Arzneimittel und Therapie

Alkoholabhängigkeit: Wer einmal an der Flasche hängtS

...für den stehen die Chancen schlecht, davon wieder ganz loszukommen. Neben einer umfassenden psychosozialen Betreuung des Alkoholikers, aber auch seiner Angehörigen, können auch Arzneimittel den Weg aus der Sucht erleichtern. Doch nicht alle sind gleich gut geeignet.

Ein Gläschen Sekt im Büro, ein "Absacker" vor dem zu Bett gehen, und ein "Rosso" beim Italiener - dagegen ist nichts einzuwenden, oder? Alkohol gehört inzwischen bei vielen Jugendlichen und Erwachsenen zum täglichen Leben. Vergessen wird dabei, dass häufiger Alkoholkonsum und die allgemeine Akzeptanz der "Droge Alkohol" gerade bei labilen Menschen nicht selten den Weg in die Sucht bahnen. In den USA hat etwa jeder Zehnte im Laufe seines Lebens ein Alkoholproblem.

Psychosoziale Betreuung und Arzneimittel

Einmal dem Alkohol verfallen, ist es für die meisten schwierig, wieder davon loszukommen. Psychosoziale Betreuung ist ein Standbein der Therapie. Zusätzlich lassen sich auch Medikamente einsetzen, die den Weg aus der Sucht unterstützen können. Dazu gehören das bereits seit 50 Jahren verwendete Disulfiram sowie die neueren Wirkstoffe Naltrexon und Acamprosat. Aber auch mit Psychopharmaka, die in den Serotonin-Stoffwechsel eingreifen, wird versucht, gegen die Sucht anzukämpfen. Um den Stellenwert dieser Präparate in der Therapie der primären Alkoholabhängigkeit zu bestimmen, wurden nun kontrollierte Studien aus den Jahren 1996 und 1997 genauer unter die Lupe genommen.

Klarer Vorteil gegenüber Plazebo: Naltrexon und Acamprosat Bei der Recherche zeigte sich, dass die Zahl der Studien insgesamt zwar beträchtlich war, der Anteil kontrollierter, aussagefähiger Untersuchungen jedoch eher gering ausfiel. Positiv schnitten Naltrexon und Acamprosat ab. Für beide Wirkstoffe stehen ausreichend gute Studien zur Verfügung, die ihre Überlegenheit gegenüber Plazebo in der Therapie der Alkoholabhängigkeit dokumentieren.

  • So trinken die Alkoholiker (n = 217) unter Naltrexon insgesamt weniger Alkohol. Gleichzeitig geht aber auch die Rückfallquote im Vergleich zu Plazebo deutlich zurück (Studienergebnisse: 54 Prozent versus 23 Prozent bzw. 80 Prozent versus 40 Prozent).
  • Acamprosat, das an über 2000 Probanden getestet wurde, senkte ebenfalls die Trinkfrequenz. So erhöhte sich beispielsweise in einer Studie die Zahl der Tage, an denen kein Alkohol getrunken wurde, von 162 auf 225. Zu erkennen war außerdem der Trend hin zu einer erhöhten Abstinenzrate.

    Disulfiram: Studienlage und praktische Anwendung

    Auf etwas wackeligen Beinen steht dagegen die Datenlage für Disulfiram. Die Qualität der vorliegenden Studien wurde als eher mäßig bewertet, die Ergebnisse divergierten. In den drei plazebokontrollierten Untersuchungen zeichnete sich jedoch ab, dass auch die Gabe von Disulfiram die Zahl der "Alkoholtage" reduziert - allerdings ohne das Abhängigkeitsverhalten zu beeinflussen. Den Ergebnissen der kontrollierten Studien gegenüber stehen die positiven Erfahrungen in der praktischen Anwendung von Disulfiram. Hier unterscheiden sich praktische Anwendung und klinische Studien.

    Psychopharmaka: Datenlage mangelhaft

    Die Bewertung serotonerger Wirkstoffe wie Citalopram, Fluoxetin oder Buspiron in der Therapie der primären Alkoholabhängigkeit ist problematisch, da diese meist nur dann zum Zuge kommen, wenn Depressionen oder Angstzustände mit im Spiel sind. Für Fluoxetin konnte gezeigt werden, dass es zumindest bei depressiven Alkoholikern die Alkoholmenge und die Häufigkeit der Alkoholzufuhr senkt. Das Studienmaterial gilt als nicht ausreichend, um ein abschließendes Urteil zu sprechen. Klar ist dagegen die Datenlage für Lithium. Es ist in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit eindeutig ebenso wirksam bzw. unwirksam wie Plazebo.

    Nebenwirkungen bei allen

    Ein zweiter Blick ging auf die Nebenwirkungen. Detaillierte Aussagen über das Nutzen-Risiko-Profil wurden zwar nicht erstellt. Dennoch: Die Mortalität stieg unter keinem der Wirkstoffe an. Begleiterscheinungen zeigten alle Medikamente. So mussten unter Naltrexon manche Probanden erbrechen oder litten unter Kopfschmerzen. Die Einnahme von Acamprosat war mit vermehrter Diarrhö, Juckreiz und Schwindel verbunden. Auch Disulfiram und die serotonergen Substanzen zeigten unerwünschte Effekte.

    Offene Fragen schleunigst klären

    Trotz dieser Übersichtsarbeit bleiben aber viele Fragen zur Therapie Alkoholabhängiger offen. Kaum Studien existieren zu der Frage, was eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung leisten kann. Ebenfalls ungeklärt ist, ob die gleichzeitige Gabe von zwei Medikamenten den Behandlungserfolg verbessert und über welchen Zeitraum behandelt werden sollte. Diese Fragen sollten schleunigst geklärt werden, denn die Alkoholsucht gehört zu den großen Problemen unserer Zeit.

    Kastentext: So wirken Medikamente gegen die Alkoholsucht

  • Naltrexon: Antagonist endogener Opioide, wie Beta-Endorphin oder Enkephalin; Senkung des emotionalen Effekts von Alkohol
  • Acamprosat: genauer Wirkmechanismus unbekannt, Interaktion mit Glutamatrezeptoren und Calciumkanälen
  • Disulfiram: Hemmung der Aldehyddehydrogenase und damit Erhöhung des Acetaldehydspiegels nach Alkoholkonsum; die Folge: Erbrechen, Hypotonie und Flush
  • Citalopram, Fluoxetin: selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren
  • Buspiron: Serotoninagonist
  • Lithium: genauer Wirkmechanismus unbekannt; Erhöhung der Serotoninaktivität, Beeinflussung des Phosphoinositol- Signalwegs

    Literatur Garbutt, J. C. et al.: Pharmacological treatment of alcohol dependence. J. Am. Med. Assoc. 281, 1318-1325 (1999).

  • Wer einmal an der Flasche hängt, für den stehen die Chancen schlecht, davon wieder ganz loszukommen. Neben einer umfassenden psychosozialen Betreuung des Alkoholikers, aber auch seiner An-gehörigen, können auch Arzneimittel den Weg aus der Sucht erleichtern. Doch nicht alle sind gleich gut geeignet.

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