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Wissenswert
Warum Ostern ein Problem ist
Sonnenzeit, Mondzeit, Sternzeit
Kalendermacher haben seit Anbeginn ein Problem: Die durch die Bewegung der Himmelskörper vorgegebenen Zeitabschnitte Tag, Monat und Jahr wollen nicht so recht zusammenpassen, das heißt, sie lassen sich nicht durch Rechenoperationen mit ganzrationalen Zahlen voneinander ableiten. Ein Monat dauert z.B. ca. 29,5 Tage.
Zudem entscheidet der Bezugspunkt über die zu messende Zeitspanne. So dauert das siderische Jahr, bei dem ein beliebiger Fixstern als Bezugspunkt dient, 365,2565 mittlere Sonnentage. Das sogenannte tropische Jahr, nach dem wir uns meistens richten, ist 365,2422 mittlere Sonnentage lang. Es ist die Spanne zwischen zwei Durchläufen der Sonne durch die Tagundnachtgleiche des Frühlings, den Frühlingspunkt. Das tropische Jahr ist 21 Minuten kürzer als das siderische, da der Frühlingspunkt sich im Tierkreis stetig rückwärts verschiebt (Präzession).
Der siderische Tag wiederum, bei dem ebenfalls der Fixsternhimmel als Bezugsgröße dient, ist fast vier Minuten kürzer als der auf der Erde wahrgenommene mittlere Sonnentag.
Aderlass
Den Bauern auf dem Felde haben diese Dinge nie interessiert. Seit Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1450) entwickelte sich der Kalender dennoch zum ersten Volksbuch, da er über vieles informierte. Jeder Kalender enthielt den Ostertermin, die Mondphasen und eine Aderlasstafel. Denn der Mond wurde nicht nur beim Warzenbesprechen, sondern vor allem beim Zur-Ader-Lassen beachtet. Sein Stand in einem der Tierkreiszeichen bezeichnete jeweils den Körperteil, der nicht zur Ader gelassen werden durfte.
Kalender gegen Korruption
Julius Cäsar dachte eineinhalb Jahrtausende früher in anderen Dimensionen. Seine britannische Invasion musste er nach den Sternen planen, da der römische Kalender mit 355 regulären Tagen sich ständig verschob und nicht für feinsinnige Strategien taugte.
Die Hohenpriester beherrschten damals den Kalender. Durch willkürlich eingeschobene Schaltmonate verlängerten sie Amtszeiten oder manipulierten Zahlungstermine. Steuern waren im März zu zahlen. Schob man zwischen Februar und März einen Monat, ergab das einen Zahlungsaufschub.
Cäsar setzte die Reform gegen starke Widerstände durch. Sie bedeutete auch die Entmachtung der Priester. Zum radikalen Umschwung war ein -Jahr der Verwirrung nötig. Das Jahr 45 v. Chr. dauerte 15 Monate oder 445 Tage. Der neue Kalender begann 46 v. Chr. mit
einem Schaltjahr von 366 Tagen; die Normaljahre hatten von nun an 365 Tage. Durch den alle vier Jahre eingeschobenen Schalttag waren die Jahre im Schnitt 365,25 Tage lang.
Der neue Kalender war eine große Leistung, die bis heute nachwirkt. Denn mit der Gleichsetzung von Kalenderjahr und Sonnenjahr setzte Cäsar ein rationales Element in die Welt. Gleichzeitig verewigte er sich im Kalender mit dem nach ihm benannten Monat Juli.
In einer Nacht zehn Tage älter
Das Julianische Jahr war um 0,0078 Tage oder 11 Minuten und 14 Sekunden länger als das tropische. Dadurch entfernte sich der Frühlingspunkt immer mehr vom nominalen Frühlingsbeginn am 21. März. Um 1500 betrug die Differenz bereits zehn Tage. Ostern begann den Bezug zum jüdischen Passahfest, das sich am Frühlingspunkt orientiert, zu verlieren.
Papst Gregor XIII. reformierte 1582 den Kalender, um die Jahreslänge neu zu justieren. In der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober 1582 alterten alle Menschen der Christenheit um zehn Tage. Die Tage waren einfach gestrichen worden. Außerdem wurde die Schaltregel Cäsars verfeinert. Innerhalb von 400 Jahren fallen nun drei Schaltjahre aus, und zwar immer die Säkularjahre, die nicht durch 400 teilbar sind (ohne Rest bzw. Bruchzahl). Die Jahre 1700, 1800 und 1900 waren deshalb keine Schaltjahre, während das Jahr 1600 eines war und das Jahr 2000 eines sein wird.
Das Gregorianische Jahr dauert 365,2425 Tage. Aber auch dieses ist noch zu ungenau. Denn alle 3333 Jahre ist eine zusätzliche Schaltung nötig; so müsste das Jahr 4915 ein Schaltjahr sein.
Weltende im Jahr 1588?
-Tausend fünf hundert achtzig acht
Dis ist das Jahr das ich betracht
Geht denn die Welt nicht unter
So geschieht doch gross Wunder.
Der Gregorianische Kalender wurde zunächst in weiten Teilen Deutschlands abgelehnt. Die Protestanten protestierten schon aus Prinzip gegen den Papst. Michael Maestlin, ein Lehrer Keplers, meinte 1583, die Reform lohne nicht, da der Welten Ende sowieso nahe sei: 1588 sollte es soweit sein.
Doch auch die Bauern beschwerten sich. Das Obst würde unreif abgenommen, die Vögel wüssten nicht mehr, wann sie sich paaren sollen. Die Katholiken meinten, dass die Vögel, die sich am Vincenztag des alten Kalenders gepaart hätten, dies nun am Vincenztag des neuen täten. Der Astronom Johannes Kepler zeigte sich wenig interessiert. Für ihn war der neue Kalender keine wissenschaftliche Frage, sondern eine politische.
