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Randnotitz
Opfer eines Apothekerkriegs?
Vom tragischen Tod des sechsjährigen Joseph Abdulla in der Seidenblumenstadt Sebnitz, Erholungsort am Nationalpark Sächsische Schweiz, ganz im Osten Deutschlands gelegen in der Nähe zur tschechischen Grenze, haben Sie aus den Medien erfahren. Was am 13. Juni 1997 im Freibad dieses Städtchens wirklich passiert ist, ob es ein Unglücksfall war, eine fahrlässige Tötung oder aber Mord aus Rache und Hass gegen ein erfolgreiches zugezogenes Apothekerehepaar aus dem Westen - weiß bis heute niemand, die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.
Priv.-Doz. Dr. Renate Kantelberg-Abdulla, Apothekerin und SPD-Abgeordnete, und ihr irakischer Mann, der Apotheker Saad Abdulla, sind davon überzeugt, dass ihr Sohn Joseph vergiftet wurde. Man habe dem Jungen im Schwimmbad das Betäubungsmittel Ritalin eingeflößt, das - und das ist Fakt - Rechtsmediziner im Blut von Joseph fanden. Fakt ist auch, dass beim toten Kind ein "abnorm beweglicher Nacken" und "Ausstrahlungen von Elektroden im linken Unterraumbauchbereich" festgestellt wurden, die auf Elektroschockgeräte hindeuten konnten.
Der anfängliche Verdacht, Rechstradikale z. B. aus der Vereinigung "Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), einer spontan handelnden Schlägertruppe, konnte sich nicht bewahrheiten. Apothekerin Kantelberg vermutet hinter dem Tod ihres Sohnes andere Ursachen: Fremdenhass konnte nur ein nachrangiges Tatmotiv gewesen sein, sie geht vielmehr davon aus, dass Konkurrenzkämpfe unter Ärzten und unter Apothekerkollegen, Rezeptbetrügereien und Mauscheleien in größerem Ausmaß ein Motiv waren. Sie hatten ihre Center-Apotheke als dritte Apotheke in Sebnitz 1995 eröffnet, gefördert nach der Wende mit öffentlichen Mitteln. Schon bald musste Frau Kantelberg jedoch feststellen: "Die Konkurrenz hat uns das Leben zur Hölle gemacht", wie sie in der "taz" zitiert wird. Es gebe ein System von Kungeleien in Sebnitz, mit dem ihr die anderen Apotheken wirtschaftlich das Wasser abgegraben hatten. Mediziner hatten, so wird Saad Abdullah zitiert, Rezepte für Patienten ausgestellt, die die Arzneimittel nicht benötigten, Ärzte und Apotheker hatten dann gemeinsam davon profitiert. Anfangs habe man sie, das Ehepaar Kantelberg-Abdulla, in die Betrügereinen mit einbeziehen wollen, sie hatten jedoch abgelehnt, da man diese Betrügereien nicht mitmachen wollte. Seit dieser Zeit hatten Diffamierung und Verfolgung eingesetzt.
Ein gravierender Verdacht fiel bei den Aussagen und Ermittlungen dabei auf die Tochter des Konkurrenzapothekers und CDU-Stadtrats in Sebnitz. Die junge Frau, die nach Vermutungen von Frau Kantelberg der rechtsextremen Szene zugerechnet werden muss, soll dem Jungen das Ritalin gegeben haben. Nach Angaben von Herrn Abdulla, veröffentlicht in der "taz", seien er und seine Frau sogar von einer eingeschleusten Mitarbeiterin bespitzelt worden, sie habe Preise gefälscht und sich mit fiktiven Rezepten bereichert und die Firmeninterna der Center-Apotheke an andere Apotheken, vor allem an die Hirsch-Apotheke in Sebnitz, weitergegeben.
Im Fall Joseph Abdulla werden die Ermittlungsbehörden eine Menge Fragen klären müssen, zumal die von Frau Kantelberg vorgebrachten Zeugen mittlerweile ihre Aussagen zum Teil zurückgezogen oder widerrufen haben. Vorwürfe, die Zeugen bestochen zu haben, hat Frau Kantelberg zurückgewiesen. Aber, wie konnte es damals vor drei Jahren überhaupt passieren, dass ein Junge in einem Schwimmbad, in dem sich rund 300 Menschen aufgehalten haben sollen, ertrinkt? Es bleiben eine Menge Fragen, viele Vermutungen und einige Fakten.
Letztendlich läuft derzeit viel auf die Frage hinaus: Musste der kleine Joseph sterben, weil Apotheken ihre Konkurrenz los werden wollten? Weil Krieg unter Apothekern in Sebnitz herrscht? Wenn sie heute im Internet Sebnitz besuchen (www.sebnitz.de), blendet sich in die touristische Begrüßung der Seidenblumenstadt ein Fenster ein, in dem der Bürgermeister eine Presseerklärung abgibt. Hier fordert er die schnelle Aufklärung des Falls, er ruft zu Besonnenheit auf und ist bemüht, Imageschaden von der "kleinsten Großen Kreisstadt" Sachsens zu nehmen. Neben dem tragischen Tod des kleine Joseph und der Verzweiflung der Sebnitzer Bürger bewegt ihn dabei "die Tragik der Familie Kantelberg-Abdulla, die gefesselt in Schmerz, Verzweiflung und Trauer die Grenzen von Wirklichkeit wahrscheinlich verwischt". Peter Ditzel
1 Kommentar
Lügen, Verleumdung, Erkaufte Aussagen
von Zander am 22.12.2019 um 1:03 Uhr
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