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Arzneimittel und Therapie
Repaglinide verbessert den Blutzucker und die Lebensqualität
In der ersten Phase des Typ-II-Diabetes besteht ein relativer Insulinmangel. Die basale Insulinsekretion ist noch vorhanden, der Nüchternblutzucker ist in Ordnung. Bei einer Glucosebelastung nach den Mahlzeiten kann Insulin nicht mehr in ausreichendem Umfang ausgeschüttet werden, und es kommt zur postprandialen Hyperglykämie.
Ein sinnvolles Behandlungkonzept sollte zu Beginn der Erkrankung vor allem darauf abzielen, diese postprandialen Blutzuckerspitzen zu verhindern.
Schutz vor Folgeschäden - eine gute Diabeteseinstellung ist wichtig
Derzeit gibt es in Deutschland etwa 4 Millionen Diabetiker, wahrscheinlich sind jedoch weitaus mehr Menschen vom Diabetes mellitus betroffen. Nur 20% der Diabetiker erreichen die durchschnittliche Lebenserwartung stoffwechselgesunder Menschen, denn sie sterben häufig zu früh an den Folgeschäden ihrer Grundkrankheit.
Die Retinopathia diabetica kann zur Erblindung führen, Neuropathien können die Ursache für Impotenz oder Amputationen der Gliedmaßen sein, außerdem drohen Nierenversagen und Makroangiopathien: Herzinfarkt und Schlaganfall treten bei Diabetikern zwei- bis dreimal häufiger auf als bei Stoffwechselgesunden.
Die wichtigste Maßnahme, um das Risiko für derartige diabetische Spätkomplikationen zu verhindern, ist eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Eine neue prospektive Interventionsstudie beim Typ-II-Diabetes, die UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study), deren Ergebnisse jetzt veröffentlicht wurden, zeigt: Wichtig ist vor allem, daß der Blutzucker gut eingestellt ist; womit diese Einstellung geschieht, ist sekundär. Sulfonylharnstoffe und Metformin stehen hier gleichberechtigt nebeneinander, wobei für die initiale Monotherapie des übergewichtigen Typ-II-Diabetikers Metformin favorisiert wird. Auch sollte nicht mehr die Gewichtsabnahme das oberste, meist unerreichbare therapeutische Ziel sein, zumal eine Diät allein meistens zur Stoffwechselnormalisierung nicht ausreicht. Der erste Schritt bei einer Therapie des Typ-II-Diabetes besteht zwar nach wie vor in einer Diät mit körperlicher Bewegung, wenn diese Maßnahmen jedoch nicht ausreichen, sollte eine gute Blutzuckereinstellung auch bei übergewichtigen Patienten medikamentös oder mit Insulin angestrebt werden.
Keine Angst vor Insulin!
Wenn eine gute Blutzuckereinstellung mit oralen Antidiabetika nicht möglich ist, sollte möglichst rasch auf Insulin umgestellt werden. Das kann zum Beispiel bei Menschen mit abdominaler Adipositas nach einer langfristigen Hyperglykämie der Fall sein, die eine hohe Insulinresistenz aufweisen. Auch Patienten mit einer fortgeschrittenen Insulinsekretionsstörung benötigen häufig Insulin. Im Gegensatz zu früheren Ansichten wirkt Insulin in physiologischen Dosen beim Menschen nicht atherogen. Insulin beseitigt im Gegenteil die Insulinresistenz und bessert Fettstoffwechselstörungen.
Sulfonylharnstoffe: striktes Regime
Beim Einsatz von Sulfonylharnstoffen muß ein striktes orales Therapieregime eingehalten werden, um eine gute Stoffwechseleinstellung des Typ-II-Diabetikers zu gewährleisten. Der größte Nachteil der langwirksamen Sulfonylharnstoffe ist die starre Stimulation der Insulinsekretion. Um Hypoglykämien zu vermeiden, muß der Diabetiker unter einer Sulfonylharnstofftherapie regelmäßig und sehr diszipliniert Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen, was zum einen unpraktisch ist und zum anderen eine unerwünschte Gewichtszunahme fördert. Häufig werden Sulfonylharnstoffe auch bewußt unterdosiert. Dadurch wird zwar das Hypoglykämierisiko verringert, dafür steigt aber auch die Gefahr von diabetischen Gefäßschäden.
