Ernährung

O. Adam et al.Adipositas-Therapeutika – Bewert

Mehr als ein Drittel der Deutschen ist übergewichtig. Die Folgen der Adipositas verursachen mit etwa 50 Milliarden Mark pro Jahr mehr als die Hälfte der durch ernährungsabhängige Krankheiten im Gesundheitswesen entstehenden Kosten. Die Ausgaben für Adipositas-Therapeutika werden auf 2 Milliarden Mark geschätzt, mit steigender Tendenz. Der Wert lebensmitteltechnischer und pharmazeutischer Produkte zur Gewichtsreduktion muss gegen die mögliche Gefährdung durch diese Produkte abgeschätzt werden. Da die Therapie der Adipositas ein bisher nicht gelöstes Problem darstellt, erscheint eine pharmakologische Evaluierung der angebotenen Produkte erforderlich, um Entscheidungshilfen für deren Einsatz zu geben.

Traum des Schlemmers

Die zunehmende Prävalenz der Adipositas in Deutschland ist wegen der hohen Folgekosten für das Gesundheitswesen ein ökonomisches Problem, wegen der offensichtlich schlechten therapeutischen Erfolge aber ein vielversprechendes Feld pharmazeutischer Initiativen.

Schlank werden und viel essen - der Traum des Schlemmers wäre Realität, wenn die Schlemmerei nicht dick machen würde. Die Lebensmittel- und Pharmaindustrie versorgt uns mit

  • niedrigkalorischen Fettsimulatoren auf Kohlenhydrat- oder Proteinbasis,
  • unresorbierbaren Fetten, die - ohne Kalorien zu liefern - unverändert wieder ausgeschieden werden,
  • Hemmstoffen der Kohlenhydrat- oder Fettverdauung und
  • Pharmaka zur Appetitzügelung und zur Steigerung des Energieverbrauchs (s. Kasten "Adipositas-Therapeutika").

Für Ärzte und Patienten ist der Nutzen dieser Maßnahmen zur Gewichtsreduktion meist nicht objektiv gegen die negativen Auswirkungen abzugrenzen. Deshalb sollen die Möglichkeiten, durch solche Hilfsmittel schlank zu werden oder zu bleiben, aus pharmakologischer Sicht dargestellt werden. Auf Formuladiäten, die mit herkömmlichen Nährstoffen hergestellt sind (z. B. Modifast), wird hier nicht eingegangen.

Fettreduzierte Lebensmittel

Der Nährstoffgehalt eines Lebensmittels kann durch konventionelle Verfahren, wie Austausch gegen Wasser oder Luft, gesenkt werden. Die fettreduzierten Produkte erfreuen sich beim Verbraucher oft nicht großer Beliebtheit, sie lassen den Geschmack, das fettige Mundgefühl und die beliebte Cremigkeit vermissen. Durch Zugabe von Fettsimulatoren können diese Nachteile behoben werden.

Fettsimulatoren sind Kohlenhydrate oder Proteine, die fettähnlich schmecken und aus grenzflächenaktiven Substanzen oder anderen wasserbindenden Stoffen (Emulgatoren, Aufschlagemittel, Hydrokolloide) hergestellt sind [3]. Als wasserbindende Stoffe kommen modifizierte Lipide, Proteine oder Polysaccharide in Betracht.

Fettsimulatoren auf Proteinbasis

Durch ein spezielles Verfahren (Mikropartikulation) können Hühnerei- oder Molke-Proteine in Kugeln mit einem Durchmesser - 2 mm umgewandelt werden, sodass sie organoleptisch den Geschmack von Fett vermitteln. Da Eiweiß 4,1 kcal pro Gramm liefert, während es für Fett 9,3 kcal pro Gramm sind, kann bei vergleichbarer Geschmacksqualität Energie eingespart werden.

