- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 15/2000
- Sequenzierung des ...
DAZ aktuell
Sequenzierung des menschlichen Genoms
Als nächstes will Celera damit beginnen, die vielen Sequenzfragmente zu einem großen Ganzen zusammen zu setzen. Ein weiterer Schwerpunkt der zukünftigen Aufgaben wird es sein, die Sequenzinformationen zu beschreiben und zusätzliche Daten über genetische Variationen zu sammeln.
Der schnellste Genetiker
Die Celera Genomics (lat. celer = schnell, rasch) macht mit dieser Mitteilung ihrem Namen alle Ehre. Im September 1999 begann das Unternehmen mit der Sequenzierung des menschlichen Genoms. Sieben Monate später ist das Titanenwerk fast geschafft. Celera glaubt, 99 Prozent des menschlichen Genoms kloniert und sequenziert zu haben.
Die Geschwindigkeit der Sequenzierung ist die eigentliche Leistung von Graig Venter und seinen Mitarbeitern. Sie setzten dafür die Shotgun-Sequenzierungstechnik ein, bei der die DNA zufällig in viele sich überlappende kleine Teilstücke zerhackt wird, die sich biochemisch sequenzieren lassen. Celera setzte dazu ganze Batterien der besten, größten und schnellsten Sequenzierautomaten ein, die es gibt. Sie stammen von der Muttergesellschaft Perkin Elmer.
Graig Venter wird für diese gewaltige Leistung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft hoher Respekt gezollt. Er hat gezeigt, dass mit Geld und Engagement vieles bis dahin Undenkbare möglich ist. Das staatlich geförderte Humangenomprojekt, das von viel mehr Menschen getragen wird, ist noch längst nicht soweit, obwohl bereits 1986 mit der Sequenzierung begonnen worden war.
Sequenzieren ist wie Lesen lernen
Sequenzieren ist wie das Lesen lernen des ABC-Schützen, eine mühsame aber notwendige Fertigkeit. Die bloße Sequenz ist wie die Bibel in kyrillischen Buchstaben. Man mag den Text buchstabieren können, ohne jedoch den Sinn der Worte, Sätze oder gar Kapitel zu erfassen. Doch beim Menschen ist man noch weit entfernt von Wörtern oder gar Kapiteln. Aus den vielen Millionen sequenzierter DNA-Schnipsel die korrekte Sequenzfolge der einzelnen Chromosomen zusammen zu setzen, ist viel schwieriger als ein Puzzel mit Millionen Teilen zusammen zu fügen.
Die Fehlerrate der Sequenziermethode von Celera liegt bei einem Prozent, also jede hundertste Base ist falsch. Erschwerend kommt hinzu, dass die Leserichtung der einzelnen Sequenzen unbekannt ist und das Genom aus großen Bereichen repetitiver, sich wiederholender Sequenzen besteht. Diese richtig zuzuordnen ist nicht einfach, handelt es sich doch um eine riesige Datenmenge.
Bei Celera wurde das Genom eines geheimen Probanden insgesamt elfmal zerhackt und sequenziert. Aus diesem Datengebirge überlappender Bruchstücke von wenigen hundert Basen Länge muss nun die echte Sequenz der 24 Chromosomen (22 Gonosomen und die Autosomen X und Y) heraus gefiltert werden. Das Zauberwort zur Lösung dieser Fragen heißt Bioinformatik. Nimmt man eine Länge der DNA-Bruchstücke von 300 Basen an, sind das bei elfmal drei Milliarden Basen über 100 Millionen Basensequenzen, die analysiert, verwaltet und in die richtige Reihenfolge gebracht werden müssen.
Genetik ist teuer
Celera macht derweil große Verluste. Denn Sequenzierung ist teuer. Die Finanzierung der Forschung führt deshalb immer wieder auf die Frage der Patentierbarkeit von Genen und DNA-Sequenzen. Dieser Streit ist noch nicht vollständig entschieden. Die Forscher des Humangenomprojektes veröffentlichen alle Sequenzdaten, sobald sie vorliegen. Celera wird deshalb mit seinem Wissensvorsprung wenig anfangen können.
Graig Venter hat vor ein paar Jahren die Öffentlichkeit aufgeschreckt, als er versuchte, 2000 Gene zu patentieren, von denen er gerade ein paar kurze Sequenzen kannte. Sein Image des bösen Buben der Szene versucht er nun los zu werden. Er hat soeben die Sequenzdaten der Fruchtfliege Drosophila melanogaster der Wissenschaft geschenkt.
Geld verdienen muss er mit dem Humangenom. Zwar wird er auch diese Sequenzen veröffentlichen. Die interessanten Daten z.B. über die SNiPs (single nucleotide polymorphisms) will er zurückhalten. Diese variablen DNA-Sequenzen sind sehr wichtig zur Identifikation krankheitsassoziierter Gene. In der Praxis kommt jedes Gen in mehreren Varianten vor. Die Unterschiede nennt man SNiP. Diese sind sehr zahlreich im Genom verteilt. Sie dienen nicht nur als Wegweiser auf den Chromosomen. Manche SNiPs weisen auf unterschiedliche Wirkung - positiv oder negativ - von Medikamenten hin. Ein wichtiges Ziel der Pharmaforschung ist es deshalb, möglichst viele SNiPs zu finden.
Wer also die Datenbank von Celera nutzen will, muss zahlen. Von Pharmafirmen soll er für die Nutzung 50 Millionen US-Dollar pro Jahr verlangen. Hochschulforscher werden es etwas billiger bekommen. Nicht von ungefähr haben sich deshalb die großen Pharmakonzerne zusammen getan und ein eigenes SNiP-Konsortium gegründet.
Die Genomforschung hat erst begonnen
Es bleibt zu hoffen, dass Graig Venter die Genetik weiter in Atem hält. Als er begann, mit der Shotgun-Methode zu arbeiten, wurde er ausgelacht oder als unseriös abgelehnt. Doch er hat sich durchgesetzt. Getreu dem Motto seines Unternehmens "speed matters" scheint sich Geschwindigkeit wahrscheinlich auch finanziell für ihn auszuzahlen.
Die Genomforschung hat gerade erst begonnen. Praktisch jeder Organismus wird irgendwann sequenziert sein. Von der Sequenz bis zum Verständnis des Genoms ist es aber noch ein weiter Weg.
Am 6. April 2000 teilte Graig Venter der Öffentlichkeit mit, dass seine Firma Celera Genomics, ein Unternehmen der Perkin Elmer Corporation, das komplette Genom eines Menschen sequenziert habe. Dies ist eine wichtige Zäsur in der Erforschung des menschlichen Genoms, aber angesichts der Aufgaben, die den Genetikern noch bevorstehen, erst der erste Schritt eines langen Weges.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.