Therapie

E. Lares:Zeitbombe Tuberkulose - In Osteuropa und Sc

Weltweit gilt die Tuberkulose noch vor AIDS und Malaria als die häufigste zum Tode führende Infektionskrankheit. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken jährlich etwa acht Millionen Menschen neu an Tuberkulose, 90 Prozent davon in Entwicklungsländern. Die Zahl der Toten beträgt zwei bis drei Millionen pro Jahr. Der alarmierende Anstieg der Tuberkulosefälle in Osteuropa und den Staaten der GUS könnte sich durch die geographische Nähe auch auf Deutschland auswirken.

Die Tuberkulose konnte in den Industrieländern durch verbesserte Ernährung, gehobenen Lebensstandard, gute Wohnverhältnisse und auch durch die Ausrottung der Rindertuberkulose erfolgreich zurückgedrängt werden. In vielen Regionen der Welt sind diese Bedingungen jedoch nicht gegeben. Erkrankten kann dort nicht rechtzeitig mit wirksamen Therapien geholfen werden.

Neue Probleme: AIDS und Resistenzen

Besonders in den Entwicklungsländern ist die Tuberkulose bis heute nicht ausreichend bekämpft. Zwei neue Probleme treten besonders in den Entwicklungsländern auf: die sich rasch ausbreitende AIDS-Epidemie und die Entwicklung von Resistenzen der Erreger gegen die Standard-Arzneimittel. HIV-Infizierte erkranken bis zu siebenmal häufiger an Tuberkulose als nichtinfizierte Menschen. Die Erregerresistenzen entwickeln sich hauptsächlich bei Patienten, die ihre Arzneimittel nicht regelmäßig und über die volle Behandlungsdauer von mindestens sechs Monaten einnehmen oder wenn eine falsche, nicht voll wirksame Kombinationstherapie eingesetzt wird.

In Deutschland: sehr wenig Todesfälle

1998 wurden in Deutschland 10 440 Erkrankungen an behandlungsbedürftiger Tuberkulose gemeldet, 711 Personen starben an Tuberkulose. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich gegenüber 1960 um ein Zehntel verringert. Die früher gefürchtete Volksseuche konnte erfolgreich zurückgedrängt werden. Noch vor etwa 100 Jahren starben in Deutschland 330 Personen von 100 000 Einwohnern an Tuberkulose, heute ist es nicht einmal ein Sterbefall pro 100 000 Einwohner.

Erreger aus Osteuropa

In Osteuropa und den Staaten der GUS stieg in den letzten Jahren die Zahl der Tuberkulosefälle alarmierend an. Auch wurden dort zunehmend multiresistente Erreger isoliert. Aufgrund der geographischen Nähe und der starken Einwanderung aus diesen Regionen könnte sich diese Situation auch auf Deutschland auswirken. Eine Zunahme der Erkrankungen wurde bislang aber nicht registriert. Der Anteil an (meist importierten) multiresistenten Erregern jedoch nimmt, zwar noch nicht besorgniserregend, aber deutlich zu.

Häufigster Erreger: Mycobacterium tuberculosis

Bei den Erregern der Tuberkulose handelt es sich um säurefeste Stäbchen der Familie der Mycobacteriaceae. Es existieren etwa 90 verschiedene Mykobakterien-Arten, doch nur die Tuberkulosebakterien haben immer eine pathogene Bedeutung. Unter dem Begriff Mycobacterium-tuberculosis-Komplex werden zusammengefasst: M. tuberculosis, M. bovis und M. africanum. Der häufigste Erreger der Tuberkulose ist M. tuberculosis, der von Mensch zu Mensch übertragen wird. M. bovis dagegen kann sich auch in Rindern vermehren und wird über die Milch auf den Menschen übertragen.

Eigentliche Toxine sind bei den Mykobakterien nicht bekannt, die Keime sind auch primär für den Wirtsorganismus nicht toxisch. Schuld an der Immunitätsreaktion ist das von den Mykobakterien produzierte Stoffwechselprodukt "Tuberkulin". Die Tuberkulosebakterien liegen im Körper entweder extrazellulär in so genannten Kavernen oder verkäsenden Herden oder intrazellulär in Makrophagen vor.

Übertragung durch Tröpfcheninfektion

Die Tuberkulose wird durch Tröpfcheninfektion übertragen, die Bakterien werden vor allem beim Husten und Niesen freigesetzt. Da bei der offenen Lungentuberkulose sehr viele infektiöse Keime vorhanden sind, ist sie sehr ansteckend. Es besteht Meldepflicht bei Erkrankung und Tod. Die Patienten müssen isoliert werden. Von extrapulmonalen Tuberkulosen, die die Lymphknoten, das Urogenitalsystem, die Knochen, Gelenke und die Verdauungsorgane betreffen, geht kein Infektionsrisiko aus.