Bei Raumtemperatur sind die mikropartikulierten Proteine stabil, beim Erhitzen gerinnen sie aber. Deshalb weichen die mit mikropartikulierten Proteinen hergestellten Produkte in ihrem physikochemischen Verhalten von den naturbelassenen Nahrungsmitteln ab und sind nur beschränkt einsetzbar. Sie werden Produkten zugesetzt, die nicht erhitzt werden, wie fettreduzierten Milch- und Molkereiprodukten, Speiseeis, Desserts oder Streichfetten, denen sie einen sahnigen Geschmack verleihen. Da keine chemischen Veränderungen an den Eiweißstoffen vorgenommen werden, ist das gesundheitliche Risiko gering, eine Gefährdung besteht für Personen mit Hühnereiweiß- oder Milchallergie, und bei übermäßiger Fettreduktion ist ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen möglich [1].

Mikropartikulierte Proteine werden als Lebensmittelzutaten eingestuft und bedürfen deshalb keiner Zulassung. Die damit hergestellten Produkte werden mit dem Inhaltsstoff, also z. B. "Molkenprotein", auf der Zutatenliste gekennzeichnet. Der Vorreiter Simplesse®, aus Gouda-Molkenprotein, ist seit 1990 in den USA von der FDA als gesundheitlich unbedenklich beurteilt und als Fettsimulator zugelassen. Zahlreiche andere Produkte befinden sich auf dem Markt oder sind in der Erprobung (Tab. 1).

Durch 1 g des an Wasser gebundenen Protein können 3 g Fett ersetzt werden. Dies entspricht einer Kalorienreduktion um 23 kcal pro eingesetztem Gramm Simplesse®. Geht man davon aus, dass maximal 30 g des Nahrungsfettes (90 g) durch 10 g Simplesse® ersetzt werden können, so würde sich dadurch rechnerisch eine Einsparung von 230 kcal pro Tag ergeben. Dies wird in der Praxis nicht erreicht [10].

Fettsimulatoren auf Kohlenhydratbasis

Fettsimulatoren auf Kohlenhydratbasis werden aus Stärkederivaten und -hydrolysaten (z. B. modifizierte Kartoffelstärke, Maltodextrin, Tapiokastärke) oder synthetisch aus Glucosepolymeren (z. B. Polydextrose) hergestellt. Diese langkettigen Polysaccharide bilden durch Wasseraufnahme Gele, die fettähnlich schmecken und in der Textur Fetten gleichen. Sie sind glatt, cremig und neutral im Geschmack. Die sensorischen und organoleptischen Eigenschaften der Nahrungsmittel, die mit diesen Fettsimulatoren angereichert werden, bleiben unverändert erhalten.

Fettsimulatoren auf Kohlenhydratbasis bestehen zu 20 bis 30% aus der linearen Amylose und der Rest aus verzweigtkettigem Amylopektin, das ein hohes Wasserbindungsvermögen besitzt. Infolge ihrer Thermostabilität können sie Back- und Gefrierprodukten zugesetzt werden.

Der Fettanteil von mayonnaiseähnlichen Saucen, Salatcremes und Dips lässt sich mit den Produkten vermindern, sie machen Saucen, Suppen, Desserts, Süßwarenprodukte und Eiscremes vollmundiger, weicher und cremiger. Bei Fleisch und Wurstwaren wird durch Zugabe von Carrageen (s. Tab. 1) der saftige Geschmack wie bei fettreichen Produkten erreicht. Zum Braten sind sie aufgrund des fehlenden Schmelzvermögens ungeeignet. Im Endprodukt liefern diese Fettsimulatoren auf Grund ihres enormen Wasserbindungsvermögens nur noch etwa 1 kcal/g.

Wenn natürliche Quellstoffe als Fettsimulatoren eingesetzt werden (Inulin, Hemicellulose, ß-Glucane oder Hydrokolloide), erscheinen sie nicht auf der Zutatenliste. Die synthetisch hergestellten Glucosepolymere (Polydextrose) sind nicht vollständig abbaubar, liefern weniger Kalorien, können aber wie Ballaststoffe bei höherem Verzehr (> 15 g pro Portion) abführend wirken. Polydextrose, die derzeit in Deutschland noch nicht zugelassen ist, müsste nach der "Novel Food Verordnung" als Zutat deklariert werden. Das Gleiche gilt für die halbsynthetischen Quellstoffe (z. B. mikrokristalline Cellulose).

Ein Gramm eines 30%igen N-Oil® Gels ersetzt ein Gramm Fett oder Öl. Die tägliche Energieeinsparung beträgt bei einer Fettzufuhr von 90 g/Tag und maximaler Verwendung des Fettsimulators, in der Praxis nicht erreichbar [10], etwa 240 kcal pro Tag.