Der Kalender hat sich seitdem kaum verändert. Der bürgerliche Kalender Deutschlands beruht darauf und ist nach DIN 1355 genormt. 1976 wurde der Wochenanfang von Sonntag auf Montag verlegt. Dieser theologisch wichtige Vorgang hat aber niemanden gestört.
Ein Kalender der Vernunft
Die Französische Revolution benutzte ihren eigenen Kalender: Der Revolutionskalender war bereits 1787 von Marechal entworfen worden und löste am 5. Oktober 1793 den bisherigen -Sklavenkalender ab. Als -Nullpunkt wurde der 22. September 1792 festgesetzt, der erste Tag der Republik nach der offiziellen Abschaffung des Königtums am Tag zuvor und zugleich der Tag der Herbst-Tagundnachtgleiche, mit der hinfort die Jahre des Revolutionskalenders begannen.
Das Jahr teilte sich in zwölf Monate zu je 30 Tagen. Fünf oder sechs zusätzliche Tage, die Sansculottiden, komplettierten das Sonnenjahr. Die Woche wurde abgeschafft. Der Monat bestand aus drei Dekaden, der Tag aus zehn Stunden, die Stunde aus zehn Teilen usw., das Dezimalsystem sollte die Vernunft der Zeit ausdrücken. Jeder Tag des Jahres wurde statt mit einem Heiligen mit einem ökonomischen Begriff belegt.
Napoleon hob den Revolutionskalender am 1. Januar 1806 wieder auf.
Der Tag beginnt abends
Der jüdische Kalender beginnt mit dem 7. Oktober 3761 v. Chr. als dem Tag, an dem Gott Sonne und Mond schuf und auf ihre Himmelsbahnen schickte. Da bestimmte Feiertage nicht auf einen Wochentag fallen sollen, ist das Regelwerk sehr kompliziert. Es wechseln mangelhafte, regelmäßige und überzählige Gemeinjahre mit 353, 354 bzw. 355 Tagen mit entsprechenden Schaltjahren mit 383, 384 bzw. 385 Tagen. Das regelmäßige Gemeinjahr mit 354 Tagen entspricht genau zwölf Mondmonaten, die jeweils nach Neumond beginnen. In den Schaltjahren wird ein Schaltmonat hinzugefügt. Der Tag beginnt mit der Abenddämmerung.
Die Muslims zählen reine Mondjahre. Sie beginnen die Zählung mit der Flucht Mohammeds nach Medina im Jahr 622 n. Chr. Der Mondkalender hat 354 bzw. 355 Tage in zwölf Monaten mit abwechselnd 30 und 29 Tagen. Ein Zyklus von 30 Jahren hat 19 längere und elf kürzere Jahre. Da das Mondjahr um 1/33 kürzer ist als das Sonnenjahr, wandert der Jahresanfang alljährlich um diesen Teil rückwärts, um nach 33 Jahren wieder am Ausgangspunkt anzukommen. 100 Mondjahre entsprechen somit 97 Sonnenjahren.
Ostern mit Formel
Das Osterfest fällt definitionsgemäß auf einen Sonntag. Auf dem 1. Konzil von Nicäa im Jahre 325 einigte man sich auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Die genaue Berechnung des (astronomischen) Frühlingspunktes (s.o.) war aber schwierig, weshalb der römische Abt Dionysius Exiguus (6. Jh.) den Frühlingsbeginn generell auf den 21. März festsetzte. Seither fällt der Ostersonntag frühestens auf den 22. März und spätestens auf den 25. April. Der Termin wird bisher durch Tabellen mit bestimmten Osterzyklen oder durch die Gaußsche Osterformel errechnet.
Die Differenz zwischen willkürlich festgesetztem Frühlingsanfang und astronomischem Frühlingspunkt führt aber zu Widersprüchen. So liegt Ostersonntag im nächsten Jahr auf dem 23. April statt auf dem 26. März, wie es aufgrund des astronomischen (!) Frühlingsanfangs am 20. März 2000 eigentlich sein müsste. Auch gibt es immer noch unterschiedliche Ostertermine, da die Ostkirchen z.T unterschiedliche Osterformeln verwenden oder die Osterformel des Dionysius Exiguus auf der Basis des Julianischen Kalenders anwenden (so die griechisch-orthodoxe Kirche). Möglicherweise werden Astronomen ab dem Jahr 2001 einen einheitlichen Ostertermin für alle Kirchen bestimmen.
Wann beginnt das neue Jahrtausend?
Unser Kalender richtet sich nach dem von Dionysius Exiguus berechneten vermeintlichen Geburtsjahr Jesu. Doch haben wir uns angewöhnt, anstatt vom (korrekt) 1., 2. oder 1999. Jahr vom Jahr 1, 2 oder 1999 zu reden. Nachdem man im 17. Jahrhundert auch die Jahre vor Christus vom Zeitpunkt seiner Geburt aus zu zählen begonnen hatte, wird nun
31. 12. 1 v. Chr. 24 Uhr mit
1. 1. 1 n. Chr. 0 Uhr
gleichgesetzt. Das Jahr 0 existiert in diesem System nicht.
Also begann das erste Jahrtausend am 1. 1. 1 und endete 1000 Jahre später am 31. 12. 1000. Das zweite Jahrtausend begann am 1. 1. 1001, das dritte beginnt am 1.1. 2001.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Uwe Schulte, Hauptstraße 41, 74379 Ingersheim
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