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Die Seite 3


Ärzte machen Druck
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) macht ernst. Sie und damit die 110 000 Ärzte, die sie vertritt, sind nicht länger gewillt, sich mit dem staatlich festgesetzten Arzneimittelbudget auseinander zu setzen und bei einem Überschreiten des Budgets die Mehrverordnungen in Form von Regressen zu zahlen. In der vergangenen Woche hat sich der Länderausschuss der KBV einstimmig dafür ausgesprochen, ein 5-Punkte-Notprogramm in petto zu halten, das dann zum Zug kommen soll, wenn sich abzeichnet, dass das Budget vor Jahresende aufgebraucht sein wird. Nach ersten Hochrechnungen könnte dies im Herbst der Fall sein, wenn weiterhin so verordnet wird wie bisher. Das Notprogramm wird allerdings zunächst als Druckmittel auf die anstehenden Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium und den Koalitionsfraktionen eingesetzt, in denen Alternativen zur Einhaltung des Budgets gesucht werden sollen. Scheitern die Gespräche, dann soll das Notprogramm greifen - zur Regressprophylaxe.
Da machen die Ärzte mächtig Druck. Denn das Notprogramm würde die Arzneiversorgung der Bürger mit einem Schlag massiv verschlechtern. Und das kann die Regierung freilich nicht wollen. Zwar würde allen Patienten noch das "medizinisch unbedingt Notwendige" zur Verfügung gestellt, aber "nicht nach den pharmakotherapeutisch modernsten Möglichkeiten". Hier nur stichpunktartig die wichtigsten Maßnahmen: Es soll eine Warteliste für Arznei- und Heilmittel eingeführt werden. Diese Warteliste würde dann ab 1. Januar 2000, wenn das neue Budget greift, abgearbeitet. Aufschiebbare Behandlungen sollen verschoben werden. Dazu sollen beispielsweise auch Antidiarrhoika, Rhinologika, Antitussiva oder Lipidsenker gehören. Wie eine Durchfallbehandlung aufschiebbar wird, müssten die Ärzte allerdings noch erklären.
Bis zur Beseitigung des Budgets sollen auch innovative Therapien verschoben werden. Solange das Budget bestehe, gebe es keine Spielräume für die Verordnung des medizinischen Fortschritts. Außerdem sollen die Ärzte, so das Notprogramm, radikal vom Original auf das preiswerteste Generikum umstellen. Auch das Einholen von Zweitmeinungen vor hochpreisigen Therapien ist vorgesehen. Und schließlich sollen - falls dies alles nicht zu den gewünschten Einsparungen führt - spezielle Notrezepte ausgestellt werden, die von den Patienten voll bezahlt werden und von den Kassen nach Vorlage erstattet werden können. Alles in allem also ein Programm, das der Regierung gewaltig Druck macht. Und den Patienten und der Öffentlichkeit zeigen soll, dass Budgetierungspolitik de facto Rationierung bedeutet.
Das Notprogramm aus Apothekersicht: Wenn es dazu käme, würden sich die Maßnahmen natürlich drastisch auf die Apothekenumsätze auswirken. Keine Innovationen mehr, nur das billigste Generikum und überhaupt nur noch das allernotwendigste Arzneimittel. Darüber hinaus würde das Programm wohl den gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung einer ausreichenden Arzneiversorgung verletzen. Auf der anderen Seite könnte man - abgesehen von den Umsatzverlusten - mit diesem Programm klammheimlich ein wenig sympathisieren: Wer hat schon solche Druckmittel gegen eine starrköpfige Gesundheitspolitik in der Hand? Wer kann es schon denen in Bonn bzw. Berlin mal so richtig zeigen?
Dennoch - mir würde Vernunft und eine Lösung auf der Ebene von politischen Gesprächen besser gefallen.
Peter Ditzel

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