung der niederländischen Botanik im 19. Jahrhundert. Janus 58, 268-277, (1971). S. N. Tan: Zur Geschichte der Pharmazie in Niederländisch-Indien (Indonesien) 1602-1945, S. 67-70. Würzburg 1976. F. A. Stafleu, R. S. Cowan: Taxonomic literature, Vol. IV, p. 708-711. Utrecht 1983. Mitteilungen von Prof. Dr. H. Sleumer (ļ), Leiden.

Holm-Dietmar Schwarz, Bruchstraße 9b, 59939 Olsberg

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.