Die Infektion mit Tuberkulose erfolgt weniger leicht als bei anderen über die Atemluft übertragbaren Krankheiten. Studien in Haushalten, in denen sich ein Tuberkulosepatient mit Erregern im Sputum aufhält, ergaben, dass sich durchschnittlich nur ein Drittel der Mitbewohner infizierte. Ob es zu einer Infektion kommt oder nicht, hängt von der Häufigkeit und Dichte des Kontaktes, der Menge und Virulenz der Erreger und der allgemeinen Immunlage der Kontaktperson ab.

Eine Übertragung durch nicht pasteurisierte kontaminierte Milch ist prinzipiell möglich, jedoch in Mitteleuropa nicht mehr von Bedeutung, da der Rinderbestand weitgehend tuberkulosefrei ist. Tuberkulosebakterien können auch über die Haut übertragen werden, dies ist jedoch sehr selten.

Inkubationszeit und Ansteckungsgefahr

Die Inkubationszeit kann Wochen bis Monate betragen. Eine offene Lungentuberkulose tritt in der Regel sechs Monate nach einer Infektion auf. Der Zeitraum zwischen der Erstinfektion und einer positiven Tuberkulinreaktion beträgt vier bis zwölf Wochen. Diese "präallergische" Phase ist besonders bei der Überwachung von Personen, die Kontakt zu Tuberkulosepatienten haben, zu berücksichtigen.

Die Ansteckungsgefahr ist am größten, solange säurefeste Stäbchen im Sputum, Bronchialsekret oder Magensaft nachweisbar sind. Unter einer wirksamen Chemotherapie nimmt die Ansteckungsgefahr innerhalb von zwei bis drei Wochen rasch ab.

Die ersten Symptome ähneln einem grippalen Infekt

Die klinischen Symptome einer Tuberkulose sind Leistungsschwäche, Müdigkeit, Fieberschübe, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, Lymphknotenschwellungen, Husten, blutiger Auswurf und Nachtschweiß. Respiratorische Beschwerden treten in Form von Husten, Brustschmerzen und Atemnot auf. Länger als drei Wochen andauernder Husten sollte unbedingt abgeklärt werden, bei blutigem Auswurf muss sofort auf einen Arzt verwiesen werden.

Die Primär-Tuberkulose nach Erstinfektion manifestiert sich in 90 Prozent der Erkrankungen als Lungentuberkulose, kann aber auch die Halslymphknoten, den Darm und die Haut betreffen (extrapulmonale Tuberkulose). In der Lunge werden die Bakterien von dort ansässigen Makrophagen aufgenommen. Normalerweise werden die Erreger dort abgetötet, die Mykobakterien können jedoch aufgrund ihres besonderen Wandaufbaus in den Makrophagen überleben und sich dort vermehren. Dadurch zerfallen die Makrophagen, die Erreger werden freigesetzt. Sie werden dann entweder von anderen Makrophagen wieder aufgenommen oder wandern in die nächstgelegenen Lymphknoten. Bei schlechter Immunlage können sich die Erreger weiter über die Lymphe und das Blut im gesamten Organismus ausbreiten. Diese lymphogene und hämatogene Aussaat kann direkt nach einer Erstinfektion oder erst Jahre danach erfolgen, wenn die Bakterien aus ruhenden Herden reaktiviert werden und sich wieder vermehren.

Die Hauptkomplikationen sind die Miliartuberkulose und die tuberkulöse Meningitis, die heute jedoch selten geworden ist. Bei der Miliartuberkulose verbreiten sich die Erreger hämatogen über den ganzen Körper, und in allen Organen treten hirsekorngroße Tuberkelknötchen auf. Sie verursacht ein starkes Krankheitsgefühl mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Husten und Schmerzen bei der Atmung und verläuft ohne Therapie tödlich. Zu einem tuberkulösen Befall von Knochen, Gelenken oder des Urogenitaltraktes kommt es meist erst einige Jahre nach der Erstinfektion durch hämatogene Aussaat oder einer Reaktivierung von Organherden.

Tuberkulin-Stempeltest zur Diagnose

Der Tuberkulintest ist die einzige Möglichkeit zum Nachweis einer Tuberkuloseinfektion ohne Erkrankung. Das Tuberkulin wird auf der Innenseite des Unterarms in die Haut appliziert. Nach vier bis sieben Tagen wird das Ergebnis abgelesen. Frühreaktionen werden nicht bewertet. Hat sich mindestens eine sicht- und tastbare Papel ausgebildet, ist die Reaktion positiv - Antikörper sind vorhanden.

Sind keine allergischen Hautveränderungen erkennbar oder liegt nur eine Rötung ohne Schwellung vor, ist das Ergebnis negativ. Falsch-negative Ergebnisse sind selten und lassen sich meist auf eine abnehmende Reaktionsbereitschaft mit steigendem Alter oder eine fehlende Reaktion auf Antigene bei schwer tuberkulösen Patienten zurückführen. Falsch-positive Ergebnisse können durch eine vorausgegangene BCG-Impfung entstehen.