Repaglinide: Anwendung nur bei Bedarf
Das neue orale Antidiabetikum Repaglinide ist kein Sulfonylharnstoff, sondern ein Carbamoylmethyl-Benzoesäurederivat. Repaglinide ist zur Behandlung von Typ-II-Diabetikern indiziert, deren Stoffwechsel trotz Diät und vermehrter körperlicher Aktivität nicht optimal einzustellen ist. Die Substanz wurde weltweit an 2300 Typ-II-Diabetikern getestet. Repaglinide reduziert wie alle insulinotropen Substanzen den Blutzucker durch eine Stimulation der Insulinfreisetzung aus den Betazellen des Pankreas. Die Wirkung ist mit der der Sulfonylharnstoffe vergleichbar. Auch der Wirkungsmechanismus ist derselbe: Durch eine Hemmung der ATP-sensitiven Kaliumkanäle der Betazellen kommt es zur Depolarisation der Zellmembran, und die Calciumkanäle öffnen sich. Der gesteigerte Calciumeinstrom induziert die Insulinsekretion. Allerdings greift Repaglinide an einer anderen Stelle des Kaliumkanals an als die Sulfonylharnstoffe. Außerdem kommt es ausschließlich in Gegenwart von Glucose zu einer Steigerung der Insulinsekretion.
Repaglinide wird nach oraler Einnahme in weniger als einer Stunde resorbiert (tmax <45 min), die Plasmahalbwertszeit beträgt eine Stunde. Die Insulinausschüttung wird bereits 15 Minuten nach der Einnahme aktiviert. Zwischen den Mahlzeiten sinken die Insulinspiegel, ähnlich wie bei stoffwechselgesunden Menschen, fast bis auf die Basiswerte ab.
Zum Vergleich: Der neueste Sulfonylharnstoff Glimepirid erreicht die höchsten Plasmaspiegel 2 Stunden nach der Einnahme, seine Halbwertszeit beträgt 5 bis 8 Stunden.
Die Plasmaproteinbindung von Repaglinide ist hoch. Repaglinide wird zu 92% hepatisch über das Isoenzym CYP 3A4 verstoffwechselt, klinisch relavante aktive Metaboliten entstehen nicht. Die Ausscheidung erfolgt zu 90% über die Fäzes und zu 8% über die Nieren.
Wegen der kurzen Halbwertszeit von Repaglinide ist die Gefahr einer Hypoglykämie geringer als bei Sulfonylharnstoffen, wie sich auch in klinischen Studien gezeigt hat. Das neue orale Antidiabetikum Repaglinide ermöglicht damit eine bedarfsgerechte Medikation zu den Mahlzeiten. Das Auslassen einer Mahlzeit ist unproblematisch. Eine Hypoglykämie ist hier nicht zu befürchten, da der Patient dann auch kein Repaglinide einnimmt. Dadurch wird der Diabetiker in seiner Lebensführung freier, seine Lebensqualität steigt.
Die empfohlene Anfangsdosis von Repaglinide beträgt 0,5 mg. Falls Patienten von einem anderen oralen Antidiabetikum umgestellt werden, liegt die empfohlene maximale Anfangsdosis bei 1 mg. Als maximale Einzeldosis zu den Hauptmahlzeiten wird 4 mg empfohlen, die maximale Tagesdosis darf 16 mg nicht überschreiten.
In der Kombinationstherapie mit Metformin ist Repaglinide besonders gut wirksam bei unter Metformin schlecht eingestellten Patienten ("Metforminversager"). Außerdem wird die Kombination von Repaglinide und Insulin untersucht.
Quelle
Dr. med. Stefan Eckardt, Mainz, Priv.-Doz. Dr. med. Matthias Frank, Neunkirchen, Dr. med. Rolf Renner, München, Dr. med Heinz-Jürgen Rüßmann, Dinslaken, Helmut Walbert, Würzburg; Einführungs-Pressekonferenz "Flexibilität in der oralen Therapie des Typ 2-Diabetes: NovoNorm(r) für die mahlzeitenbezogene Blutzuckerregulation", Aschau im Chiemgau, 24. September 1998, veranstaltet von Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz.
{au}Dr. Bettina Hellwig, Stuttgart
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