Fettersatzstoffe

Durch Modifizierung natürlicher Fette oder durch Synthese fettartiger Verbindungen können Produkte erzeugt werden, die den Charakteristika natürlicher Fette entsprechen. Infolge ihrer spezifischen Konfiguration sollten sie resistent gegen gastrointestinale Enzymsysteme (Lipasen, Carbohydrasen) sein und weder resorbiert noch metabolisiert werden. Pharmakologisch kann man sie zu den hydrophoben Ballaststoffen zählen. Chemisch sind es Paraffine, Silicone oder Ester- und Etherderivate von Polyolen und Polycarbonsäuren (s. Tab. 1).

Lipasen des Pankreas können nur Verbindungen spalten, die maximal fünf veresterte Hydroxylgruppen aufweisen. In geringem Umfang (etwa 0,1% der gegebenen Menge) werden Pseudofette resorbiert und in der Leber akkumuliert, zu über 99% aber werden sie unverändert mit dem Stuhl ausgeschieden. Sie beeinträchtigen die Resorption fettlöslicher Vitamine und verändern die Darmflora. Damit sind diese Verbindungen mit einem hohen gesundheitlichen Risiko belastet. Gegen sie müssen pharmakologisch-toxikologische und, wegen ihrer schweren Abbaubarkeit, umweltbezogene Bedenken geäußert werden.

Zwar ist eines der Produkte in Amerika von der FDA zugelassen, seine Verbreitung in Deutschland ist aber nicht zu erwarten (Olestra®, Procter & Gamble, Sucrose-Polyester mit acht Fettsäuren). Wird mehr als 30% des Nahrungsfettes durch z. B. Olestra ersetzt, so kommt es zu abdominellen Krämpfen und Durchfall, der wegen der Inkontinenz des Schließmuskels für paraffinartige Substanzen besonders unangenehm ist.

Kalorienhaltige Pseudofette sind in Deutschland nicht am Markt. Caprenin (Procter & Gamble) ist ein Triacylglycerol aus lang- und mittelkettigen Fettsäuren und liefert 5 kcal/g. Es ist in den USA zugelassen und wird in Glasuren und Backwaren verwendet. Es erhielt in den USA 1994 die Anerkennung als "GRAS" (generally recognized as save). Salatrim (short and long acyl triglyceride molecule) ist ein Triglycerid aus lang- und kurzkettigen Fettsäuren.

Stoffwechselhemmer

Hemmstoffe des Kohlenhydratstoffwechsels spielen für die Therapie der Adipositas eine untergeordnete Rolle. Der α-Amylaseblocker (Kalblocker®) wurde 1982 vom Markt genommen. Acarbose (Glucobay®) und Miglitol (Diastabol®) sind α-Glucosidasehemmer, die zur Therapie des Diabetes mellitus Verwendung finden. Sie haben keinen Effekt auf das Körpergewicht.

Ein Hemmstoff der Fettverdauung, Orlistat (Xenical®), ist in Deutschland zugelassen. Es ist ein halbsynthetisches Derivat des Lipstatin und wirkt durch kovalente Bindung an das Serin der Magen- und Pankreaslipase. Da die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt gering ist, sind systemische Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Wird Orlistat mit einer fetthaltigen Mahlzeit eingenommen, verhindert es teilweise die Hydrolyse der Triglyceride und vermindert dadurch die Resorption von Monoacylglyceriden und freien Fettsäuren.

Prinzipiell ist der Effekt von Orlistat mit der Wirkung von Olestra vergleichbar, auch die Nebenwirkungen sind entsprechend. Fettstühle, Bauchkrämpfe, Durchfall, anal leakage und soft spotting sind besonders bei höherem Fettverzehr belastend und führen zur Unterbrechung der Therapie. Eine Resorptionshemmung fettlöslicher Vitamine kommt andererseits bei fettarmer Ernährung in Betracht [13].