Bakteriologische Diagnostik

Der Erreger wird in der Regel im Sputum, Bronchialsekret oder Trachealsekret nachgewiesen, möglich ist aber auch ein Nachweis im Magensaft, Urin, Liquor und anderen Punktionsproben. Die säurefesten Stäbchen sind nach Anfärbung (Ziehl-Neelsen-Färbung) unter dem Mikroskop sichtbar. Der mikroskopische Nachweis liegt sehr schnell vor, es müssen jedoch mindestens 104 Keime pro Milliliter vorhanden sein, um ein positives Ergebnis zu erhalten.

Lebende und tote Bakterien können nicht unterschieden werden, deshalb ist es immer erforderlich, auch eine Kultur anzulegen. Aufgrund der langen Generationszeit der Tuberkulosebakterien von 16 bis 20 Stunden müssen die Kulturen sechs bis acht Wochen (je nach Kulturmedium) bebrütet werden. In jedem Fall sollte eine Typendifferenzierung erfolgen, da nicht alle Mykobakterienarten pathogen sind. In der Regel wird diese mit molekularbiologischen Verfahren durchgeführt.

Um eine Therapie festzulegen, ist auch eine Empfindlichkeitsprüfung notwendig, bei der primäre Resistenzen erfasst werden. Eine Wiederholung nach etwa zwei Monaten ist erforderlich, wenn trotz der Therapie immer noch positive Kulturen isoliert werden, um eventuell erworbene Resistenzen zu entdecken.

Abklärung mit Röntgendiagnostik

Neben den bakteriologischen Nachweisverfahren spielt die Röntgendiagnostik in der Erkennung und Verlaufsbeurteilung der Lungentuberkulose eine entscheidende Rolle. Sie ist die Methode der Wahl in der Früherkennung der Erkrankung bei tuberkulin-positiven Kontaktpersonen, bei der Abklärung klinischer Symptome, die auf eine Tuberkulose hinweisen, und in der Rezidivdiagnostik.

Kombinationstherapie über mindestens sechs Monate

Die Standardtherapie für die Lungentuberkulose ist eine Chemotherapie, die sich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt. In der Initialphase werden über zwei Monate vier Arzneistoffe kombiniert: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol oder Streptomycin. In der darauf folgenden Stabilisierungsphase wird über weitere vier Monate Isoniazid und Rifampicin gegeben.

Die verschiedenen Arzneimittel werden gleichzeitig einmal täglich - vorzugsweise nüchtern morgens - eingenommen, da hohe Spitzenkonzentrationen für die Wirkung eine Voraussetzung sind. Eine gute Compliance des Patienten ist wichtig, unter anderem um Resistenzen durch unregelmäßige Einnahme oder frühzeitigen Therapieabbruch vorzubeugen.

Bei HIV-Infizierten wird die Tuberkulose nach dem gleichen Schema therapiert. Die Behandlung sollte jedoch neun Monate dauern und muss mindestens noch sieben Monate durchgeführt werden, nachdem der Kulturnachweis negativ ist.

Wichtige Interaktionen von Rifampicin

Rifampicin beschleunigt den Metabolismus von zahlreichen Arzneimitteln in der Leber, insbesondere von oralen Antikontrazeptiva, cumarinhaltigen Antikoagulanzien, Digitalis und Methadon. Der Wechsel zu einer nicht-hormonalen Verhütungsmethode wird empfohlen. Rifampicin verfärbt Urin und Tränen orange.

BCG-Impfung wird nicht mehr empfohlen

Die BCG-Impfung (Bacille-Calmette-Guerin) wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut seit 1998 nicht mehr empfohlen. Der Impfstoff ist in Deutschland nicht mehr erhältlich. Die Gründe sind die günstige epidemiologische Situation in Deutschland, eine nicht sicher belegte Wirksamkeit der Impfung und die nicht seltenen unerwünschten Nebenwirkungen. Dies entspricht auch den Empfehlungen der WHO, die vorgeschlagen hat, in Populationen, in denen das Infektionsrisiko für Tuberkulose unter 0,1 Prozent liegt, keine generelle BCG-Impfung durchzuführen. Bei bereits BCG-Geimpften ist die Tuberkulinreaktion positiv und lässt nicht auf eine Tuberkuloseerkrankung schließen.

DOTS-Strategie zur Therapieüberwachung

Um die Tuberkulose auch in den Entwicklungsländern wirksam bekämpfen zu können, setzt die WHO eine Strategie namens DOTS (directly observed treatment, short-course) ein. Damit sollen erkrankte Patienten rasch entdeckt und eine effiziente Therapie eingeleitet werden. Der Patient bleibt bis zur Gesundung unter ständiger Aufsicht. So soll auch das Risiko von Resistenzentwicklungen reduziert werden.

Quelle Epidemiologisches Bulletin, Robert Koch-Institut, Nr. 11, 17. März 2000. Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts zum Welt-Tuberkulosetag vom 21. März 2000.

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