Randnotitz

Fakten, Fakten, Fakten?

Spiegelein, Spiegelein in der Hand, wer ist die verfolgte Unschuld im Land? Es treibt einem die Tränen ins Gesicht, was das Hamburger Nachrichtenmagazin am Rosenmontag seinen geneigten Lesern über den Stange-Prozess vor dem Landgericht Bielefeld berichtete: Böse Staatsgewalt verfolgt im Zusammenspiel mit übermächtiger Pharma-Lobby und rückwärtsgerichteten Zunft-Knechten innovativen Wohltäter des Apothekerstandes. Selten so gelacht. Das ausgebuffte System Stange als selbstlose Marketingidee zu Nutz und Frommen des ausgegrenzten Pharmazeuten-Nachwuchses? Eines muss man Stange lassen: wem es gelingt, junge Kolleginnen und Kollegen abzuzocken und wie Weihnachtsgänse auszunehmen, mit Klagen zu überziehen und in den Ruin zu treiben, um sich sodann erfolgreich als Rächer der Entrechteten zu gerieren, beherrscht zumindest die Klaviatur pressewirksamer Öffentlichkeitsarbeit mit Bravour. "Ohne Stanges Hilfe hätte ich den Schritt zur Selbstständigkeit (??) nie gewagt", zitieren die Blattmacher treuherzig eine Stangesche "Vivas"-Apothekerin, um ein paar Zeilen weiter auf die "kundenfreundlichere Apotheke mit einheitlichem Design" (von der Stange?) hinzuweisen. Lediglich Räume an Apothekengründer habe der Mindener Apotheker über zwei Subfirmen an bedürftige Kollegen vermietet - und ihnen einige Schubladenschränke, Computer und Marketingkonzepte zum Kauf angeboten. Oh Du lieber Augustein: was ist aus den soliden Recherchen deiner Redaktoren geworden? P.S.: Dass es, worauf der "Spiegel" genüsslich hinweist, ziemlich unappetitlich ist, einer Zeugin seitens der Berufsvertretung 12.000 DM Honorar (von welchem Geld eigentlich?) sowie "über politische Kanäle" Hilfe bei der Einbürgerung ihres ausländischen Lebensgefährten für ihre Aussage gegen Stange anzubieten, sei durchaus eingeräumt. Heuchlerisch ist es freilich auch, wenn sich der "Spiegel" darüber echauffiert - ist es doch erst einige Wochen her, dass die Hamburger der "Kronzeugin" im Untersuchungsausschuss zur nordrhein-westfälischen Flugaffäre 100.000 DM "Informationshonorar" gezahlt hatten. Christian Rotta

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