Mit der üblichen Dosierung von 3 x 120 mg/Tag wird eine etwa 30%ige Hemmung der Fettresorption erreicht, was einem kalorischen Defizit von etwa 200 kcal/Tag entspricht. In einer plazebokontrollierten Studie an 688 Patienten unter hypokalorischer Diät war die Gewichtsabnahme unter Orlistat mit 10,3 kg pro Jahr statistisch signifikant höher als unter Plazebo mit 6,1 kg/Jahr [16]. Die relativ bescheidene Gewichtsabnahme muss gegen die erheblichen Kosten (Tab. 2) und die möglichen Nebenwirkungen abgewogen werden.

Anorektika und ß3-Agonisten - Regulatoren der Nahrungsaufnahme

Man nimmt heute an, dass bestimmte Zentren des Hypothalamus über das Hunger- und Sättigungsgefühl, die Sekretion stoffwechselaktiver Hormone und den endogenen Energieverbrauch das individuelle Körpergewicht mitbestimmen. Bisher wurden mehr als 20 Gene identifiziert, die regulierend auf das Essverhalten und die Nährstoffverwertung wirken. Ein definitives "Adipositasgen" konnte bisher nicht gefunden werden.

Das Hunger- und Sättigungsgefühl wird sowohl peripher durch die Magenfüllung als auch zentral durch verschiedene Regelkreise gesteuert, die individuell unterschiedlich auf Fette, Kohlenhydrate und Eiweiß reagieren. Dies zeigt sich an den verschiedenen Reduktionskostformen, die fett-, kohlenhydrat- oder eiweißbetont sein können und individuell unterschiedlich das Sättigungsgefühl befriedigen. Das Sättigungsgefühl kann durch Substanzen, die den Serotoninstoffwechsel beeinflussen, verändert werden.

Während der letzten Jahre hat besonders die endokrine Funktion der Adipozyten Interesse erlangt, da bei Zunahme der Energiereserven Adipozyten via Botenstoff Leptin dem Hypothalamus signalisieren, die Nahrungszufuhr einzustellen. Leptin hemmt im Tierversuch die Nahrungsaufnahme und führt zum Gewichtsverlust [12]. Es unterdrückt die Bildung von Neuropeptid Y (NPY) und Galanin, die das Hungergefühl hervorrufen und den Energieverbrauch senken [5]. Im Magen-Darm-Trakt gebildete Peptide tragen zur hormonellen Regulation des Essverhaltens bei. Bei normalgewichtigen Personen kommt es nach der Nahrungsaufnahme zum Anstieg des Cholecystokinin (CCK), Serotonin und Insulin, die den Appetit hemmen [6].

Die pharmakologischen Einflussnahmen auf das komplexe Regelsystem begannen mit der Entdeckung des Amphetamins, das wegen seiner suchterzeugenden Wirkung wieder vom Markt genommen wurde. Später entwickelte (noradrenerg, aber nicht mehr dopaminerg wirkende) Substanzen mit geringerem Suchtpotenzial, wie Phentermin, hatten keine Marktchancen. Als Einzelsubstanz mit zu starken Nebenwirkungen behaftet, wurde Phentermin in Kombination mit Dexfenfluramin mit gutem Erfolg zur Gewichtsreduktion angewendet [11].

Appetitzügler

Leptin wurde als Hoffnungsträger für Adipöse angesehen. Es stellte sich aber heraus, dass beim Übergewichtigen kein Mangel an Leptin herrscht, sondern die Plasmaspiegel sogar erhöht sind. Die Leptinspiegel korrelieren mit der Körperfettmasse. Die erhöhten Leptinspiegel führen auch nicht, wie erwartet, zur Einschränkung der Nahrungszufuhr, zu gesteigertem Energieverbrauch oder zu Gewichtsverlust, denn Übergewichtige scheinen eine Resistenz gegen die Leptinspiegel aufzuweisen. Dies könnte durch eine verminderte Aufnahme des Leptin in das ZNS bedingt sein. Therapieversuche mit Leptin waren bisher wenig erfolgreich. Cholecystokinin und Antagonisten des NPY und des Galanin werden derzeit klinisch zur Gewichtsreduktion erprobt [7].

Die serotoninergen Appetitzügler Fenfluramin und Dexfenfluramin wurden wegen schwerwiegender Nebenwirkungen, wie pulmonale Hypertonie, Herzklappenfehler und neurotoxischer Wirkungen [14], wieder vom Markt genommen. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin) wurden nicht zugelassen, während sich der Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Sibutramin (Reductil®) derzeit auf dem Markt befindet.

