DAZ aktuell

Neue Forschungsergebnisse zur Xenotransplantation

LANGEN (pei). Wissenschaftlern des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) in Langen ist es erstmalig gelungen, vollständig das Erbmaterial von Schweineretroviren (porcine endogene Retroviren = PERV) in die Hand zu bekommen und die biologische Aktivität der PERV zu beschreiben. Die Forscher zeigten, dass im Erbgut des Schweins mehrere PERV verankert sind, von denen vermehrungsfähige Viruspartikel gebildet werden. Diese sind in der Lage, humane Zellen zu infizieren.

Die Wissenschaftler wiesen ebenfalls nach, dass PERV die Funktion menschlicher Immunzellen hemmen. Damit konnten sie zeigen, dass sich diese Viren wie HIV und andere Retroviren verhalten, die in der Lage sind, im infizierten Organismus eine Immunschwäche hervorzurufen. Mit den vorliegenden Arbeiten haben die beiden Arbeitsgruppen um Dr. Ralf Tönjes und Dr. Joachim Denner neue Daten für eine Bewertung des Risikos der Xenotransplantation vorgelegt.

Die Xenotransplantation, das heißt die Übertragung von tierischen Zellen, Geweben oder Organen auf den Menschen, soll helfen, den bestehenden Mangel an geeigneten menschlichen Spendergeweben zu beheben. Sie ist jedoch nur dann denkbar, wenn die immunbiologische Abstoßung der tierischen Transplantate vermieden werden kann und die mikrobiologische Sicherheit gewährleistet ist. Eine Infektion der Patienten oder ihrer Umgebung durch PERV aus Xenotransplantaten muss ausgeschlossen werden.

Relativ hohes Infektionsrisiko

Eine im August 1999 im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte Studie an 160 Patienten, denen beispielsweise Schweinezellen injiziert worden waren oder die über den Blutkreislauf direkten Kontakt mit Schweineorganen hatten, lieferte keine Hinweise auf eine Infektion durch PERV. Auch Patienten, die nach Verbrennungen eine Schweinehaut transplantiert bekamen, waren nicht mit PERV infiziert.

Allerdings stellten diese klinischen Eingriffe nur vorübergehende Übertragungen von tierischen Geweben dar. Intakte Organe, die dauerhaft in einem Patienten verbleiben sollen, wurden weltweit bisher nicht transplantiert. Zu bedenken ist, dass bei diesen Patienten das Immunsystem ständig durch Arzneimittel unterdrückt werden muss, um die Abstoßung des Organs zu verhindern. Deshalb dürfte ein Infektionsrisiko wesentlich größer sein, betonen die Langener Wissenschaftler. Sie warnen angesichts der jetzt von ihnen veröffentlichten Ergebnisse vor voreiligen Schlussfolgerungen aus den damaligen Untersuchungen.

Professor Dr. Johannes Löwer, kommissarischer Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts betont: "Die am PEI erzielten Forschungsergebnisse sind auch von praktischem Nutzen. Die Aufklärung der Genstruktur und der biologischen Eigenschaften erlaubt nämlich die Entwicklung von maßgeschneiderten Nachweisverfahren für PERV." Solche Tests, die bei einem kontrollierten klinischen Einsatz der Xenotransplantation für eine engmaschige Überwachung der Patienten und Kontaktpersonen angewendet werden sollten, wurden bereits in den Arbeitsgruppen von Tönjes und Denner entwickelt. Beide leiten zusammen die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation (DAX), die sich im Mai 2000 bereits zum dritten Mal im Paul-Ehrlich Institut zu einem Symposium trifft, um ethische, juristische und medizinisch-wissenschaftliche Fragen dieser neuen Technologie zu diskutieren.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.