Sibutramin wirkt wahrscheinlich hemmend auf das Hungergefühl, indem es die Aktivität kortikaler ß1- und α2-Adrenorezeptoren vermindert. In klinischen Studien findet sich unter der Dosierung von 20 mg/Tag in den ersten zwei bis drei Monaten die auch für andere Anorektika übliche Gewichtsabnahme um 5,0 ± 2,7 kg. Danach folgt eine Gewichtskonstanz und nach 60 Wochen eine Gewichtszunahme [18]. Der Hersteller (Knoll Deutschland GmbH) hat deshalb die Anwendung des Präparates in ein Programm zur Gewichtsreduktion (Reducto®) eingebaut. Als häufigste Nebenwirkungen (> 10%) von Sibutramin wurden eine geringe Steigerung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, Mundtrockenheit, Verstopfung und Schlaflosigkeit berichtet. Langzeitbeobachtungen liegen noch nicht vor.

Steigerung des Energieverbrauchs

Der Energieverbrauch wird durch körperliche Aktivität, aber auch durch erhöhte Wärmeproduktion gesteigert. Schlanke Menschen können durch vermehrte Wärmeproduktion (NEAT, non-exercise activity thermogenesis) eine Gewichtszunahme durch Überernährung vermeiden. Spezifische ß3-Agonisten tragen durch eine peripher gesteigerte Wärmeproduktion dazu bei. Sie finden sich in den Adipozyten und im Fett des Magen-Darm-Trakts. Ein besonderer Effekt dieser Substanzgruppe soll die Umverteilung der Energieversorgung sein, wodurch die Fettspeicher vermindert und das Muskelprotein erhöht werden [4]. Diese Substanzen befinden sich erst in der Erprobung.

Zusammenfassung und Beurteilung

Bereits eine Gewichtsabnahme von 5 bis 10% des Körpergewichts kann die Risiken der Adipositas, wie Insulinresistenz, Hypertonie und Hyperlipidämie, signifikant senken [17]. Für die Langzeitprognose ist die dauerhafte Reduktion des Körpergewichts mit minimalen therapeutischen Risiken entscheidend. Deshalb müssen pharmakologische Interventionen zur Gewichtsreduktion stets gut begründet und zeitlich begrenzt sein. Daraus ergibt sich andererseits, dass die pharmakologische Intervention niemals als alleinige Maßnahme ausreichend ist. Mit einer hypokalorischen Mischkost wird bei erhöhter körperlicher Aktivität und einer Verhaltensschulung eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 15 kg in 32 Wochen erzielt [15].

Durch Einsatz fettreduzierter Produkte und die Verwendung von Fettsimulatoren kann die Energiezufuhr in der Praxis zusätzlich um etwa 100 kcal/Tag reduziert werden, die aber ohne entsprechende Schulung durch eine vermehrte Protein- oder Kohlenhydratzufuhr kompensiert werden [10]. In der Diätetik kann die Verwendung von Fettsimulatoren dazu beitragen, eine fettreduzierte Kost angenehmer zu machen, ist aber mit höheren Kosten verbunden (Tab. 2).

Eine Therapie mit Anorektika bringt ein deutlich höheres Gefährdungspotenzial, sie sollte immer unter ärztlicher Kontrolle und mit strenger Indikationsstellung durchgeführt werden. Die Kombination von Anorektika und Fettresorptionshemmern könnte sich aus pharmakologischer Sicht als sinnvoll erweisen. Die Therapie kann nach dem Versagen konventioneller Maßnahmen zur Gewichtsreduktion indiziert sein

  • bei Patienten mit einem BMI über 27 kg/m² und zusätzlich vorhandenen Adipositas-bedingten Gesundheitsstörungen sowie
  • bei Patienten mit einem BMI über 30 kg/m².

Zusätzlich bedarf es auch bei diesen Patienten immer der genannten Basistherapie mit diätetischer Schulung, erhöhter körperlicher Aktivität und Verhaltensänderung. Bei einem BMI über 40 kg/m² können chirurgische Maßnahmen (Gastric Banding, vertikale Gastroplastik) erwogen werden.

Kastentext: Adipositas-Therapeutika

Mittel zur Therapie der Adipositas lassen sich nach ihrem Ansatzpunkt im Energiehaushalt des Menschen einteilen:

Energiezufuhr

Appetit Appetitzügler, Leptin, Schilddrüsenhormon, Psychopharmaka

Resorption Lipasehemmer, α-Amylaseblocker

Nährstoffe Fettreduzierte Produkte Fettsimulatoren (Tab. 1) Fettersatzstoffe (Tab. 1)

Energieverbrauch

Grundumsatz Adrenergika, Symphathomimetika

Arbeitsumsatz Sport

Wärmeproduktion ß3-Agonisten

Literatur [1]Adam, O., et al.: Low fat diet decreases a-Tocopherol levels, and stimulates LDL oxidation and eicosanoid biosynthesis in man. Eur. J. Med. Res. 1996; 1: 1-7. [2]Andersen, R.E., et al.: J. Am. Med. Ass. 1999; 281: 335. [3]Arnold, R.: Fettsubstitute - Entwicklung und Einsatz in der Ernährung. SuB 1991; 4: 3-5. [4]Astrup, A., et al.: Pharmacology of thermogenic drugs. Am. J. Clin. Nutr. 1992; 55 (Suppl.): 246S-248S. [5]Bray, G.A.: The new era of drug treatment. Pharmacologic treatment of obesity: Symposium overview. Obes. Res. 1995; 3: 573s-589s. [6]Bray, G.A.: Peptides and food intake. Nutrient intake is modulated by peripheral peptide administration. Obes. Res. 1995; 3 (Suppl. 4): 569s-572s. [7]Cerulli, J., et al.: Update on the pharmotherapy of obesity. Ann. Pharmacother. 1998; 32: 88-102. [8]Domke, A.: "Designer foods" am Beispiel von Fettaustauschstoffen. Bundesgesundheitsblatt 1996; 8: 301-305. [9]Ellrott, T., Pudel, V.: Adipositastherapie - Aktuelle Perspektiven. 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1998. [10]Gatenby, S.J., et al.: Nutritional implications of reduced-fat food use by free-living consumers. Appetite 1995; 25: 241-252. [11]Goldstein, D.J., Potvin, J.H.: Long term weight loss: the effects of pharmacologic agents. Am. J. Clin. Nutr. 1994; 60: 647-657. [12]Halaas, J.L., et al.: Weight-reducing effects of the plasmaprotein encodes by the obese gene. Science 1995; 269: 543-546. [13]James, W.P., et al.: A one-year trial to assess the value of orlistat in the management of obesity. Int. J. Obes. Relat. Metab. Disord. 1998; 21 (Suppl. 3): 24-30. [14]McCann, D.U., et al.: Brain serotonine neurotoxicity and primary pulmonary hypertension from fenfluramine and dexfenfluramine. J. Am. Med. Ass. 1997; 278: 25-31. [15]Müller, B., Abelin T.: Evaluation von in Druckmedien inserierten Schlankheitskuren. Schweiz. Med. Wochenschr. 1994; 124: 748-758. [16]Sjostrom, L., et al.: Randomised placebo-controlled trial of orlistat for weight loss and prevention of weight gain in obese patients. European Multicentre Orlistat Study Group. Lancet 1998; 352: 167-172. [17]Stunkard, A.J.: Current views on obesity. Am. J. Med. 1996; 100: 230-236. [18]Weintraub, M., et al.: Sibutramine in weight control: a dose ranging, efficacy study. Clin. Pharmacol. Ther. 1991; 50: 330-337. Nachdruck aus Deutsches Ärzteblatt 96 (50), A-3243 - 3247 (1999) mit freundlicher Erlaubnis der Verfasser und der Redaktion.

Das Angebot der Lebensmittel- und Pharmaindustrie an Mitteln zur Gewichtsreduktion steigt parallel zur Zahl der Adipösen und zu den Ausgaben der Krankenkassen für die Folgekrankheiten der Adipositas. Unsere Autoren bewerten aus pharmakologischer Sicht die angebotenen Produkte, um Entscheidungshilfen für deren Einsatz zu geben.

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